Italien bleibt bei Rückkehr zu Atomkraft

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Volksabstimmung. Schon vor der japanischen Reaktorkatastrophe setzte man für Juni einen Volksentscheid über den Bau neuer Atommeiler an. 1987 war Italien ausgestiegen.

Rom. Das Erdbeben in Japan und die Gefahr eines atomaren Super-GAUs haben auch in Italien jedes andere Thema verdrängt. Über viele Seiten berichten Italiens Zeitungen jeden Tag über die Katastrophe. Und viele Italiener, die selbst in tektonisch aktiven Gebieten leben, sind erschüttert. Aber anders als beispielsweise in Deutschland hat die Diskussion um die Frage, wie man es mit der Atomkraft im eigenen Land hält, recht zögerlich begonnen.

Vor allem linke Oppositionspolitiker fordern, dass die Regierung ihren Beschluss, zur Atomkraft zurückzukehren, sofort zurücknehmen müsse. Ihr Wortführer ist Nichi Vendola, der Ministerpräsident von Apulien, einer der schärfsten Kritiker der Atomkraft. Das Kabinett von Silvio Berlusconi lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken. „Es ist verfehlt und unüberlegt, aus den Ereignissen in Japan Rückschlüsse auf Italien zu ziehen“, erklärte etwa Außenminister Franco Frattini. Trotz der hohen seismischen Aktivitäten in Italien sei die Situation hier in keiner Weise mit der in Japan vergleichbar. „Niemand hat je daran gedacht, ein Atomkraftwerk in einer Erdbebenzone zu bauen“, so Frattini.

Erster AKW-Bau schon 2013?

Die Regierung in Rom hatte im Jahr 2008, kurz nach Berlusconis Wiederwahl, beschlossen, das seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl geltende Moratorium zur Atomkraft aufzuheben. Italien ist seit dieser Zeit eines der wenigen Industrieländer, das keine Kernkraftwerke betreibt. Um die enorme Abhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland zu drosseln, soll nach dem Willen Berlusconis bereits im Jahr 2013 mit dem Bau eines ersten Atommeilers begonnen werden, drei weitere sollen folgen. Allerdings hat sich auch dieses Vorhaben bereits verzögert, und die Entsorgungsfrage ist nach wie vor vollkommen ungeklärt.

Entsprechend groß ist der Widerstand in den betroffenen Regionen, und die Regierung muss jetzt, nach Japan, fürchten, dass eine im Sommer stattfindende Volksabstimmung erneut negativ ausgeht. Dabei hatte die Regierung Berlusconi zumindest mit der Wahl des Abstimmungstages versucht, die Beteiligung unter den notwendigen 50 Prozent zu halten. Im Juni, hoffte man, fahren viele Italiener lieber ans Meer. 1987 war eine Volksabstimmung zur Kernkraft kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl negativ ausgegangen. Vier AKW und ein fast fertiggestelltes Kraftwerk wurden aufgegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2011)

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