Nach Razzia bei Salafisten: Österreich "aufmerksam"

Salafisten und Polizisten bei einer Kundgebung.
Salafisten und Polizisten bei einer Kundgebung.APA/dpa/Carmen Jaspersen
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Der deutsche Innenminister verbietet den Verein "Die wahre Religion", der für seine Koranverteilungen bekannt ist. Er sei ein Sammelbecken für Jihadisten. Der Verein ist auch in Österreich aktiv.

Das Verbot des auch in Österreich aktiven salafistischen Koranverteilervereins "Die wahre Religion" in Deutschland wird auch im Wiener Innenministerium "aufmerksam verfolgt". Man sei in Kontakt mit den deutschen Behörden, sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Das Verteilen religiöser Schriften an sich sei nicht strafbar, fügte er hinzu. Die Verteilaktionen seien vom Verfassungsschutz "aufmerksam beobachtet" worden.

"Strafbare Handlungen in direktem Zusammenhang mit den Verteilaktionen sind in Österreich nicht festgestellt worden". Die Frage, ob der Verein in Österreich verboten wird, müsse man "auf Grundlage der österreichischen Rechtslage" beurteilen.

"Lies!"-Verein in Deutschland nun verboten

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere hatte die islamistische Vereinigung, die durch umstrittene Koranverteilungsaktionen unter dem Titel "Lies!" bekannt geworden ist, am Dienstag verboten. Gleichzeitig ist die deutsche Polizei in der Früh mit einer Großrazzia gegen die Mitglieder des radikal-salafistische Gruppierung vorgegangen. Hunderte Polizisten durchsuchten nach Informationen aus Sicherheitskreisen mehr als 200 Wohnungen und Büros von Organisatoren und Anhängern in zehn Bundesländern.

Bei der Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) handle es sich um ein "Mobilisierungsnetzwerk", dass der Extremistengruppe Islamischer Staat zuarbeite und für diese Kämpfer in Syrien zu gewinnen versuche, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Die Vorlaufzeit für das Verbot der Vereinigung habe etwa ein Jahr betragen. Die Behörden halten die Koranverteilaktionen für verfassungswidrig und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet. Es wurde erwartet, dass sich der Minister noch am Vormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz zu den Hintergründen der Durchsuchungsaktionen äußert.

Salafisten vertreten einen am Koran orientierten besonders konservativen Ur-Islam, lehnen westliche Demokratien ab und wollen eine Ordnung mit islamischer Rechtsprechung, der Scharia.

In Fußgängerzonen verboten

Genau eine Woche nach einem Schlag der Behörden gegen Top-Islamisten, bei der die Bundesanwaltschaft unter anderem den als Chefideologen des deutschen Salafisten-Szene bekannten 32-jährigen Iraker Abu Walaa festgenommen hatte, wurden im Rahmen der aktuellen Aktionen keine spektakulären Festnahmen erwartet. Vielmehr ging es, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und Beweismittel sicherzustellen. Zudem wollten die Behörden ein weiteres Zeichen gegen die Aktionen der Radikal-Salafisten setzen.

Der Verfassungsschutz wirft führenden Akteuren und Sympathisanten der Vereinigung "DWR" vor, den bewaffneten Jihad ("Heiliger Krieg") und Terroranschläge zu verherrlichen. Zudem habe die Vereinigung ein in Deutschland einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für Jihadisten aufgebaut. Bisher sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen mindestens 140 "Lies!"-Aktivisten und Unterstützer aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen.

Hinter der nunmehr verbotenen Vereinigung steht der Hassprediger Abou-Nagie. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen soll das von dem 52-Jährigen in Deutschland organisierte Projekt "Lies!" demnächst auch in Malaysia beginnen. Abou-Nagie war während der Durchsuchungsaktionen nicht in Deutschland. Ermittler vermuteten den gebürtigen Palästinenser zuletzt in dem südostasiatischen Staat. Die von Abou-Nagie initiierten Verteilaktionen gab es zuletzt nicht nur in Deutschland, sondern in insgesamt 15 Ländern, darunter auch Österreich.

9200 radikalislamische Salafisten in Deutschland

Das Verbot der salafistischen Vereinigung ziele nicht auf die Verbreitung des islamischen Glaubens oder die Verteilung von Koranen oder deren Übersetzungen, hieß es weiter. Verboten werden solle lediglich der Missbrauch des Islam durch Aktivisten, die extremistische Ideologien propagierten oder Terrororganisationen unterstützten. Unter anderem werde jede Betätigung für den Verein, die Teilnahme an Koran-Verteilaktionen von "Lies!" sowie die Verbreitung von Videos im Internet verboten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beziffert die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober auf 9200 - Tendenz weiterhin steigend. Das Potenzial islamistisch-terroristischer Personen wird auf etwa 1200 Männer und Frauen geschätzt. Bis Ende vergangenen Monats waren nach Angaben der Sicherheitsbehörden 870 Menschen aus Deutschland in die IS-Kriegsgebiete in Syrien und im Irak ausgereist. Darunter waren etwa 20 Prozent Frauen.

(APA/dpa)

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