Der Tag nach den schweren Beben in Mittelitalien

Borgo Sant'Antonio in der Nähe von Visso
Borgo Sant'Antonio in der Nähe von VissoReuters
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Mehrere Stunden nach den Erdbeben und teils schweren Nachbeben ist die Situation in der Region Macerata nach wie vor unübersichtlich.

Während der heftigen Erdbeben, die am Mittwochabend die mittelitalienische Region Marke erschüttert hatten, ist ein Kind in der Kleinstadt Camerino beim Einsturz der Wohnung seiner Eltern schwer verletzt worden. Dies bestätigte der Bürgermeister der Ortschaft, Mauro Riccioni. Das Kind sei ins Krankenhaus gebracht worden. Italiens Zivilschutzchef Fabrizio Curcio und der Kommissar für den Wiederaufbau, Vasco Errani, besuchten das Erdbebengebiet, um sich ein Bild der Lage zu machen. Beim zweiten Erdstoß um 23.18 Uhr, dem stärksten der Beben mit einer Magnitude von 5,9, hatten viele Menschen ihre Wohnungen bereits verlassen, daher sei es zu keinen Todesopfern gekommen. Nur ein 73-Jähriger erlag einem Herzinfarkt, der wahrscheinlich durch den Schock des Bebens ausgelöst wurde.

Besonders gravierend ist die Situation in der Gemeinde Ussita. "Mindestens 250 Personen, die Hälfte der Bevölkerung, brauchen eine Unterkunft", klagte Bürgermeister Marco Rinaldi. Die Gemeinde lebe vom Tourismus, machte er sich Sorgen um die Zukunft. Die Stadtkerne vieler kleinerer Orte in der Provinz Macerata seien zerstört. Die neuerlichen Erdstöße verursachten auch weitere Gebäudeeinstürze in Amatrice. Die Berggemeinde am Apennin war bei einem Erdbeben am 24. August dieses Jahres bereits weitgehend zerstört worden. In Amatrice starben damals auch die meisten der insgesamt 298 Todesopfer dieses Bebens.

"Wir haben eine Alptraum-Nacht erlebt"

Nach den drei schweren Erdbeben haben tausende Menschen in der Region Marke die Nacht in Autos oder in Notunterkünften verbracht. Trotz heftiger Regenfälle verzichteten sie darauf, in ihre teils beschädigten Wohnungen zurückzukehren. Die Gemeinden organisierten Zelte und Notunterkünfte.

"Wir haben eine Alptraum-Nacht erlebt", berichteten Betroffene. Die schlechte Wetterlage und Stromausfälle erschwerten den Einsatz der Feuerwehrmannschaften in den am stärksten betroffenen Ortschaften Ussita, Camerino, Visso und Castelsantangelo sul Nera. Erhebliche Sachschäden gab es auch in Arquata del Tronto, einer bereits beim Beben am 24. August schwer zerstörten Gemeinde. In der ganzen Region Marke sollten am Donnerstag die Schulen geschlossen bleiben.

Mehrere Kirchen sind eingestürzt

Durch die Beben wurden zahlreiche Kirchen der Gegend starkc beschädigt. Der Kirchenturm des Wallfahrtsorts von Santa Maria in Via in der Kleinstadt Camerino stürzte auf ein gegenüber liegendes Gebäude. Der Kirchturm war bereits 1997 von einem Erdbeben beschädigt und restauriert worden. Dem Erdbeben am 24. August hatte der Kirchentum noch Stand gehalten. "Ganz Camerino ist mit seinem historischen Kern ein Monument. Die Sachschäden sind enorm. Auch die Kirche des Heiligen Philipp hat schwere Schäden erlitten", berichtete der Bürgermeister von Camerino Gianluca Pasqui.

"Das Erdbeben ohne Ende"

In Visso war der heftigste Erdstoß gemessen worden. Die Stärke variierte nach Angaben unterschiedlicher Erdbebenwarten zwischen 5,9 und 6,1 auf der Richter-Skala. Viele hatten hier wegen eines Vorbebens schon ihre Häuser verlassen und hielten sich im Freien auf. Das Krankenhaus der Kleinstadt Norcia in Umbrien, Heimatort des Heiligen Benedikts, wurde aus Sicherheitsgründen evakuiert. Die Patienten wurden in das Krankenhaus der Stadt Spoleto gebracht.

"Das Erdbeben ohne Ende", titelte die römische Tageszeitung "La Repubblica". "Als Mittelitalien dabei war, sich von der Katastrophe vom 24. August zu erholen, bebt die Erde wieder. Zum Glück gibt es keine Todesopfer", kommentierte Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. Seismologen schlossen nicht aus, dass die drei Beben am Mittwochabend mit dem verheerenden Erdstoß am 24. August verbunden sind.

Die Erdstöße ereigneten sich in jener Region, die erst Ende August von einem heftigen Beben getroffen worden war. Damals kamen 298 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in der Ortschaft Amatrice. Der dortige Bürgermeister Sergio Pirozzi sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen. Viele Menschen verbrachten die Nacht in einer Sporthalle. Weitere Nachbeben wurden am frühen Donnerstag gemeldet, zwei davon mit einer Magnitude über 4.0, teilte das nationalen Institut für Geologie und Vulkanologie mit. Ein Beben mit Magnitudo 4.1 wurde um 5.19 Uhr wahrgenommen. Es folgte ein weiteres mit der Stärke von 4.4 um 5.50 Uhr.

EU versichert Solidarität

Die EU-Kommission hat Italien "volle Solidarität" nach dem neuerlichen Erdbeben in Mittelitalien versichert. Auf Ansuchen der italienischen Stellen sei der Notdienst des EU-Beobachtungsprogramm Copernicus aktiviert worden, um Satellitenbilder von dem Schadensausmaß in der betroffenen Region zur Verfügung zu stellen, erklärte die EU-Behörde am Donnerstag in Brüssel. "Wir werden die Lage weiter genau verfolgen und sind zu weiterer Hilfe bereit", sagte der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides.

(APA/dpa)

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