"Belgrade Pride": Schwule im Visier der Gewalt

(c) Reuters (Marko Djurica)
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Nicht nur in Serbien, wo am Sonntag eine Homosexuellenparade abgesagt wurde, haben Schwule und Lesben einen schweren Stand. Auch in Tschechien, Bulgarien und in Ungarn stören Nationalisten regelmäßig Paraden.

Belgrad/Wien. „Tod den Schwulen – stoppt die Parade“: In ganz Belgrad künden Graffiti noch von der am Wochenende im letzten Moment abgeblasenen „Belgrade Pride“. Die letzte und bisher einzige „Parade des Stolzes“ war 2001 von Hooligans blutig auseinandergeprügelt worden: Die Polizei ließ den wütenden Mob damals weitgehend gewähren.

Für die versuchte Neuauflage hatte Serbiens Regierung den Organisatoren zwar zunächst wirksameren Schutz und den Einsatz von 5000 Polizeibeamten zugesichert. Doch nach vermehrten Gewaltandrohungen von nationalistischen Organisationen und Hooligans machte Premier Mirko Cvetkovic im letzten Moment einen Rückzieher. Im Stadtzentrum könne die Sicherheit der Teilnehmer der Parade nicht garantiert werden, begründete er seine Anordnung, diese aus der Innenstadt auf eine Wiese an den Stadtrand zu verlegen. Die Auslagerung in die Peripherie in allerletzter Sekunde lehnten die Organisatoren indes ab, da sie in ihr eine weitere Marginalisierung der Randgruppe witterten. Faktisch komme die Regierungsanordnung einem Verbot gleich, so eine Sprecherin: „Die Regierung hat vor der Gewalt kapituliert.“

Die schwache Homo-Szene des Balkanstaates war erst vor wenigen Monaten ermutigt worden, nach acht Jahren einen neuen Anlauf für die Parade zu wagen, nachdem Serbien auf Druck der EU im März ein Gesetz zum Schutz der Minderheiten verabschiedete – wie übrigens auch Bosnien-Herzegowina im Juni, Albanien denkt noch darüber nach.

Kapitulation vor Nationalisten?

Tumultartigen Szenen und Gewaltausbrüche am Rande von Schwulenparaden kennt man aber auch aus anderen ehemals kommunistischen Ländern. Homosexuellenverbände und Menschenrechtsorganisationen werfen den Regierungen vor, ein erhöhtes Sicherheitsrisiko als Ausrede für die Absagen von Kundgebungen zu nutzen, und sprechen von Kapitulation vor den Nationalisten.

In der lettischen Hauptstadt Riga fand vor wenigen Monaten die „Baltic Pride“ erstmals ohne Ausschreitungen statt – aber erst nachdem ein Gerichtsentscheid das Verbot der Stadtregierung in letzter Minute kippen konnte. In den Jahren davor hatten Nationalisten Teilnehmer von Schwulenparaden sogar mit Fäkalien beworfen.

Gegen Anfeindungen haben Homosexuellenverbände auch in Polen zu kämpfen: Als heuer im Mai rund 500 polnische Schwule und Lesben mit Spruchbändern durch das Zentrum von Krakau marschierten, warfen Rechtsradikale Eier und Flaschen. Als Erfolg wird allerdings schon gewertet, dass die Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte. Denn 2004 hatte der damalige Oberbürgermeister von Warschau, der derzeitige Staatspräsident Lech Kaczy?ski, den Umzug verboten. Starker Widerstand kommt im erzkonservativen Land ebenfalls von der mächtigen katholischen Kirche, deren Vertreter immer wieder Therapien für die „Krankheit Homosexualität“ fordern.

„Untergrabung der Moral“

Auch in Tschechien, Bulgarien und in Ungarn stören Nationalisten regelmäßig Paraden. Nachdem in Budapest im Vorjahr die Polizei Tränengas und Wasserwerfer gegen rechtsradikale Randalierer einsetzen musste, wurde vergangenen Herbst vom damaligen Premier Ferenc Gyurcsany die „Ungarische Demokratische Charta“ gegründet, die Minderheitenrechte untermauern sollte. Seither ist es still um die Initiative geworden.

Den schwersten Stand haben Schwule und Lesben aber in Russland: Dort greift die Polizei regelmäßig mit harter Hand ein und verhaftet nicht etwa Störenfriede, sondern Kundgebungsteilnehmer. Als im heurigen Mai Homosexuellenverbände Paraden ankündigten, hat Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow postwendend „hartes Vorgehen“ in Aussicht gestellt. Er sieht nämlich „die Moral der Gesellschaft“ untergraben.

AUF EINEN BLICK

In der serbischen Hauptstadt Belgrad hätte am Sonntag erstmals seit 2001 eine Homosexuellenparade stattfinden sollen. Die Regierung ließ die Veranstaltung aber in letzter Sekunde an den Stadtrand verlegen, was die Organisatoren inakzeptabel fanden. Sie sagten ab. Erst im März hat das serbische Parlament ein Anti-Diskriminierungsgesetz verabschiedet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2009)

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