Der Kampf um Kongos Reichtum

Shinkolobwe Cobalt mine
Shinkolobwe Cobalt mine(c) AP (SCHALK VAN ZUYDAM)
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Gold, Kupfer, Diamanten, Kobalt, Zinn und Tantal: In der Erde des großen afrikanischen Landes schlummern kostbare Bodenschätze. Für Kongo ein Segen, aber auch ein Fluch. Denn der Run auf die Rohstoffe fordert Blut.

„Kongo ist wie ein sterbender Elefant. Alle wollen ihren Teil – die Löwen, die Hyänen und die Fliegen.“
Ein westlicher Helfer in Bunia (Kongo).

Wie ein riesiger Raubvogel zieht der Mi-24-Kampfhubschrauber seine Kreise, rauscht knapp über die Wipfel der mächtigen Mangobäume hinweg. Er ist auf der Jagd nach Männern mit Macheten, die sich im dichten Busch verborgen halten, nach Kämpfern, die wie böse Geister plötzlich auftauchen, töten und wieder vom Urwald verschluckt werden.

Ihr Chef Joseph Kony gab einst vor, „im Auftrag des Heiligen Geistes“ zu handeln. Doch seine „Lord's Resistance Army“, LRA, die „Widerstandsarmee des Herrn“, verbreitet Terror: erst in Norduganda und jetzt hier, im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo. Die Gegend ist wie geschaffen als Rückzugsgebiet für die LRA. Denn über diesen äußersten Winkel des Kongo hat die Regierung in der über 1000 Kilometer entfernten Hauptstadt Kinshasa nur wenig Kontrolle, so wie über viele andere Teile des riesigen afrikanischen Landes. Kongo ist mehr als sechsmal so groß wie Deutschland – ein Gebiet mit unzähligen ethnischen Gruppen und voll von Bodenschätzen.

Hier lagern große Reserven an Gold, Kupfer, Diamanten, Kobalt, Zinn und Tantal. Sie könnten Kongo zu Afrikas mächtigstem Staat machen. Doch der Reichtum ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Bereits die Belgier haben auf der Jagd nach Rohstoffen eine brutale Kolonialherrschaft errichtet. Und heute wecken Bodenschätze Begehrlichkeiten von Milizen, internationalen Firmen und Nachbarstaaten.

Unbehagen über Ugandas Hilfe. Nach einigen weiteren Tiefflügen verschwindet der Kampfhubschrauber am Horizont. Soldaten mit Kalaschnikows und russischen Panzerfäusten schwärmen aus. Kongos Staatschef Joseph Kabila hat nach anfänglichem Zögern seine Präsidentengarde in den Nordosten entsandt. Nicht nur, um den Überfällen der Lord's Resistance Army auf die Dörfer der Umgebung Einhalt zu gebieten. Sondern weil sich auch andere des Problems annehmen wollten: die Soldaten des Nachbarn Uganda. Sie hatten dazu guten Grund: LRA-Chef Kony hatte seine blutige Karriere mit einer Revolte in Uganda begonnen. Und noch heute fantasiert er davon, in dem Land die Macht zu übernehmen.

„Keine Hidden Agenda“. Ende vergangenen Jahres starteten Uganda und Kongo eine gemeinsame Offensive gegen die LRA. Mittlerweile jagt Uganda Kony nur noch mit Spezialkommandos. Ugandas reguläre Truppen mussten aus dem Kongo abziehen, auf Drängen Kabilas. Denn in der Hauptstadt Kinshasa wuchsen Befürchtungen, der Nachbar könnte nicht nur am Kampf gegen die LRA interessiert sein.

Ugandas Streitkräfte waren nämlich schon einmal im Kongo, während der beiden großen Kriege zwischen 1996 und 2003, die über fünf Millionen Menschen das Leben kosteten. Damals kontrollierte Uganda mit befreundeten Milizen die Provinz Ituri im Nordosten. Dort lagern gewaltige Goldvorkommen. Ugandische Offiziere und ihre Verbündeten bedienten sich daran.

