Das größte Bordell Europas ist in Spanien

(c) BilderBox (BilderBox.com / Erwin Wodicka)
  • Drucken

Prostitution. In der katalanischen Grenzregion eröffnet ein Bordell nach dem anderen und lockt Kundschaft aus Frankreich an. Nicht selten werden bürokratische Hindernisse mithilfe von Bestechung aus dem Weg geräumt.

La Jonquera. Grelle Neonfarben leuchten durch die Nacht. Der gigantische Schriftzug „Paradise“ prangt an der Fassade des zweistöckigen Gebäudes. „Night Club“ steht über dem Eingangsportal, das auch gut ein Mittelklassehotel schmücken könnte. Menschen schlendern vom Parkplatz die Stufen hinauf.

Das „Paradise” am Rand des nordspanischen Dorfes La Jonquera gilt als Beweis dafür, dass in Spanien auch in der Wirtschaftskrise das Geschäft mit dem käuflichen Sex blüht. Dieses vermeintliche Paradies der Liebesdienste ist, nur sechs Kilometer von der französischen Grenze entfernt und gleich an der Mittelmeer-Autobahn gelegen, gerade erst eröffnet worden. In der Eigenwerbung wird hochtrabend behauptet, dass es sich um das „größte Bordell Europas“ handelt. Das ist vermutlich aber nicht ganz richtig, denn das größte Freudenhaus Spaniens befindet sich zweifellos unter freiem Himmel: An den Landstraßen des katholischen Königreichs, wo zigtausende Prostituierte ihre Dienste anbieten.

Oberstes Gericht gibt grünes Licht

Jordi Cabezas, Bürgermeister des 3000-Einwohner-Dorfes La Jonquera, war nicht zur Eröffnung gekommen. Stattdessen schimpfte er, dass der Landkreis sich in das „Hurenhaus Frankreichs“ verwandelt habe. Denn die meisten Kunden des „Paradise“ und anderer Clubs in der katalanischen Grenzregion, die „Madam's“, „Moonlight“ oder „Babydoll“ heißen, kommen aus dem nahen Nachbarland. Das frühere Bauernnest La Jonquera ist heute ein „Dienstleistungsort“, der vor allem von den Franzosen lebt.

In Frankreich sind Bordelle verboten und auch gegen Straßenprostitution wird verschärft vorgegangen. Im Nachbarland Spanien ist derweil fast alles erlaubt: Die „Paradise“-Betreiber bekamen sogar vom Obersten Gericht der Region Katalonien grünes Licht, um ihr Megabordell gegen den Widerstand des Bürgermeisters durchzusetzen. Auch gegen jene leichtbekleideten jungen Frauen, die am Rande vieler Landstraßen die Unfallgefahr beträchtlich erhöhen, unternehmen Gesetzgeber und Ordnungshüter erstaunlich wenig.

Überraschende Toleranz in einem traditionell immer noch eher konservativen Land, in dem offenbar nicht nur im Immobilienmarkt lange Zeit per Bestechung bürokratische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden konnten. Auch im Sexgeschäft kommen Amtsträger regelmäßig in Erklärungsnöte: Gerade erst wurden im westspanischen Galicien elf Polizeibeamte beschuldigt, in die Prostitutionsmafia verwickelt zu sein.

Land der 300.000 Prostituierten

In Spanien blüht die Prostitution wie in kaum einem anderen europäischen Land: In rund 5000 Bordellen verdingen sich Schätzungen zufolge etwa 300.000 Frauen als Dirnen. Die meisten sind Immigrantinnen, die oft mit falschen Versprechungen in das Land der Sonne gelockt wurden und dann ihren Zuhältern, denen sie ein Großteil der Einnahmen abliefern müssen, hilflos ausgeliefert sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. November 2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.