Bahnchef spricht "Stuttgart 21"-Gegner Demorecht ab

STUTTGART 21 PROTEST
STUTTGART 21 PROTEST(c) REUTERS (Michael Dalder)
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Die Demonstranten hätten kein Widerstandsrecht, sagte der Chef der Deutschen Bahn in einem Interview. Auch auf politischer Ebene kommt es ein halbes Jahr vor der Landtagswahl zum Schlagabtausch.

Im Streit um das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" hat der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, erneut Öl ins Feuer gegossen: In einem Interview mit "Bild am Sonntag" sagte er: "Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht!" Die Gegner des Bahnhofs reagierten empört. Einer der Initiatoren des Protests, Gangolf Stocker, sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur dapd, über dieses Recht bestimme immer noch das Grundgesetz und nicht der Bahnchef. Er fügte hinzu: "Das ist Demokratie aus Sicht eines Industriellen." Verwundert sei er allerdings nicht über die Aussage, denn "von Grube bin ich schon alles gewohnt".

Grube sagte in dem Interview, das Bauprojekt sei demokratisch ausreichend legitimiert. "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst. Unsere freigewählten Volksvertreter haben das Dutzende Male getan: im Bund, im Land, in Stadt und Region. Immer mit großen Mehrheiten."

Laut Stocker erwägen die Gegner jetzt, einen Boykott der Deutschen Bahn auszurufen. Die Aktion "Tag ohne Bahn" sei aber noch in der Diskussion. "Wir wollen eigentlich die Bahn treffen und nicht die Kunden", betonte Stocker. Am Montag ist eine neue Demonstration am Hauptbahnhof geplant.

''Stuttgart 21''

Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll unter die Erde verlegt und an eine Neubaustrecke angeschlossen werden. Die Milliardenkosten und der Teilabriss des alten Bahnhofs sind sehr umstritten. Die Bahn rechnet mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro. Kritiker befürchten eine Kostensteigerung auf bis zu 18,7 Milliarden Euro.

Mehr: Der Fahrplan für die Bauarbeiten

Schlagabtausch zwischen CDU und Opposition

Auch auf politischer Ebene kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und Politikern von SPD und Grünen. Mappus warf den Grünen vor, mit der Organisation der Proteste gegen "Stuttgart 21" gemeinsame demokratische Spielregeln aufzugeben: "Die Grünen helfen mit, eine außerordentliche Opposition zu organisieren, die so tut als ob wir in einer Diktatur leben", sagte Mappus der "Welt am Sonntag". Es sei kein Zufall, dass die Sache ein halbes Jahr vor der Landtagswahl hochgepusht werde.

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sagte der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag, das "brutale Vorgehen" gegen die Demonstranten mit Wasserwerfern und Pfefferspray sei mit Blick auf die Landtagswahlen im März "knallhartes Kalkül". Mappus wolle damit die Demonstranten in zwei Lager spalten. Seine eigenen Anhänger, "bürgerliche Demonstrierende", wolle er abschrecken, indem ihnen Angst gewacht werde.

Der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid warf Mappus in der "Rheinischen Post" vom Montag vor, die Ausschreitungen akzeptiert zu haben. "Mappus hat die Eskalation der Gewalt billigend in Kauf genommen und dem Ruf des Landes Baden-Württemberg geschadet", sagte Schmid. Der SPD-Politiker will nach eigenen Angaben bis Ende Oktober über einen Volksentscheid abstimmen lassen.

Pro und Contra

Das deutsche Milliarden-Projekt "Stuttgart 21" ist seit Beginn der Planungen vor 15 Jahren umstritten. Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Grünen-Politiker laufen Sturm dagegen. Anhänger hat das Vorhaben vor allem in Baden-Württembergs CDU/FDP-Koalition, in Teilen der SPD, bei Vertretern der Region und des Flughafens.

Mehr: Pro und Contra "Stuttgart 21"

Am Donnerstag war es bei den seit Wochen andauernden Protesten zur Eskalation gekommen. Nach Behördenangaben wurden 130 Demonstranten bei dem Einsatz der Polizei von Wasserwerfern und Pfefferspray verletzt.

(Ag.)

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