Auf dem Weg zum „Zwilling der Erde“

(c) REUTERS (HANDOUT)
  • Drucken

Das „Kepler“-Teleskop der Nasa bestätigt erstmals die Sichtung eines erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, auf dem theoretisch Leben gedeihen könnte.

Gibt es in den Weiten des Alls einen „Zwilling der Erde“, einen Planeten, der unserem ähnelt und um einen Stern kreist, der unserer Sonne ähnelt? Hinter nichts sind die Planetenjäger eifriger her als hinter solchen „Goldilocks“ – der Name kommt von dem eines Mädchens in einem amerikanischen Märchen, das sich im Wald verirrt und von einer Bärenfamilie bewirtet wird. Aber das Essen von Papa Bär ist zu heiß und das von Mama Bär zu kalt, nur das von Baby Bär ist wohltemperiert. Daher nennt man auch jene Planeten „Goldilocks“, die von ihrem Zentralgestirn gerade so weit entfernt sind, dass es nicht zu kalt und nicht zu heiß ist für flüssiges Wasser – und damit für Leben in der uns bekannten Form. Profaner spricht man auch von einer „habitablen Zone“.

2,5-mal so groß wie die Erde

Am Dienstag fiel das Zauberwort auf einer Konferenz der „Kepler“-Mission der Nasa im Ames Research Center in Kalifornien: In 600 Lichtjahren Entfernung kreist ein Planet, der etwa 2,5-mal so groß ist wie die Erde, um einen Stern, der etwas schwächer strahlt als die Sonne: „Kepler-22b“. Er ist etwas näher an seinem Stern als die Erde (um 15 Prozent) und umrundet ihn (er heißt „Kepler-22“ im Sternbild Schwan) daher auch etwas rascher, nämlich in 290 Tagen.

Mit all dem befinde sich Kepler-22b somit in der habitablen Zone um seinen Stern – mehr weiß man freilich noch nicht: Man kennt weder seine Dichte noch Beschaffenheit, auch die Existenz einer Atmosphäre ist nicht gesichert.

Immerhin: Er existiert. Das war bei früheren Goldilocks nicht immer so: Der erste wurde im September 2010 gesichtet, „Gliese 581 g“, er stellte sich nachträglich als Produkt eines Messfehlers heraus. Solche Fehler häufen sich, je kleiner die gesichteten Exoplaneten – also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – sind: Direkt sehen kann man sie nicht bzw. nur in extremen Ausnahmefällen. Man kann sie nur indirekt beobachten, über die Wirkungen, die sie auf ihren Stern haben. Sie bringen ihn etwa durch ihre Gravitation ein wenig ins Wackeln („wobble“), und dunkeln ihn leicht ab, wenn sie zwischen ihm und dem Beobachter vorbeiziehen. Solcherart fand man bisher 684 Exoplaneten (Stand: 16.9. 2011), zunächst Gasriesen, dann, mit verfeinerten Instrumenten, auch kleine Gesteinsplaneten und ganze Planetensysteme. Damit wächst die Fehleranfälligkeit, deshalb sind die Astronomen vorsichtig geworden und warten auf Bestätigung eines Fundes.

So hatte das auf Planetenjagd spezialisierte, im März 2009 gestartete Nasa-Raumteleskop „Kepler“ bis Februar 54 Goldilocks-Kandidaten gesichtet, Kepler-22b war dabei. Er ist nun der Erste, der mehrfach von Kepler und erdbasierten Teleskopen gesichtet und so bestätigt wurde: „Wir hatten Glück. ,Kepler‘ war erst drei Tage auf seiner Mission, als der Planet gesichtet wurde“, sagt William Borucki, der das Team leitete, das Kepler-22b fand.

Allerdings ist der Jubel der Nasa gedämpft: „Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem ,Zwilling der Erde‘“, erklärte „Kepler“-Leiter Douglas Hudgins. Es ist also eher doch noch nicht der Zwilling selbst, oder man weiß einfach noch nicht genug. Aber man hat eine immer größere Auswahl: 1094 neue Kandidaten für Exoplaneten wurden der Konferenz vorgestellt, damit hat Kepler bisher gesamt 2326 gesichtet. 207 haben die Größenordnung der Erde, 48 kreisen in der habitablen Zone.

22 Grad mild? Minus 11 Grad eisig?

Das sind weniger als bei der Kepler-Bilanz im Februar, da waren es 54. Woher der wundersame Schwund? Von einer neuen, schärferen Definition: Bei der habitablen Zone geht es nun nicht mehr nur um die Leuchtkraft eines Sterns und den Abstand des Planeten, sondern auch darum, ob der Planet Atmosphäre hat und wie viele Treibhausgase darin sind: Hätte Kepler-22b eine wie die Erde, wäre es auf ihm 22 Grad mild; hätte er keine, wäre es frostig (–11 Grad), doch für Leben wäre das nicht zu kalt: Es gedeiht auch in irdischem Eis.

Lexikon

Exoplaneten sind Planeten anderer Sterne. Direkt sichtbar sind sie fast nie, man findet sie indirekt, etwa, wenn sie vor dem Stern vorbeiziehen und ihn leicht abdunkeln oder durch ihre Gravitation den Stern in Schwingung versetzen. Die ersten wurden 1992 bestätigt, man schätzt, dass unsere Galaxis 50 Milliarden Planeten hat, mind. 500 Millionen sollen in bewohnbaren Zonen um ihren Stern kreisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Kepler-22b
Weltjournal

Erdähnlicher Planet in bewohnbarer Zone entdeckt

Er ist etwas größer, etwas kühler und dreht sich schneller um seine Sonne als die Erde. Ob es auf dem "Kepler-22b" aber Leben gibt, ist unklar.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.