Ärger über ewige Baustelle in Florenz

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Nach vielen Jahren Planung und 760 Millionen Euro für diverse Bauarbeiten könnte das Projekt des neuen Bahnhofs Belfiore in Florenz wieder gestoppt werden. Viele Bürger sind genervt.

Florenz. Es ist Sommer. Sommer 2016. Der Zeitpunkt, zu dem eigentlich der Betrieb des neuen Bahnhofs in Florenz aufgenommen werden sollte. Belfiore, so der malerische Name des Viertels, in dem auch der ebenso malerische moderne Glasbau von Stararchitekt Norman Foster heute stehen sollte. Doch malerisch ist hier nur wenig. Eher staubig. Statt eines Bahnhofs ist an der Viale Corsica nur eine abgesperrte Baustelle zu finden. Bauarbeiter sieht man hier nur selten – der Bürgermeister der Stadt hat die Arbeiten erst einmal gestoppt.

Sommer 2016: Schon dieses Datum war sehr viel später angesetzt, als der ursprüngliche Projektplan das vorgesehen hatte. In der Nachricht von 2002, dass das Büro Foster den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, hieß es noch: Projektabschluss 2008. Als aktuelles Datum für die Eröffnung kursiert nun Sommer 2020. Wenn überhaupt. Denn nach vielen Jahren Planung, 760 Millionen Euro, die laut der Gegenbewegung No TAV bereits in die Baustellen an verschiedenen Punkten der Stadt geflossen sein sollen, und nach dem Graben eines etwa 40 Meter tiefen Lochs für den neuen Bahnhof könnte das Projekt nun endgültig gekippt werden.

Tunnel für Schnellzüge

Der neue Bahnhof Belfiore, verbunden mit dem Bau eines sechs Kilometer langen Tunnels unter der Renaissancestadt, sollte vor allem dem Schnellzugverkehr nutzen. Daher der Projektname TAV – Treno ad alta velocità, auf Deutsch Schnellzug.

Eine oberirdische Tram sollte den neuen Bahnhof an den Flughafen und den jetzigen Florentiner Hauptbahnhof Santa Maria Novella anbinden – einen Kopfbahnhof, der dadurch vom Fernverkehr umfahren und zum Hauptknotenpunkt für den Regionalverkehr werden sollte. Rund 1,5 Milliarden Euro sollte das Projekt laut den Planungen kosten.

Bürgermeister Dario Nardella vom Partito Democratico würde dieses aber am liebsten einfach begraben. Oder zumindest umplanen. „Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass mir – wie auch meinem Vorgänger (Premier Matteo Renzi, Anm.) – das TAV-Projekt nicht gefällt“, sagte er kürzlich. Ginge es nach ihm, würden die Schnellzüge weiterhin oberirdisch fahren und die bestehenden Bahnhöfe Campo di Marte oder Rifredi nutzen.

Der Bahnhof Belfiore könnte in den Akten verschwinden, und der geplante Tunnel würde von einer U-Bahn befahren, die die Menschen in der engen historischen Stadt endlich zuverlässig von A nach B brächte. Das wäre erstens weniger aufwändig, zweitens günstiger und drittens nützlicher für die Bürger. Viele Konjunktive.

Ende Juli hat sich Nardella mit Vertretern aus der Region, der Eisenbahn und der Regierung in Rom getroffen, um Alternativen zum Ursprungsprojekt durchzugehen. Anscheinend sind die Beteiligten an einer Kompromisslösung interessiert – ein kürzerer Tunnel für Schnellzüge ist nun im Gespräch. Im September will man sich erneut zusammensetzen. Über das Schicksal des neuen Bahnhofs wurde noch nicht entschieden.

So manchen Bürger von Florenz würde es freuen, wenn es bald eine Lösung gäbe. Egal welche. Viele sind der ewigen Baustellen und Diskussionen um den Zugverkehr überdrüssig. Ebenfalls 1998 hatte die Stadt begonnen, ein Straßenbahnnetz zu bauen. Von den geplanten drei Linien fährt seit 2010 eine. Den Flughafen erreicht man noch immer mit dem Bus.

„Niemand trifft Entscheidung“

„Ich bin auf jeden Fall für eine Veränderung – egal welche“, sagt Giacomo Bogani. Der 32-jährige Florentiner ist es einfach leid: „Diese Arbeiten haben 1995 angefangen. Seit fünf Jahren passiert nichts mehr.“ Florenz sei nur noch verstopft, „eine Stadt voller eingefrorener Baustellen, weil niemand eine Entscheidung treffen will“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2016)

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