Berlusconi will "Nobelpreis" für Lampedusa

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Italiens Premier verspricht bei einem Besuch auf der Insel, Lampedusa werde wieder zum "Paradies". Lage auf der kleinen Insel hat sich in den letzten Tagen zugespitzt. Pro Tag kommen mehr als 6000 Flüchtlinge.

Rom/Lampedusa. Auf diesen Tag hatten viele Bewohner von Lampedusa seit Langem gewartet. Zum ersten Mal besuchte ein Regierungschef aus Rom die kleine Insel im Mittelmeer südlich von Sizilien, wo in den vergangenen Wochen fast 20.000 Bootsflüchtlinge aus Afrika angekommen sind. Mittags, kurz nach 13 Uhr, landete Silvio Berlusconi höchstpersönlich auf dem winzigen Flugfeld. Vor dem Rathaus versprach er dann, dass Lampedusa binnen 60 Stunden frei von Flüchtlingen sein werde.

Schon am Abend zuvor hatte die Regierung in einer nächtlichen Krisensitzung in Rom beschlossen, dafür weitere Schiffe der Marine zu schicken. Berlusconi stellte den Bewohnern aber auch konkrete Hilfe in Form von Steuererleichterungen, Investitionen in Infrastruktur und Tourismus in Aussicht. „Lampedusa muss entschädigt werden für seine Opfer“, so Berlusconi. „Es wird wieder ein Paradies werden.“ Er schlug außerdem vor, die Insel für den Friedensnobelpreis zu nominieren und verkündete auch gleich, dass er selbst ein „Lampedusano“ werden wolle. „Ich habe hier ein Haus gekauft.“ Sehr herzlich war der Empfang dennoch nicht, denn auf Lampedusa fühlen sie sich vom fernen Rom genauso im Stich gelassen wie von Europa.

Unterkünfte reichen nicht aus

Die Lage auf der nur 20 Quadratkilometer großen Insel hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Niemand weiß mehr so ganz genau, wie viele Flüchtlinge sich dort aufhalten, gestern waren es wohl mehr als 6000. Mittlerweile sind auch die ersten Gastarbeiter aus Eritrea und Äthiopien angekommen, die aus Libyen geflohen sind. Doch auch aus Tunesien wagen noch immer jeden Tag hunderte meist junger Männer die gefährliche Überfahrt, um in Europa Arbeit zu suchen.

Das örtliche Auffanglager ist bereits seit Wochen überfüllt, es bietet nur Platz für 850Menschen. Obwohl die Gemeinde und die Kirche weitere Unterkünfte zur Verfügung gestellt haben, reichen diese bei Weitem nicht aus. Viele Flüchtlinge nächtigen deshalb notdürftig im Freien.

Aus Verzweiflung sind einige in den Hungerstreik getreten: Die Versorgungslage auf der Insel, die nicht einmal über eigenes Wasser verfügt, ist prekär. Praktisch alles, was die Bewohner zum Leben benötigen, muss aus Sizilien herangeschafft werden. Zwar versuchen die Bewohner zu helfen, wo sie nur können, doch die Emotionen gehen hoch. Es kommt immer häufiger zu heftigen Protesten.

Innenminister Roberto Maroni und Außenminister Franco Frattini haben vorgeschlagen, jedem Tunesier, der freiwillig in seine Heimat zurückkehrt, bis zu 2000Euro zu zahlen. Beide hatten zuletzt bei einem Besuch in Tunis auch versucht, die Übergangsregierung zu mehr Kontrollen der Küsten zu verpflichten und dafür finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2011)

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