Taucher: Costa Concordia ist "feindliche Umgebung"

schon dreimal Costa Concordia
schon dreimal Costa Concordia(c) privat
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Der 42-jährige Höhlentaucher Andrea Costantini erzählt im DiePresse.com-Interview von seinem Einsatz in der "Costa Concordia" und den Gefahren. Brenzlig wird es, wenn das Schiff abrutscht.

Seit der Havarie der "Costa Concordia" am 13. Jänner suchen Taucher im Wrack nach Vermissten. Einer von ihnen ist der Höhlentaucher Andrea Costantini, der bereits mehrmals im Inneren des Schiffes war.

DiePresse.com: Herr Costantini, Sie sind Rettungstaucher. Machen Sie das beruflich oder freiwillig?

Andrea Costantini: Ich bin Teil der Höhlentaucherkommission des Zivilschutzes. Wir arbeiten ehrenamtlich. Wir werden eingesetzt als Spezialtrupp bei Suchaktionen und Hilfseinsätzen in "feindlichen Umgebungen", etwa in Grotten oder in großer Wassertiefe. Die Behörden haben uns für den Einsatz angefordert.

Wie oft waren sie schon als Rettungstaucher beim Wrack?

Ich war schon dreimal beim Schiff (der "Costa Concordia", Anm.). Dabei habe ich mich mit meinen Kollegen und den Spezialkräften von der Marine und der Feuerwehr abgewechselt.

Wie oft sind Sie dabei im Inneren des Schiffes gewesen?

Zweimal war ich im Inneren des Schiffes und einmal im Umfeld des Wracks.

Gibt es noch eine Chance, Überlebende zu finden?

Nach etwa zehn Tagen wird es sehr schwierig sein, noch Überlebende zu finden. Und dann gibt es auch noch jene Personen, die während der Havarie ins Meer gesprungen sind und sich auch weiter weg befinden könnten.

Wo kommt man noch ins Innere der "Costa Concordia"? Wo geht das nicht mehr?

Man kommt entweder über den Teil, der noch aus dem Wasser ragt, hinein oder unter Wasser durch Eingänge, die durch die Zerstörung von Toren und Fenstern in unterschiedlicher Wassertiefe geschaffen worden sind. Nur wenige Teile sind schwer zugänglich, etwa dort, wo Eisenteile oder blockierte Türen den Weg verstellen.

Wie ist die Suchaktion organisiert?

Es gibt Gruppen, die sich nur mit dem Teil über Wasser befassen, etwa die Feuerwehr, und jene für den Unterwasserteil. Seit klar ist, dass keine Gefahr für große Verschiebungen besteht, arbeitet man gleichzeitig in beiden Teilen.

Wie viele Taucher sind im Einsatz?

Von unserem Corps sind 16 Höhlentaucher im Einsatz, da muss man noch die Feuerwehr, die Taucher der Marine und der anderen staatlichen Spezialkräfte hinzurechnen.

Gibt es Schlüsselzonen, die zuerst kontrolliert werden, oder sucht man vom Bug bis zum Heck?

Als Priorität galt das Deck 4, wo sich im Notfall die Passagiere sammeln und die Rettungsboote sind. Aber natürlich gibt es keinen Teil, den wir nicht durchsuchen.

Ist es bereits gelungen, alle Teile des Schiffs zu durchsuchen oder nur vereinzelte?

Mit dem Unterwasserteil sind wir noch nicht fertig, es ist leider eine schwierige und gefährliche Arbeit, die noch ein paar Tage dauern wird.

Sind Sie auch in der Nacht im Einsatz?

Wir sind das einzige Corps, das auch in der Nacht sucht. Allerdings waren wir nur in einer Nacht im Einsatz, weil der Verdacht bestand, dass sich das Schiff bewegt.

(c) privat

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Gefahr für die Taucher, die sich in dem Schiff befinden?

Die größte Gefahr stellen die Hindernisse wie Möbel, Metallteile, diverse Gegenstände sowie die geringe Sichtweite dar. Besonders gefährlich könnte es werden, wenn man den Ausgang nicht mehr findet, wenn man  einmal in die verschiedenen Gänge und Kabinen vorgedrungen ist. Daher verwenden wir einen Ariadne-Faden (eine Leine wird beim Startpunkt befestigt und mitgezogen, um den Rückweg zu finden, Anm.). Wir arbeiten in einer Tiefe von 28 Meter bis zur Wasseroberfläche.

Wenn das Schiff komplett versinken würde - was wäre das größte Problem für einen Taucher, der sich im Wrack befinden würde?

Es wäre, als ob man in einem Palast herumrollen würde, der im Meer versinkt, mit der Gefahr, nicht mehr rauszukommen. Man würde sich in einer Tiefe von zirka 75 Meter befinden.

Wie warm ist das Wasser derzeit?

14 Grad.

Das Interview wurde per E-Mail geführt.

Zur Person

Andrea Costantini (42) ist Höhlentaucher des Zivilschutzes. Er lebt in seinem Heimatort Lecce im Süden von Italien, ist verheiratet und hat eine neunjährige Tochter. Costantini hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er handelt mit Tauchsportartikeln.

(DB, BL)

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