Indien: 158 Todesopfer bei Crash einer Boeing

Indien Todesopfer Crash einer
Indien Todesopfer Crash einer(c) EPA (SANJEEV GUPTA)
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Ein Jet der Billiglinie "Air India Express" raste bei der Landung in Mangalore über die Landebahn hinaus, zerbrach und fing Feuer. Lediglich acht Personen wurden lebendig geborgen.

Beim schwersten Flugzeugunglück in Indien seit einem Jahrzehnt sind am Samstag mindestens 158 Menschen gestorben: Eine Maschine des modernen Typs Boeing 737-800 der Fluglinie „Air India Express“, der Billiglinie der staatlichen Air India, war bei der Landung auf dem Flughafen von Mangalore im südindischen Bundesstaat Karnataka in der Früh über die regennasse Landebahn hinausgeschossen. Sie stürzte einen Hang hinab und krachte in Bäume, zerbrach und fing Feuer. Lediglich acht Personen wurden aus dem Wrack lebendig geborgen.

Die Maschine kam aus Dubai, alle 160 Passagiere sowie fünf der sechs Besatzungmitglieder waren Inder. Der Pilot war aus Serbien und galt als sehr erfahren. Die Behörden gingen am Samstag von einem Unfall aus; der Pilot habe keinen Notruf abgegeben, sagte ein Vertreter der indischen Flugsicherheitsbehörde im Fernsehen, es gibt auch keinen Hinweis auf einen Anschlag. Angeblich hatte eine der Tragflächen einen größeren Gegenstand am Rand der Rollbahn, möglicherweise einen Mast, gestreift und war dann außer Kontrolle geraten.

Relativ sicher. Indien gilt in puncto Flugsicherheit als risikoarm. Das letzte große Unglück in dem riesigen Land geschah Juli 2000, als eine Maschine der indischen „Alliance Air“ beim Landeanflug in ein Wohngebiet von Patna krachte. Mindestens 50 Menschen starben. Im November 1996 kollidierten bei Delhi in etwa 4000 Metern Höhe eine Boeing 747 der saudischen Gesellschaft „Saudia“ und eine kasachische Iljuschin Il-76. Der saudische Jumbo hatte 312 Menschen an Bord und war gestartet, der Jet der „Kazakh Airways“, der landen wollte, hatte 37 Insassen an Bord. Keiner überlebte.

Am 23. Juni 1985 ist eine Boeing 747-200 der Air India auf dem Weg von Montreal (Kanada) über London nach Delhi nahe Irland ins Meer gestürzt. 329 Menschen kamen ums Leben, davon 280 Kanadier mit großteils indischen Wurzeln. Ursache der Katastrophe war ein Sprengsatz, den Sikh-Terroristen, die für einen eigenen Staat in Nordindien kämpften, in die Boeing geschmuggelt hatten.

Für Air India, bei der seit Kurzem der Österreicher Gustav Baldauf Vorstand ist, bedeutet die Katastrophe eine zusätzliche schwere Belastung. Denn die staatliche indische Fluglinie kämpft ohnedies mit großen finanziellen Problemen. Womit sie allerdings nicht allein ist. Im Gegensatz zur Konkurrenz im Ausland profitierten die indischen Fluglinien vor ein paar Jahren vom enormen Wirtschaftsaufschwung des Subkontinents. Zweistellige Wachstumsraten waren Usus, es wurde wie wild expandiert, neue Airlines schossen wie Pilze aus dem Boden.

Die viel zu rasche Expansion führte jedoch zu massiven Überkapazitäten, die in der Wirtschaftskrise (die sich in Indien nur in einer Wachstumsdelle auswirkte) fatal waren. Geschäftsleute wie Touristen blieben aus. Dazu kam der hohe Treibstoffpreis. Die „Krise in der Krise“, wie der langjährige Chef der privaten Jet Airways, der Österreicher Wolfgang Prock-Schauer, die Situation charakterisiert, wirkte als Bremsklotz für die Modernisierungspläne, die vor allem Air India bitter nötig hat.

Zu rasche Expansion. Während die jungen privaten Fluglinien Jet Airways und Kingfisher mit modernen Maschinen starteten, hat Air India erst in den letzten Jahren die Flotte modernisiert. Das kostete viel Geld. Noch mehr Geld verbrennt der Staatscarrier, der 2007 mit dem Konkurrenten Indian Airlines fusionierte, durch seine verkrusteten Strukturen, Missmanagement und zu hohe Arbeitskosten. Laut dem Center of Asia Pacific Aviation beschäftigt Air India mit 32.000 Mitarbeitern doppelt so viele Arbeitskräfte wie nötig.

1,2 Milliarden Dollar Verlust hat Air India 2008/09 eingeflogen. Das eben abgeschlossene Geschäftsjahr 2009/10 dürfte kaum besser ausgefallen sein. Mehrfach hat der Staat der Gesellschaft mit Geldspritzen unter die Flügel gegriffen, der letzte Rettungsplan vom Oktober 2009 hat das Volumen von einer Milliarde Dollar. Da die von der Regierung geforderten Kostensenkungen schwer durchzusetzen sind, sprechen Luftfahrtexperten vom „Fass ohne Boden“. Nur eine Privatisierung könne Air India retten, heißt es. Wenn sich die Regierung aber zu viel Zeit lasse, drohe auch der finanzielle Absturz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2010)

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