EU-Bericht: Drogen aus dem Onlinekatalog

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Längst haben auch Drogendealer das Internet für sich entdeckt und gelernt, Gesetze zu umgehen. Der europäische Rauschgiftmarkt verändert sich immer schneller.

BRÜSSEL/WIEN. Dunkle Hinterhöfe oder Parks im Dämmerlicht sind längst nicht mehr die bevorzugten Reviere der Drogendealer. Immer mehr tauchen in die Anonymität des Internets ab. Dort können sie rund um die Uhr ihre illegalen Waren anbieten. Dort kann rund um die Uhr eingekauft werden.

Der Drogenmarkt in Europa verändert sich immer schneller und wird immer komplexer. Das geht aus dem am Donnerstag in Brüssel präsentierten Europäischen Drogenbericht der Drogenbeobachtungsstelle EMCDDA hervor. Die Politik brauche ein gut funktionierendes Monitoringsystem, um sich diesen Herausforderungen stellen zu können, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Wolfgang Götz, bei der Vorstellung des Jahresberichts, der den Konsum, den Markt und die Kontrollmaßnahmen untersucht.

Besonders in Bezug auf den Vertrieb von verbotenen Pflanzen- und Kräutermischungen spielt das Internet als Vertriebsweg eine wichtige Rolle. 2009 hatte die Drogenbeobachtungsstelle 115 Onlineshops in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden im Visier, die vor allem „harmlose“ Pflanzenmischungen wie „Spice“ anboten. Jüngste Tests haben aber gezeigt, dass „Spice“ alles andere als naturbelassen ist, sondern synthetische Inhaltsstoffe enthält, deren Wirkung weitgehend unerforscht ist.

Erfinderische Labors

Erfinderische Hersteller hebeln das Betäubungsmittelgesetz aus, indem sie ständig neue Ersatzstoffe entwickeln. Für diese gibt es weder rechtliche Regelungen noch Kontrollmechanismen. Dazu zählen im Labor hergestellte Cannabinoide, die sich chemisch von Cannabis völlig unterscheiden, aber ähnliche Rezeptoren im Gehirn ansprechen. Sorgen macht den Autoren die Geschwindigkeit, mit der die Drogenhersteller immer neue Substanzen kreieren.

Das in Europa am weitesten verbreitete Rauschmittel ist und bleibt Cannabis: Ein Viertel aller erwachsenen Europäer hat schon einmal Cannabis konsumiert. Am häufigsten greifen junge Männer im Alter zwischen 15 und 34 Jahren zum Joint. Bis zu 2,5 Prozent der jungen Erwachsenen rauchen täglich Cannabis.

Allerdings ist der Konsumationszenit der 90er-Jahre längst überschritten, mittlerweile geht der Cannabiskonsum zurück. Als Trendbarometer fungiert Großbritannien: Es war eines der ersten Länder, die damals einen sprunghaften Anstieg verzeichneten. Und nun ist es eines der ersten Länder, die einen Rückgang melden – dieses Muster ist symptomatisch für Europa, denn auch andere Staaten, darunter Österreich, verzeichnen, dass weniger Cannabis geraucht wird. Die wenigsten Joints werden übrigens in Rumänien, Zypern und Malta konsumiert, die meisten in Dänemark, Frankreich und Großbritannien.

Beim Konsum von Kokain und Heroin hat sich wenig verändert: Etwa vier Millionen Europäer haben im vergangenen Jahr Kokain konsumiert. In den 90er-Jahren war die Zahl der Kokainabhängigen gesunken, doch seit 2002 steigt sie wieder. In Spanien, Großbritannien und Italien wird am meisten Kokain und Heroin geschnupft und gespritzt. Europaweit gehen auch die meisten Drogentoten auf das Konto von Heroin und Kokain.

Weit verbreitet sind weiters Amphetamine: 81 Prozent der Labors, die Amphetamine für den hiesigen Markt erzeugen, befinden sich in Europa (Niederlande, Polen und Belgien). Hauptkonsument sind – wieder einmal – Großbritannien und Dänemark. Hochburg für Met-amphetamine ist übrigens die Tschechische Republik.

Sauberes Rumänien

Die Autoren weisen auch auf den problematischen Mischkonsum von Suchtmitteln hin, der bisher viel zu wenig beachtet wurde. Außerdem besteht laut jüngsten Daten bei Schülern ein enger Zusammenhang zwischen „Komasaufen“ und Drogenkonsum.

Übrigens: Das „cleanste“ europäische Land ist Rumänien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2009)

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