Neonazi-Mordserie: Ex-NPD-Funktionär festgenommen

Neonazi Morde Deutschland
Neonazi Morde Deutschland(c) dapd (Frank Doebert)
  • Drucken

Der 36-Jährige Ralf W. soll dem deutschen Trio Waffen besorgt haben. Ihm wird Beihilfe zum Mord in sechs Fällen vorgeworfen. Er war früher als Funktionär in der NPD aktiv.

Spezialeinheiten der deutschen Polizei haben am Dienstag in Jena einen weiteren mutmaßlichen Helfer des Zwickauer Neonazi-Trios festgenommen. Der 36-Jährige Ralf W. Beihilfe zum Mord in sechs Fällen sowie zu einem Mordversuch vorgeworfen, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen ehemaligen NPD-Funktionär. Er soll noch am Dienstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

"Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, dem 'NSU' ("Nationalsozialistischen Untergrund, Anm.) 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition verschafft zu haben", teilte die Bundesanwaltschaft mit. "Dabei nahm der Beschuldigte billigend in Kauf, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte." Seit den 1990er Jahren soll er in engem Kontakt mit dem Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gestanden haben.

Dem Thüringer Verfassungsschutz ist W. seit langem bekannt. Er taucht durchgängig in allen Verfassungsschutzberichten von 2003 bis 2010 auf. Er trat 1999, kurz nach dem Untertauchen des Neonazi-Trios, in die NPD ein. Mit Unterbrechungen war er von 1999 bis Mitte 2008 Vorstandsmitglied der NPD.

NPD

Die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) ist eine rechtsextreme Partei mit stark fremdenfeindlichen und aggressiv-nationalistischen Positionen. In Deutschland ist die NPD in zwei Landtagen - Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern - vertreten. Auf Bundesebene kam sie bei der Bundestagswahl 2009 aber nur auf 1,5 Prozent. Ein Verbotsverfahren scheiterte im März 2003 vor dem Verfassungsgericht wegen verfahrensrechtlicher Fehler.

Mordserie durch Zufall entdeckt

Die Terrorzelle wird für den Mord an neun Kleinunternehmern mit türkischem und griechischem Migrationshintergrund und einer Polizistin in den Jahren 2000 bis 2007 verantwortlich gemacht. Der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie war den Ermittlern nicht aufgefallen und kam erst ans Licht, als Anfang November zwei Mitglieder der Zelle nach einem Banküberfall tot in einem Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Später wurden in ihrer Zwickauer Wohnung die Tatwaffen entdeckt. Die Wohnungskollegin der beiden Bankräuber und zwei weitere mutmaßliche Komplizen sitzen bereits in Untersuchungshaft. Gegen weitere Verdächtige wird ermittelt.

Neonazi-Datei geplant

Um Ermittlungspannen bei Taten mit rechtsextremistischen Hintergrund zu verhindern, will der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich einen Gesetzentwurf für eine umstrittene neue Großdatei zum Kampf gegen Rechtsextremisten vorlegen. Darin sollen umfangreiche und detaillierte Informationen über mutmaßliche rechte Gewalttäter, Helfershelfer und Kontaktleute gespeichert werden. Alle Behörden sollen per Gesetz verpflichtet werden, ihre bereits erhobenen Daten in das Verbundsystem einzugeben. Neben üblichen Grunddaten wie Namen und Anschriften sollen auch Daten über Telekommunikationsanschlüsse, Bankverbindungen, Fahrzeuge sowie besondere Fähigkeiten der mutmaßlichen Rechtsextremisten, insbesondere Fertigkeiten im Umgang mit Sprengstoff oder Waffen, sowie all jene Orte gespeichert werden, an denen sich Verdächtige mit Gleichgesinnten treffen oder getroffen haben.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu will mit den Angehörigen der Mordopfer über Entschädigungszahlungen des deutschen Staates sprechen. Davutoglu werde dazu am 1. Dezember nach Deutschland reisen, berichteten türkische Zeitungen am Dienstag. "Ich werde vier Tage lang von Stadt zu Stadt reisen und mit unseren Bürgern reden", sagte Davutoglu. Diese Angelegenheit sei für Deutschland von größter Bedeutung. Er werde mit den Angehörigen der türkischen Opfer auch über die Höhe von Entschädigungszahlungen sprechen.

(Ag./Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.