Forscher: Maya belächeln "Weltuntergang 2012"

Forscher: Maya belächeln „Weltuntergang 2012“
Forscher: Maya belächeln „Weltuntergang 2012“(c) Privat
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Der renommierte Maya-Forscher Nikolai Grube über einen möglichen Weltuntergang 2012, den Kalender der Maya und seine persönliche Faszination für die exotische Zivilisation.

„Die Presse“: Sagen die Maya den Weltuntergang voraus?
Grube: Das muss man differenzieren. Die Maya sagen den Weltuntergang nicht für 2012 voraus. Es gibt keine Prophezeiung zum Jahr 2012. Was es wohl gibt, das sind apokalyptische Vorstellungen, in der vorspanischen Zeit wie auch bei manchen modernen Maya. Vorstellungen, dass die Welt eines Tages untergehen wird. Aber die finden sich eigentlich bei allen Völkern und sind nichts Besonderes.

Gibt es dafür ein Datum?
Grube: Nein, Zeitangaben werden immer bewusst offen gelassen. Es gibt moderne Maya, die glauben, dass es konkrete Vorzeichen gibt, die den bevorstehenden Weltuntergang ankündigen und einleiten würden. Solche Prophezeiungen gibt es in vielen dörflichen Gemeinschaften, wo Menschen ihre traditionelle Lebensweise bedroht sehen und den Weltuntergang als Metapher verwenden für den Kulturwandel, dem sie unterliegen. Andere sagen nur, es sei sehr wahrscheinlich, dass die Welt eines Tages wieder untergeht, weil sie daran glauben, dass es eine Anzahl zyklischer Weltschöpfungen und Weltuntergänge gibt. All diese apokalyptischen Vorstellungen münden immer darin, dass es irgendwie dann doch weitergeht, mit einer neuen Zeit oder einer neuen Art von Menschen. Wenn man sich das Popol Vuh ansieht, die Heilige Schrift der Quiché-Maya, wird von vier unterschiedlichen Schöpfungen berichtet. Wir sind die vierte Schöpfung, die Maismenschen.

Woher kommt die Aufregung um 2012?
Grube: Diese Interpretationen beruhen auf der Erkenntnis, dass tatsächlich 2012 ein Zyklus zu Ende geht, der 13. 400-Jahres-Zyklus seit dem Nulldatum des Mayakalenders. Das ist tatsächlich eine wichtige Periode gewesen, keineswegs aber die letzte. Wir wissen aus Inschriften, dass die Maya davon ausgingen, dass nach dem 13. Zyklus der 14. kommt und dass der Kalender einfach weiter gezählt wird. Der Übergang ist mit der Jahrtausendwende vergleichbar. Aber es ist nicht das Ende der Zeit. Trotzdem ist das Internet voll von Spekulationen und gewaltigen Annahmen, die in alle Richtungen gehen und wo den Maya unterstellt wird, dass sie etwa das Kommen eines neuen Planeten vorausgesagt hätten. Die Maya waren große Astronomen, aber von einem Planeten, der sich der Erde nähern würde, ist nicht die Rede. Da gibt es viele selbsternannte Experten, die bewusst nie angeben, auf welche Quellen sie sich stützen. Und weil die Maya als Zivilisation so exotisch sind und deshalb auch wenig bekannt, kann man alles behaupten, und es wird übernommen und weiter kolportiert, ohne dass nach Quellen gefragt wird. Dann liest man von Maya-Prophezeiungen, die es gar nicht gibt.

Gibt es für die heutige Zeit denn Prophezeiungen?
Grube: Es gibt Prophezeiungen, aber die beziehen sich nicht auf die 400-Jahres-Perioden, sondern auf die 20-Jahres-Perioden. Dabei haben die Maya mit 13 Perioden zu 20 Jahren gerechnet, die haben eine große Rolle gespielt. Nach diesen 260 Jahren wiederholt sich der gesamte Zyklus wieder von vorne, und jede dieser 20-jahres-Perioden ist mit bestimmten Prophezeiungen assoziiert. Das könnte man auch auf die Gegenwart übertragen, aber das scheint niemanden zu interessieren. Alle machen sich an der Baktun-Periode fest, aber für die Baktun-Periode gibt es keine uns bekannten Prophezeiungen.

Wie würde die Vorhersage lauten?
Grube: Das müsste man nachrechnen. Aber die Prophezeiungen sind in der Regel bewusst zweideutig und lassen viele Interpretationen zu. Daran kann man immer anknüpfen. Das funktioniert wie unsere Tierkreiszeichen und Horoskope. Wer dran glaubt, wird immer eine Möglichkeit finden, diese Horoskope als korrekt anzusehen.

