Jüdisch-muslimische Front gegen Schächtungsverbot

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In seltener Einigkeit kämpfen Vertreter beider Religionen gegen einen im Parlament schon abgesegneten Gesetzesentwurf, dem noch der Senat zustimmen muss. Geplante Verbot beschränke die Religionsfreiheit.

In den Niederlanden geschieht dieser Tage etwas, was weltweit alles andere als üblich ist: Juden und Muslime ziehen an einem Strang. Vertreter beider Religionen, Rabbis wie Imame, haben sich hier zu einer gemeinsamen politischen Front zusammengeschlossen. Ihr Zweck: Die Mobilmachung gegen das vom Parlament in Den Haag bereits de facto beschlossene Schächtungsverbot von Tieren.

Das Parlament hatte bereits am 28. Juni das Schlachten von Tieren nach der jüdischen und der islamischen Tradition des Schächtens, bei der die Halsschlagader des noch lebenden Tieres mit einem scharfen Messer durchtrennt wird und dieses dann langsam verblutet, verboten. Es gab dafür auch eine überwältigende Mehrheit von 116 der insgesamt 150 Abgeordneten. Doch noch ist der Beschluss, der auf Initiative der kleinen „Partei für die Tiere“ (PvdD) zustande kam, nicht Gesetz geworden. Die erste Kammer, der niederländische Senat, muss dem Schächtungsverbot nämlich noch zustimmen. Und in diesem Gremium, das 75 Senatoren zählt, ist es gar nicht hundertprozentig sicher, dass das Gesetz eine Mehrheit bekommt.

Religionsfreiheit in Gefahr?

Daher machen nun jüdische und islamische Organisationen gemeinsam massiv und lautstark mobil. Sie argumentieren, dass das geplante Verbot der uralten Schlachtmethode ihre Religionsfreiheit beschränke. Es ist das erste Mal überhaupt in den Niederlanden, dass Juden und Muslime eine gemeinsame Politik betreiben.

Laut Koran und Thora gilt Blut als unrein und muss beim Schlachten aus dem Tier entfernt werden. Bei Juden erfolgt die Schächtung ohne Betäubung des Tieres, da es nach strenger Auffassung durch die Betäubung verletzt und das Fleisch zum religiös korrekten Verzehr unbrauchbar wird. Manche islamische Rechtsschulen hingegen halten eine Betäubung, etwa durch Stromstöße, für durchaus zulässig.

Der Rabbiner Lody van de Kamp und der Vorsitzende der islamischen Vereinigung „IBW“, Ibrahim Wijbenga, trafen einander jüngst bei der koscheren Fleischerei „Sal Meijer“ in Amsterdam, um ihre politische Strategie gegen das drohende Schächtungsverbot zu besprechen. Bei einer koscheren „Broodje Ossenworst“, einer Art Rindersalami, die nicht nur unter jüdischen Niederländern sehr beliebt ist, sagt Rabbi van de Kamp: „Die islamische Lobby gegen das Schächtungsverbot ist spät in Gang gekommen. Wir waren lange Zeit die einzigen, die gegen das geplante Schächtungsverbot protestierten haben.“

Da hat er Recht. Denn bisher waren es hauptsächlich religiöse Juden, die sich nicht vorschreiben lassen wollten, wie sie ein Rind oder Schaf schlachten sollten und die an der traditionellen Schächtung der Tiere unbedingt festhalten wollten. Und so hatten bisher fast nur Juden öffentlich bzw. medial gegen das Schächtungsverbot protestiert.

„Wir sind keine Barbaren“

Der Muslim Ibrahim Wijbenga, ein Konvertit mit friesischem Vater und marokkanischer Mutter, meinte: „Unsere Schlachtweise wird als ,mittelalterlich‘ diffamiert. Aber wir sind keine Barbaren. Wir halten uns an Regeln des Koran. Juden und Muslime meinen, dass Tiere beim Schächten, wenn die Halsschlagader mit einem scharfen Messer in einem Schnitt durchtrennt wird, nicht leiden.“

„Unsinn“, sagt Marianne Thieme, Chefin der „Partei der Tiere“. „Es gibt Untersuchungen, wonach Tiere nach dem Schächten minutenlang leben und leiden.“ Die Schlachtmethode sei grausam und tierquälerisch. Juden sollten einfach auf ihr koscheres und Muslime auf ihr Halal-Fleisch verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2011)

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