Italien: Verzweiflung nach erneutem Beben

Norcia in Trümmern.
Norcia in Trümmern.(c) REUTERS (REMO CASILLI)
  • Drucken

Abermals hat am Sonntag ein schwerer Erdstoß Mittelitalien erschüttert. Mehrere Ortschaften im Krisengebiet sind komplett zerstört. Das Erdbeben war auch in Österreich zu spüren.

Norcia/Rom/Macerata. Die Menschen in Mittelitalien hatten sich kaum von dem Erdstoß am Mittwoch erholt, da wurde die Region am Sonntagvormittag von einem weiteren schweren Beben heimgesucht. Das Epizentrum des Erdbebens mit der Magnitude 6,5 auf der Richterskala, das abermals die Regionen Marken und Umbrien erschütterte, lag unweit der Kleinstadt Norcia, Heimat des Heiligen Benedikt, dem Schutzpatron Europas. In der zweiten Tageshälfte folgten mehrere Nachbeben.

Das Beben erzeugte Panik im betroffenen Gebiet. Der Stadtkern von Norcia wurde komplett geräumt. Die Einsturzgefahr sei groß, teilte der Zivilschutz mit. Mehrere Betroffene weigerten sich allerdings, die Stadt zu verlassen. Offiziell wurden 20 Menschen als verletzt gemeldet. Der Erdstoß war von Bozen bis Neapel zu spüren.

Bei dem Beben am Sonntag handelt es sich um eines der heftigsten, das je in Italien registriert wurde. Wie der Chef des italienischen Zivilschutzes, Fabrizio Curcio, sagte, soll es das stärkste seit 1980 sein. Die Erschütterung sei eine Folge der verheerenden Erdstöße vom vergangenen Sommer rund um die Bergortschaft Amatrice mit 298 Toten, berichteten Seismologen.

Wertvolle Basilika stürzte ein

Die Sachschäden sind vor allem in Norcia enorm, berichteten Medien. Die im 14. Jahrhundert errichtete Basilika des Heiligen Benedikt und die Kathedrale von Santa Maria Argentea in Norcia stürzten ein. Lediglich Teile der Fassaden blieben erhalten. „Es ist wie nach einem Bombenangriff“, verlautbarten die Behörden. Die 5000-Seelen-Gemeinde Norcia, die im Herzen Umbriens nahe den Sybillinischen Berge liegt, war bereits 1979 von einem Erdbeben betroffen, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und 2000 obdachlos wurden. Langwierige Restaurationsarbeiten seien durch die Erdstöße innerhalb von Sekunden vernichtet worden, erklärten die Behörden.
Aleandro Petrucci, Bürgermeister der Ortschaft Arquata, die bereits am 24. August von einem schweren Erdbeben betroffen war, sagte, das ganze Dorf sei zerstört.

„Arquata gibt es nicht mehr“, konstatierte er. Auch die vom Erdbeben am Mittwoch beschädigte Kleinstadt Ussita wurde komplett zerstört. In Amatrice, wo die meisten der 298 Todesopfer des Erdbebens vom 24. August beklagt worden waren, kam es zu weiteren Schäden. So stürzte der Turm der Kirche des Heiligen Augustin ein, der beim ersten Beben trotz schwerer Schäden erhalten geblieben war. Der Turm war zum Symbol des zerstörten Amatrice geworden.

Die heftigen Erschütterungen waren auch in Rom zu spüren. Aus Sicherheitsgründen wurden mehrere Sehenswürdigkeiten geschlossen. In einigen Gebäuden der italienischen Hauptstadt kam es zu Rissen. Das U-Bahn-Netz in Rom blieb am Sonntagvormittag gesperrt. Sicherheitskontrollen auf allfällige Schäden an der Bausubstanz wurden im Kolosseum, im Petersdom und in anderen Basiliken der Stadt durchgeführt.

Auch in Österreich spürbar

Das Erdbeben war am Sonntag auch in weiten Teilen Österreichs deutlich bis stark zu spüren, wie der Österreichische Erdbebendienst der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) mitteilte. Die Rückmeldungen stammten „aus Kärnten, dem Inntal, dem Grazer Becken sowie bis hin nach Salzburg und ins Salzkammergut“. Die Auslandsösterreicher, die in der weiteren Umgebung des Erdbebengebiets in Mittelitalien leben, sind wohlauf, berichtete die österreichische Botschaft in Rom, die mit ihnen Kontakt aufgenommen hatte.

Premier Matteo Renzi versprach den betroffenen Gemeinden Hilfe und einen raschen Wiederaufbau. Bei einer Pressekonferenz kündigte Renzi eine Ministerratsitzung am Montag an, bei der Maßnahmen nach der dritten Erdbebenkatastrophe innerhalb von zwei Monaten beschlossen werden sollen. „Niemand wird alleingelassen“, versicherte Renzi. Auch der Papst drückte den Betroffenen seine Anteilnahme aus. (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild - Aufräumarbeiten nach dem Beben vom August
Weltjournal

Region um Amatrice wird von neuem Erdbeben erschüttert

Der Erdstoß hatte die Stärke 4,4 und ereignete sich nur zehn Kilometer von Amatrice entfernt. In der Region starben bei einem Beben Ende August rund 300 Menschen.
Weltjournal

Erneute Nachbeben in Italien

In Umbrien kam es zu mehreren Nachbeben, das stärkste hatte eine Magnitude von 3,8. Ein Krankenhaus in Amandola musste evakuiert werden.
Folgen der Erdbeben in Mittelitalien
Weltjournal

Italien erschüttern "Erdbeben ohne Ende"

Ein neuerliches Beben sorgt für Angst unter der Bevölkerung - zahlreiche Menschen verbrachten die Nacht in Zelten, Notunterkünften oder im Auto. Seit Sonntag wurden in Mittelitalien 1100 Nachbeben registriert.
ITALY-QUAKE
Außenpolitik

Erdbebenopfer erhalten 40 Millionen Euro Soforthilfe

Die italienische Regierung stockt den Hilfsbetrag für die Erdbebenopfer auf 130 Millionen auf. Die Menschen in den betroffenen Städten wollen ihre Dörfer nicht verlassen.
Die Kathedrale des Hl. Benedikts von Nursien (Norcia) wurde durch das Erdbeben zerstört.
Weltjournal

Tausende Betroffene verlassen Erdbebenregion in Italien

Mindestens 25.000 Menschen sind derzeit obdachlos, 70 Gemeinden wurden zerstört. Italiens Premier will rasch Hilfe leisten, die EU lockert die Stabilitäskriterien.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.