Was halten Sie von der Annahme von Andreas Fuls, dass die Korrelation zwischen unserem und dem Maya-Kalender gar nicht stimmt? Dann hätte man erst 208 Jahre später mit dem Weltuntergang zu rechnen.
Grube: Ich halte die neue Korrelation von Andreas Fuls für falsch, wir können das mittlerweile auch beweisen. Es gibt ganz klare Aussagen, die dagegen sprechen. Mittlerweile sind auch unsere modernen Datierungsmethoden so präzise, dass wir auch mit der Radiocarbonmethode und anderen naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden den Umrechungsfaktor, den wir verwenden, bestätigen können. Tatsächlich denke ich, dass der 13. Zyklus im Dezember 2012 zu Ende geht. Aber wir können getrost vom 21. auf den 22. Dezember durchschlafen.

Wie erklären Sie sich das Phänomen 2012?
Grube: Ich glaube, dass das eine Art von moderner Heilserwartungsbewegung ist, die sicher auch mit einem Unwohlsein an der eigenen Gesellschaft zu tun hat. Das kann man überall auf der Welt sehen: wenn von Krisen die Rede ist, haben die Versprechen einer neuen Zeit große Konjunktur. Vielleicht hängt es auch mit der Wirtschaftskrise zusammen. Wobei man sagen muss, das Interesse am Jahr 2012 geht weiter zurück, das begann schon in den 1980er Jahren, das ist Teil der ganzen Esoterikwelle, die sich in den 1980er Jahren gerade an indianischen Themen festgemacht hat.

Gibt es Prophezeiungen, die sich als richtig erwiesen haben?
Grube: Das kann man so nicht sagen, gerade weil das, was die Maya an Prophezeiungen hinterlassen haben, so zweideutig ist. Es ist eher unser Blick auf die Maya, der das Ganze dann bewahrheitet. Wenn wir wollen, können wir sagen: ja. Aber ich glaube, wir überladen die Maya zu sehr mit unseren eigenen Vorstellungen. Die Maya eignen sich sehr gut als eine Projektionsfläche für europäische und westliche Wünsche und Ängste. Das hängt mit ihrer Exotik zusammen, aber auch damit, dass alles, was indianisch ist, als besonders authentisch und naturnah gesehen wird, quasi als Gegenentwurf zu unserer eigenen Gesellschaft, die von Stress, Kapitalismus, Industrialisierung geprägt ist. All das, was man in unserer Gesellschaft als negativ erkennt, wird umgedeutet und auf die indianischen Gesellschaften projiziert. Deshalb glaubt man ihnen auch mehr, wenn es um Prophezeiungen in Bezug auf eine neue Ära geht, die Frieden, Naturnähe und alles Mögliche verspricht.

Was denken heutige Maya über den 2012-Hype?
Grube: Belächeln das, oder bekommen das gar nicht mit. Wobei man sagen muss, es gibt schon einige Maya, die das 2012-Thema nutzen, ganz einfach weil sie geschäftstüchtig sind und merken, dass sie Geld verdienen können, indem sie sich als Propheten und Schamanen verkaufen, die den Weg ins reine Dasein weisen können.

Wie leben denn moderne Maya?
Grube: Das ist sehr unterschiedlich. Ein Großteil der Maya, ungefähr sechs bis acht Millionen Menschen in Mexiko, Guatemala und Belize, leben als Bauern auf dem Land, weil die Maya eine ländliche Gesellschaft sind. Sie leben von der Produktion von Mais und Bohnen, am unteren Ende der sozialen Skala, zum Teil auch in absoluter Armut. Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Maya-Bewegung, die auch viele Intellektuelle produziert, die studieren politische Partizipation einfordern. In Guatemala gibt es eine sehr, sehr ausgeprägte Maya-Bewegung, da entsteht auch eine Art von Maya-Mittelschicht.

Was fasziniert Sie selbst an den alten Maya?
Grube: Als Kind hat mich diese exotische Zivilisation interessiert, über die man noch nichts wusste. Jetzt merke ich, dass das eigentlich Interessante ist, diesen exotischen Schleier zu lüften und darunter das zu entdecken, was die Maya mit uns verbindet. Wir haben hier eine Gesellschaft, die in der neuen Welt gelebt hat, völlig ohne Kontakt zu Gesellschaften in der alten Welt, nach Afrika, Asien oder Europa. Und man kann zeigen, dass Menschen offenbar überall auf der Welt, völlig unabhängig voneinander, zu ähnlichen Lösungen und Ideen kommen, in Bezug auf die Organisation von Gesellschaft, das Messen von Zeit, die Vorstellung von Göttern oder Schrift. Man kann durch den Vergleich zeigen, was Menschsein überhaupt ausmacht. Dazu kommt, dass wir mit Hilfe der Maya-Archäologie den modernen Maya, die ja heute am unteren Ende der sozialen Skala leben, eine Möglichkeit bieten können, sich wieder zu entdecken und an die Vergangenheit anzuknüpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2010)

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