Wien: Pilot erpresste Fluggäste

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Passagiere eines Comtel Jets auf dem Weg von Indien über Wien nach England mussten fast 24.000 Euro zusammenlegen, damit der Flug weiterging. mehr als 2000 Comtel-Passagiere sollen in Indien gestrandet sein.

Die Wiener Fluggesellschaft Comtel Air verspricht „unvergleichbaren Service“ gepaart mit „Professionalität“ und „österreichischem Charme“ – die Wirklichkeit für hunderte von Passagieren der Airline sieht diese Woche anders aus: Auf dem Flughafen Wien-Schwechat, beim Zwischenstopp auf dem Weg vom indischen Amritsar ins englische Birmingham, wurden 180 Fluggäste, darunter Frauen, Kinder und ein blinder Greis, vor Kurzem stundenlang an Bord der Boeing757 festgehalten. Sie wurden gezwungen, fast 24.000 Euro Bargeld für das Betanken des Jets zu bezahlen.

Mehr als 200 Passagiere eines Comtel-Fluges, der bereits am Sonntag starten sollte, sitzen zudem am Flughafen Amritsar fest, weil die Firma nicht in der Lage ist, die Startgebühren für die Maschine zu bezahlen. Laut Austria Presse Agentur sollen insgesamt sogar mehr als 2000 Comtel-Passagiere in Indien gestrandet sein.

Reena Rindi und ihre zweijährige Tochter gehörten zu den Passagieren, die vom Piloten in Wien per Lautsprecher aufgefordert wurden, ihr Portemonnaie zu öffnen. Andernfalls, so die Drohung, müssten sie das Flugzeug verlassen und würden verhaftet. „Wir wollten einfach nur nach Hause. Wir nahmen alle unser Geld raus, 130 Euro pro Person, nur die Kinder unter zwei Jahren mussten nichts bezahlen“, so Rindi im britischen TV-Sender Channel4. Passagiere, die kein Bares hatten, wurden von Sicherheitsbeamten zu Bankomaten auf dem Flughafen eskortiert.

Comtel-Chef erkennt an sich keine Schuld

Comtel-Air-Geschäftsführer Richard Fluck (55) zeigte sich gegenüber der „Presse“ gestern empört über den Umgang mit seinen Fluggästen: „Ich finde das ganz furchtbar.“ Doch schuld seien die Geschäftspartner der Airline. Das Geschäftsmodell der Gesellschaft ist komplex: Vor zwölf Jahren wurde sie vom Wiener Pharmaunternehmer Walter Frantsis für VIP- und Business-Charterflüge gegründet. Heute gehört sie zu 75Prozent der Golden Air, der Firma eines britischen und eines indischen Investors, und stieg erst im Oktober ins Linienchartergeschäft ein. Die Airline (sie besitzt einen kleinen Falcon-Jet von Dassault) least die großen Flugzeuge für die Linienflüge samt Crew von der spanischen Fluggesellschaft Mint Airways. Reiseveranstalter und zuständig für den Ticketverkauf ist die britische Astonbury Limited des indischstämmigen Unternehmers Harjinder Sidhu. Doch der sei nicht immer pünktlich mit seinen Überweisungen an Comtel und Mint Airways, sagt Fluck: „Es ist eben ,indisch‘ abgewickelt worden.“

Anfang der Woche habe Mint Airways plötzlich auf einer sofortigen Ratenzahlung von 136.000 Euro beharrt. „Ich habe sie angefleht, den Flug durchzuführen, aber sie haben auf der Zahlung bestanden. Und dann hat der Pilot ohne Rücksprache mit uns das Geld bei den Passagieren geholt“, so Fluck. Weder Mint Airways noch Astonbury Limited waren am Donnerstag für eine Stellungnahme zu erreichen. Jedenfalls habe Comtel jetzt wegen der Spritkosten und offener Landegebühren 700.000 Euro Schulden, sagte Fluck zur Austria Presse Agentur. Der Reiseveranstalter Astonbury Limited schulde ihm auch noch etwa 800.000 Euro.

Lizenzentzug und Konkurs drohen

Die gestrandeten Fluggäste, meist indisch-stämmige Briten, sollen mit anderen Fluglinien zurückfliegen. Der Comtel droht durch das Debakel das Aus: Ohne neue Investoren könne man nicht weitermachen, sagt Fluck. Die nächsten Flüge nach Amritsar wurden bereits gestrichen.

Außerdem droht der Lizenz-Entzug. Die Oberste Zivilluftfahrtbehörde (OZB) hat „eine Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit, die Voraussetzung für den Erhalt der Betriebsbewilligung ist, eingeleitet“, sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums, Walter Fleissner, zur „Presse“. „Je nach Ausgang wird die Betriebsbewilligung entzogen, ausgesetzt oder eingeschränkt.“

Lexikon

Comtel Air ist eine Wiener Bedarfsflugfirma, die einen Jet vom Typ Dassault besitzt. Mit einer gecharteten Boeing 757 bietet man seit Kurzem Linienflüge zwischen Indien und Großbritannien an, da ein Eigentümer Inder ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)

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