Der Meister der tibetischen Baukunst

Meister tibetischen Baukunst
Meister tibetischen Baukunst(c) EPA (DIVYAKANT SOLANKI)
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Ein deutscher Architekt hat sich in der Königsstadt Leh im Norden Indiens einer untergehenden Kultur verschrieben. Er rettet alte tibetische Gebäude vor dem Verfall.

In der Königsstadt Leh, im hohen Norden Indiens hinter der Hauptkette des Himalaja gelegen, kann man die tibetische Kultur noch weitgehend unverfälscht erleben. Eine kurvenreiche Gasse führt vom Markt im Zentrum der Stadt zu einem buddhistischen Tempel. Nicht weit davon öffnet sich ein unscheinbares Tor, durch das man einen Innenhof mit alten Bäumen betritt. Dort wird gehämmert, geklopft und gesägt. „Hier entsteht das Zentralasiatische Museum, das erste der Stadt“, erläutert der Bauleiter. „Es soll an die vielfältigen, jahrhundertelangen Beziehungen Ladakhs zu den Handelsposten Zentralasiens erinnern.“

Der Bauleiter trägt das ergraute Haar zu einem Zopf gebunden und hat fast immer ein Lächeln auf den Lippen. Andre Alexander stammt aus Deutschland und ist einer der wenigen Experten für traditionelle tibetische Baukunst. „Wir legen Wert darauf, das Museum im traditionellen Stil zu erbauen. Das Fundament und die unteren beiden Stockwerke sind aus Naturstein und Lehmmörtel ohne Zement errichtet. Die Decken ruhen auf Holzstützen. Das oberste Stockwerk bauen wir wie eh und je mit Lehmziegeln.“

Der Rohbau ist fast fertig, gerade wird das Flachdach aufgelegt. „Hier ist alles Handarbeit,“ erklärt Alexander. „Ein Steinmetz behaut jeden einzelnen Stein, den wir verbauen. Da hinten schnitzen Zimmerleute an einem Stützbalken. Wir haben eine Frau angestellt, die den ganzen Tag nur Lehm anrichtet, für die Ziegel und den Putz.“

Schon in der Jugend zog es Andre Alexander nach Asien, schließlich landete er in Tibet. „Als ich Jahre später die tibetische Hauptstadt Lhasa wieder besuchte, erlebte ich einen Schock: Die Altstadt mit ihren wunderschönen historischen Gebäuden war kleiner geworden, überall Neubauten.“

Lhasa sollte modernisiert werden, so lautete die offizielle Linie. Damit nicht alles verloren ging, startete er mit Billigung des tibetischen Bürgermeisters ein Pilotprojekt. „Während der nächsten fünf Jahre konnten wir viele Gebäude vor dem Abriss retten.“ Doch dann drehte der politische Wind und die Behörden verweigerten Alexander weitere Baugenehmigungen.

Mönche suchen Rat von Experten

Im Jahr 2003 kam der Deutsche nach Leh, wo er „mit offenen Armen“ empfangen wurde. Seither hält er sich den Großteil des Jahres in einem renovierten Haus in der Altstadt auf. Leh ist die Hauptstadt von Ladakh, einer Hochwüste im Norden Indiens. Alexander animiert zu einem Bummel durch die Altstadt. Der Palast des früheren Herrschers thront wie ein graues Monster über den Wohnquartieren am Berghang. In den verwinkelten, gepflasterten Gassen fühlt man sich um Jahrhunderte zurückversetzt. An vielen Gebäuden nagt jedoch der Zahn der Zeit. Bröckelnde Mauern und geborstene Balken verleihen manchen Orten einen Hauch Morbidität.

Die tibetische Architektur sei erdbebenresistent und ökologisch angepasst, schwärmt Alexander, doch die Gebäude bräuchten auch Pflege. Ein kleiner Schaden im Dach könne mit der Zeit das gesamte Gebäude bedrohen: „Regenwasser dringt ein und die Lehmwände weichen auf.“ Zuletzt stürze das Dach ein. „In jüngster Zeit bitten immer mehr Mönche um Hilfe. Weil es jetzt häufiger und stärker regnet, treten an historischen Klosterbauten Schäden auf. Sakrale Wandmalereien, die in der trockenen Wüstenluft Jahrhunderte überdauerten, sind heute akut bedroht.“

Gastvorlesungen an TU Berlin

Alexander, der als Sohn eines Rauchfangkehrers in Berlin-Kreuzberg aufwuchs und Architektur studierte, hat seine Wurzeln nicht gekappt. Er hat eine Wohnung in Berlin und hält an der Technischen Universität Gastvorlesungen. Mit der zurückgezogenen Art der Deutschen hat er aber so seine Schwierigkeiten. Kein Wunder also, wenn er seinen Lebensabend in Asien verbringen möchte: „Ich träume davon, mich in einem tibetischen Bergdorf zur Ruhe zu setzen und Bücher zu schreiben.“

Tipp: Die Doku „Himalaya – Reich des Wildpferds“ (11. April, 19.30 h, Arte) besucht A. Alexander.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2011)

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