Auf die Frage, ob es Uganda erneut auf den Reichtum des Nachbarn abgesehen haben könnte, reagiert Major Felix Kulaigye mürrisch: „Wir haben keine Hidden Agenda. Wäre Kongos Armee allein mit der LRA klargekommen, hätten wir keine Soldaten schicken müssen“, meint der Presseoffizier der ugandischen Streitkräfte. Das Büro des bulligen Mannes liegt auf dem gewaltigen Areal des Verteidigungsministeriums in Mbuya, einem Hügel hoch über der ugandischen Hauptstadt Kampala. „Fragen Sie doch die europäischen Bergbauunternehmen“, sagt der Major. „Die haben viel größere Interessen im Kongo.“

Eine Reihe dieser Firmen hat den Sitz in Kampala. „Für Bergbau ist der Kongo einmalig in der Welt“, meint ein Mitarbeiter einer dieser Firmen, der anonym bleiben will. „Nirgendwo sonst kann man Schaufel und Sieb nehmen und erhält handelsfähige Ware.“ Vor allem im Ostkongo gibt es gewaltige Zinnvorkommen. Das Erz gewinnt man aus Kassiterit. Und das enthält im Kongo große Mengen eines wertvolles „Nebenprodukts“: Tantals, eines zentralen Stoffs bei der Erzeugung von Mobiltelefonen. 15 bis 20 Prozent der weltweiten Tantalvorkommen liegen im Kongo.

„Blutige“ Handys.Ende der Neunzigerjahre, als der Handyboom begann, erzielte Tantal auf dem Weltmarkt astronomisch hohe Preise. Und die hohen Gewinne nährten den Krieg. Es war vor allem Streit um die Minen in Kongos östlichen Kivu-Provinzen, der 1998 den zweiten Kongo-Krieg ausbrechen ließ. Neun Staaten beteiligten sich an daran, darunter Uganda und Ruanda.

Ruandas Armee war ursprünglich im Ostkongo einmarschiert, um die Hutu-Milizen zu jagen, die 1994 den Völkermord an Ruandas Tutsi begangen hatten. Schließlich begann das kleine Land aber mit verbündeten Rebellen Unmengen Tantal, Zinn und andere Rohstoffe aus dem Kongo zu schaffen. Auch Kongos Armee und lokale Warlords finanzierten ihren Kampf mit der Ausbeutung von Bodenschätzen. Berichte von „Blutmineralien“ aus dem Kongo machten die Runde. Großfirmen wie H. C. Starck, eine Tochter des Bayer-Konzerns, gerieten in die Kritik. Heute kauft Bayer kein Tantal mehr aus dem Kongo.

„Die Preise für Tantal und andere Rohstoffe sind mittlerweile eingebrochen. Das hat die großen Kriege im Kongo beendet, in die Ruanda verstrickt war“, glaubt der Mitarbeiter der Bergbaufirma. „Sonst hätte Ruanda nicht Anfang 2009 den verbündeten Warlord Laurent Nkunda in Kivu aus dem Verkehr gezogen.“ Seine Rebellen sollen Rohstoffschmuggel nach Ruanda in großem Stil ermöglicht haben.


Krise trifft auch Kongo. Im Süden des Kongo, wo die Menschen nie so sehr unter dem Krieg gelitten haben, wird der Einbruch der Weltmarktpreise für Bodenschätze weniger positiv gesehen. Die Provinz Katanga bildet mit ihren schier unerschöpflichen Reserven an Kupfer, Kobalt, Uranium und Kohle das Herz von Kongos Rohstoffhandel.

Seit Ende 2008 ist die Region stärker in den Strudel der Weltwirtschaftskrise geraten, als vermutet. Große Unternehmen drosselten ihre Aktivitäten, kleinere gingen bankrott. 300.000 Kongolesen verloren den Job, berichtet ein Wirtschaftswissenschaftler. „Das ist unser Dilemma. Wir müssen uns zwischen Krieg und Prosperität entscheiden.“ Westliche Konzerne hatten die Region groß gemacht. So groß, dass die Regierung in Kinshasa immer wieder Sezessionsbestrebungen fürchtete.

Die Provinzhauptstadt Lubumbashi ist ein wichtiger Umschlagplatz der Minengesellschaften. Ein Drittel der globalen Kobaltreserven lagert hier und zehn Prozent der Kupfervorkommen. Die Spuren des jahrelangen Erzabbaus sind in Lubumbashi von Weitem sichtbar. Über den Slums der Zwei-Millionen-Stadt thront ein riesiger Schlackeberg, längst Wahrzeichen und Sinnbild des Kupferabbaus. Früher förderte hier die staatliche Minengesellschaft „Gecamines“ für den exzentrischen Diktator Mobutu, der Kongo, damals Zaire, von 1965 bis 1997 mit eiserner Hand regierte. Er war es auch, der den westlichen Konzernen über günstige Schürfrechte den Zugang zu Kongos Reichtümern ermöglichte, um sich so politische Unterstützung zu sichern. Die Gewinne steckte Mobutus Clan in die eigene Tasche.


