Kinderlähmung nähert sich wieder Europa

Kinderlähmung nähert sich wieder Europa
Kinderlähmung nähert sich wieder Europa (c) REUTERS (Damir Sagolj)
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Nach einem Ausbruch in Tadschikistan droht die Region den Status "poliofrei" zu verlieren. Auch in Russland wurden neue Fälle registriert. "Die WHO ist tief beunruhigt".

Die Region Europa und westliches Zentralasien verliert wahrscheinlich ihr Zertifikat "Frei von Kinderlähmung" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder. Grund seien rund 640 Fälle von Polio, die seit März in Tadschikistan aufgetreten seien, sagte am Donnerstag in Hannover Adolf Windorfer von der europäischen WHO-Zertifizierungskommission für Polio. Auch in den russischen Städten Moskau und St. Petersburg habe man acht neue Fälle von Kinderlähmung registriert. Die WHO hat die Region Europa im Jahr 2002 als frei von Poliomyelitis erklärt.

Zur ihrer Region Europa zähle die WHO auch die Türkei und Länder des westlichen Zentralasiens wie Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan. "Die WHO ist tief beunruhigt über die Situation vor unserer Haustür", sagte der Kinderarzt und frühere Leiter des Landesgesundheitsamtes in Hannover. "Wenn es zur Übertragung auf weitere Länder der Region kommt oder wenn es nicht bald gelingt, die Infektionen in Tadschikistan zu stoppen, muss die WHO Europa den Status poliofrei aberkennen", warnte er.

Übetragung hat in Usbekistan begonnen

Nach Russland sei die Kinderlähmung unter anderem durch eine Person usbekischer Nationalität übertragen worden, berichtete Windorfer weiter. Verlässliche Daten über eventuelle Polioinfektionen in Usbekistan lägen der WHO-Kommission wegen der politischen Verhältnisse im Land nicht vor.

Nach Angaben von Windorfer wurde die Großregion Europa im Jahr 2002 durch die WHO als frei von Kinderlähmung zertifiziert. Eine Aberkennung dieses Status habe auch finanzielle Folgen für die EU-Staaten, sagte er. Die Staaten hätten sich gegenüber der WHO verpflichtet, die Bekämpfung der Viruskrankheit in ihrer jeweiligen Großregion gemeinsam zu finanzieren.

Polio

Die Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz: Polio) ist eine durch Polio-Viren hervorgerufene Erkrankung, die aus dem Rachensekret oder dem Stuhl von infizierten Menschen übertragen wird. Über 90 Prozent der Infektionen verlaufen ohne Beschwerden, in den restlichen Fällen kommt es meist zu einer fieberhafte Erkrankung mit Kopf- oder Halsschmerzen. Beim voll ausgeprägten Krankheitsbild hingegen kommt es zu einer Gehirnhautentzündung (Meningitis) und in weiterer Folge zu Lähmungen an Armen und Beinen, die auch nach Abklingen der Erkrankung weiterbestehen können.

Die WHO versucht seit 1998, die Kinderlähmung weltweit auszurotten. Windorfer zufolge tritt die vor allem Kinder und Jugendliche bedrohende Lähmungskrankheit aber weiter in Afrika, dem Nahen Osten, Indien, Pakistan und Afghanistan auf. Aus Afghanistan sei sie wahrscheinlich nach Tadschikistan eingeschleppt worden.

In Länder mit Polio solle man nur mit ausreichendem Impfschutz reisen, riet der Kinderarzt. Wenn die letzte Polio-Impfung länger als zehn Jahre zurückliege, müsse man sie vor der Reise auffrischen. Personen mit einer länger zurückliegenden Impfung könnten das Virus verbreiten, ohne selbst zu erkranken.

Urlaubszeit ist Impfzeit

Wer in Länder reist, in denen Polio noch immer auftritt (afrikanische und asiatische Länder mit hoher Bevölkerungsdichte und niedrigen Hygienestandards), kann sich mit dem hoch infektiösen Virus rasch anstecken, sofern kein aufrechter Impfschutz besteht.

(APA/apn/red.)

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