Drogenpolitik: Wird Prag das neue Amsterdam?

(c) AP (John D. McHugh)
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In Tschechien ist seit Jahresbeginn der Besitz von Drogen für den Eigenbedarf straffrei. Österreichs Innenministerin Fekter macht sich „große Sorgen“.

Prag. Für Prager Bildungstouristen sind die Burg über der Moldau oder die Karlsbrücke ein Muss. Viele Besucher kommen auch einfach wegen des süffigen Biers. Demnächst wird es vermutlich vermehrt auch eine andere Klientel nach Prag ziehen: diejenigen, die gern mal ungestraft einen Joint rauchen. Die könnten dann beispielsweise Clubs wie das „Ujezd“ als erstrebenswertes Ziel ansteuern, wo es schon am Nachmittag süßlich-schwer nach Haschisch duftet.

Tschechiens Hauptstadt war unter Drogenkunden und -produzenten schon immer bekannt. Selbst zu sozialistischen Zeiten gab es schon Suchtkliniken, ziemlich einmalig damals im Ostblock. Nach der Revolution von 1989 ging es noch freizügiger zu. Jeder Prager wusste, dass man am Wenzelsplatz Kokain oder Marihuana kaufen konnte. Unter den Augen der Polizei. Der Stoff war erschwinglich. Auch viele Schüler griffen zu. Jeder Zweite aus dieser Altersgruppe in Prag hat seit der Wende Erfahrungen mit sogenannten weichen Drogen gemacht.

In den Vorgärten auf dem Land findet man häufig Cannabis-Pflanzen. Übertreiben durfte man es mit dem Anbau freilich nicht. Es lag nämlich immer im Ermessen der Polizei, ob sie es bei einem Ordnungsgeld beließ oder gar nicht einschritt. Eine „kleine Menge“ ließ man durchgehen.

Jeder Versuch in der Vergangenheit, die Drogenfrage juristisch wasserdicht zu machen, scheiterte an einer an höhere Mathematik erinnernden Formel: „Wie groß ist mehr als eine kleine Menge?“ Jetzt hat sich die amtierende Beamtenregierung unter dem gelernten Statistiker und somit „Mengen-Experten“ Jan Fischer an diese Rechenaufgabe gemacht. Sie fixierte erstmals Obergrenzen für den Anbau von Drogenpflanzen, Kakteen oder Pilzen, die als Halluzinogene eingestuft werden.

Bei fünf Cannabis-Pflanzen etwa, für den „Eigenbedarf“, muss niemand etwas befürchten. Strafbar macht sich erst der, der mit mehr als 15Gramm Marihuana, einem Gramm Kokain, 1,5Gramm Heroin oder vier Ecstasy-Pillen angetroffen wird. Das sind Werte, die zum Teil dreimal so hoch liegen wie in den liberalen Niederlanden. Strafbar bleibt das Dealen. „Geschäfte mit Drogen duldet das neue Gesetz nicht, völlig unabhängig von der Menge“, erläutert Jakub Frydrych, der Chef der tschechischen Anti-Drogen-Behörde.

Ruf nach besserer Prävention

Die Tschechen verfolgten die Debatte vor der Entscheidung der Regierung relativ unaufgeregt. Niemand hatte ernsthaft erwartet, dass der Staat die Zügel fester anziehen würde. Zeitungen kommentierten, jeder Tscheche sei mündig und müsse selbst wissen, wie er mit seiner Gesundheit und seinem Leben umgehe.

Ein klein wenig aufgeregter kommentierte man die Gesetzesänderung in Österreich: Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) bereitet diese „große Sorgen“, wie sie bei einer Pressekonferenz in Linz sagte. Aber mit möglichen Drogenimporten über die Grenze habe die Polizei Erfahrung. Schärfere Kritik kam von der FPÖ: Schon heute sieht die Partei die Beschaffungskriminalität in den österreichischen Grenzregionen angekurbelt. Zudem habe Prag „wieder einmal“ nicht auf Österreichs Sicherheitsbedürfnisse Rücksicht genommen.

Auch in Tschechien sind nicht alle glücklich mit dem Regierungsbeschluss. Die Hilfsorganisation „Drop In“, die sich seit der Wende um Prags Drogensüchtige kümmert, hätte sich das Hauptaugenmerk der neuen Regelung auf der Vorbeugung gewünscht. „Das jetzt geht in die falsche Richtung“, moniert der Gründer der Hilfsorganisation, Ivan Douda. Er weiß, wovon er spricht. Für Aufklärung und Hilfe nämlich investiert Tschechien nur einen Bruchteil dessen, was etwa in den Niederlanden üblich ist.

Doch in den gemütlichen Clubs wie dem „Ujezd“ sieht man die Kehrseite der Medaille nicht. Manager Martin Kmoch weiß, dass die Nachbarländer eine sehr viel härtere Linie in Sachen Drogen fahren. Kmoch wittert da ein gutes Geschäft: „Amsterdam war gestern, die Zukunft heißt Prag.“

AUF EINEN BLICK

In Tschechien gelten seit 1. Jänner 2010 neue Höchstgrenzen für den Drogenbesitz, die teils dreimal so hoch wie in den Nieder- landen sind. Straffrei bleibt, wer nicht mehr als 15 Gramm Marihuana, ein Gramm Kokain, 1,5 Gramm Heroin oder vier Ecstasy-Pillen bei sich hat. Das Dealen bleibt strafbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2010)

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