Bunte Plakate. Bis viele der Konzerne 2008 leiser treten mussten, prägten sie mit Werbeplakaten an den Staubstraßen das Bild der Stadt. Es sind klingende Namen in der Branche: Die australische Anvil Mining, First Quantum, Tenke Fungurume und Forrest Mining.

Bisher haben die Investitionen der Konzerne der Region zu raschem Wandel verholfen: Der Rohstoffabbau brachte der Bevölkerung zwar keinen Reichtum, aber Infrastruktur. Vergangenes Jahr wurden dort, wo früher Verkehrspolizisten standen, Ampeln aufgestellt. Auf der einzigen asphaltierten Straße, auf der Konzerne ihre Ware ausführen, soll ein vierspuriger Highway samt Radarkontrollen entstehen. Stoßstange an Stoßstange reihen sich hier beladene Lkw, quälen sich schwer bewacht Richtung Sambia. Von dort geht es nach Südafrika, wo die Rohstoffe in alle Welt verschifft werden. Die Weiterverarbeitung der Waren findet kaum im Kongo statt. Viele Firmen machen sich nicht einmal die Mühe, das Erz aus dem Stein zu brechen, sondern verladen ganze Felsbrocken. Ausfuhrzölle gab es bislang nicht – und wenn, fließen sie in private Taschen.


China auf dem Vormarsch. Das ändern zu wollen, gibt die Regierung schon lange vor. Kabila leitete dazu vor drei Jahren die Revision alter Minenverträge ein. Eine Kommission brütete über 61 Abkommen, die in schleppenden Prozessen neu verhandelt wurden. Auch Zölle sollen künftig verlangt werden.

Verärgert hat das nicht zuletzt die Chinesen, die sich als neue Kolonialherren fühlen. Sie kaufen sich seit wenigen Jahren im großen Stil im Kongo ein. 2007 investierten sie Milliarden in die Gründung einer chinesisch-kongolesischen Minengesellschaft, über die sie Schürfrechte in ungeahnter Höhe erlangten. Mittlerweile prägen die Chinesen das Stadtbild von Lubumbashi, leben dort in bewachten Lagern.

Bei der Bevölkerung sind sie beliebt und verhasst zugleich. Einerseits errichten sie Brücken und Straßen, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. In der Nacht leuchten die orangen Anzüge ihrer Arbeiter, die Asphalt auftragen oder Bäche umleiten. Für die kleinen Dörfer bringen sie „die Öffnung“, sagt ein Bewohner. Der Ausbau geht schnell voran. Anders als die EU, die Zahlungen bei kleinsten Problemen einfriert, fragen die Chinesen nicht nach Good Governance.

Und doch hat das Engagement Schattenseiten: „Viele Kongolesen sagen, die Chinesen nähmen ihnen die Arbeitsplätze weg“, meint ein Caritas-Mitarbeiter. Und das herrische Auftreten der Chinesen führt zu Konflikten. Wie in einem Dorf an der Straße nach Kasomeno, in dem der Tod des 39-jährigen Kasoma beklagt wird. In einem Holzsarg wird sein Leichnam auf einem klapprigen Rad zur letzten Ruhe geleitet. Wut ist den Trauernden ins Gesicht geschrieben. Leise Gesänge begleiten die Prozession. Getötet wurde der Benzinhändler Kasoma von einem Einheimischen, aufgewiegelt von Chinesen. Chinesische Bauarbeiter hatten Kasoma beschuldigt, Treibstoff abzuzapfen. Ein kogolesischer Wachmann erschoss ihn. Der Mob tötete den Wachmann mit Macheten.

Dörfer in Flammen. Hunderte Kilometer nördlich, in den Kivu-Provinzen, hält der Tod noch reichere Ernte. Die ruandatreuen Rebellen haben sich nach Nkundas Festnahme mit Kongos Regierung verbündet. Doch die neue Allianz hat den Krieg gegen die Hutu-Milizen wieder angefacht. „Gebiete, die vor einem halben Jahr friedlich waren, stehen jetzt in Flammen“, berichtet Karl Steinacker, Koordinator des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR im Ostkongo. Die Gefechte haben 200.000 Menschen vertrieben.

(c) Die Presse / JV

Obwohl die Rohstoffpreise nicht mehr so hoch sind, versuchen die Kriegsparteien erneut, die Minen zu kontrollieren. „Sowohl Hutu-Rebellen als auch Kongos Armee finanzieren so ihren Kampf“, sagt Lizzie Parsons von der NGO „Global Witness“. „Wir fordern alle internationalen Firmen auf nachzuprüfen, woher ihre Rohstoffe aus dem Kongo kommen. Im Zweifelsfall sollten sie nicht kaufen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2009)

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