Türkei: Frau nach 66 Stunden aus Trümmern gerettet

Die Erfolgserlebnisse werden weniger: Diese Frau wurde noch fast 66 aus den Trümmern geborgen
Die Erfolgserlebnisse werden weniger: Diese Frau wurde noch fast 66 aus den Trümmern geborgen(c) REUTERS (Osman Orsal)
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Drei Tage nach dem Beben sinkt die Hoffnung auf Überlebende. In der Unglücksregion herrschen Temperaturen nahe des Gefrierpunkts.

Die Rettung einer Frau aus den Trümmern des schweren Erdbebens in der Türkei hat den Einsatzkräften am Mittwoch neuen Mut gegeben. Die 27-Jährige wurde 66 Stunden nach dem Erdstoß in der Stadt Ercis aus den Trümmern ihres Hauses gezogen. "Sie war unsere Mieterin. Sie haben sie vor einer Stunde geborgen", berichtete Akif Goltas. Die Rettungskräfte hätten die ganze Nacht nach der 27-Jährigen gesucht. Diese arbeitete Medienberichten zufolge als Lehrerin.
Zuvor war auch ein 18-jähriger Student aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses in der Stadt Ercis geborgen - 61 Stunden nach dem Erdstoß. Die Rettungskräfte führten kleine Kameras in die Schuttberge ein und fanden den verletzten Eyup Erdem.

Doch die Hoffnung auf weitere Überlebende schwindet.  Die Bewohner der Unglücksregion im Osten der Türkei verbrachten bei Temperaturen nahe des Gefrierpunkts die dritte Nacht im Freien. Die Zahl der Toten erhöhte sich am Mittwoch auf 461, mehr als 1300 wurden verletzt. Die die Zahl der Opfer dürfte am Ende deutlich höher ausfallen.

Am Dienstag ist es gelungen, ein zwei Wochen altes Kind aus den Trümmern eines Hauses in Ercis zu bergen. "Es ist gesund und es wird leben", sagte der behandelnde Arzt in einer improvisierten Krankenstation. Das Kind bewege Arme und Beine.  Wenige Stunden später konnten auch die Mutter und die Großmutter des Kleinkindes gerettet werden.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf Baufirmen und Aufsichtsbehörden schwere Versäumnisse vor, die Menschenleben gekostet hätten. Bei der Katastrophe sei der Beton einiger Gebäude wie Sand zerbröselt. "Den schmerzlichen Preis haben die Menschen drinnen bezahlt", sagte Erdogan. Die Nachlässigkeit von Kommunen, Bauunternehmen und Kontrolleuren sei als ein Verbrechen zu betrachten.

Internationale Hilfe

Die türkische Regierung sucht auch die Hilfe anderer Staaten für den Wiederaufbau. Für die Zeit nach den Rettungsarbeiten seien Zelte, Wohncontainer und Fertighäuser nötig, berichteten türkische Medien unter Berufung auf Diplomaten. Die türkischen Botschaften sollten nun Gespräche mit den Staaten führen, die Hilfsangebote gemacht hatten. Die Türkei will auch mit internationalen Organisationen über Hilfen verhandeln.

Die türkische Regierung schickte mehr als 1200 Helfer in die Provinz Van, die mehrheitlich von Kurden bewohnt wird. Sie liegt im Südosten des Landes und grenzt an den Iran. Der türkische Rote Halbmond will die Situation der Menschen mit insgesamt mehr als 11.000 Zelten verbessern. Bei Einbruch der Dunkelheit waren in der am stärksten betroffenen Stadt Ercis und den Vororten weiter mehrere tausend Menschen an Lagerfeuern ohne weiteren Schutz.

"Ich zittere immer noch vor Angst. Solange die Nachbeben andauern, bleiben wir auf der Straße", sagte eine Frau, während sie sich vor einem Feuer im Stadtzentrum von Van wärmte. Die Menschen suchten in Autos, Zelten oder unter Decken Schutz vor der nächtlichen Kälte. Das Beben am Sonntag hatte die Stärke 7,2. Nach Regierungsangaben stürzten 2262 Häuser ein. Bisher war von 970 zerstörten Gebäuden die Rede.

Warten auf Zelte

In der am stärksten zerstörten Stadt Ercis bildete sich vor dem Bürgermeisteramt eine lange Schlange aus Menschen, die sich für die Verteilung weiterer Zelte vormerken lassen wollten, berichtete ein Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa. Außerdem gab es Listen für Suppenküchen. Die Behörden warnten die Menschen davor, beschädigte Häuser zu betreten, weil diese bei den zahlreichen Nachbeben noch einstürzen könnten.

(Ag. )

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