Schwere Vorwürfe gegen Reederei der Concordia

(c) EPA (MASSIMO PERCOSSI)
  • Drucken

Berichte über bekannte Defekte, eine schlecht bezahlte Crew und blinde Passagiere an Bord des italienischen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia werden jetzt bekannt. Die Rettungsarbeiten gehen indes weiter.

Rom/Doe. Mehr als eine Woche nach der Havarie des italienischen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia gehen die Rettungsarbeiten weiter. Etwa 20 Personen werden noch vermisst, darunter vermutlich zwölf Deutsche; 15 Leichen wurden geborgen; die Rettungsarbeiten werden immer wieder gestoppt, weil das Schiff langsam in Richtung Abgrund rutscht und ganz zu sinken droht (s. Grafik).

Dass es so schwer ist, ganz präzise Zahlen zu bekommen, liegt daran, dass sich einige Vermisste meldeten, die gleich nach dem Unfall in verwirrtem Zustand heimgereist waren. Zudem sollen laut Behörden „blinde Passagiere“ an Bord gewesen sein. So ist unter den 15 Toten eine junge Ungarin, die auf keiner Passagierliste auftaucht. Auch jene junge Moldawierin, die als angebliche Geliebte von Kapitän Francesco Schettino gehandelt wird, steht auf keiner Liste.

Keine Drogen im Spiel

Überhaupt wird spekuliert, dass nicht alle Mitarbeiter registriert waren: Die Reederei Costa Crociere wies das zurück, etliche ihrer Angestellten gingen am Wochenende gar aus Protest auf die Straße. Sicher ist, dass Costa Crociere beim Personal massiv spart: Nur 200 bis 400 Euro im Monat soll man laut Aussage eines sizilianischen Bäckers in der Concordia illegalen Putzkräften zahlen. Die 1026 Crewmitglieder stammen aus 38 Ländern, nur 144 sind Italiener. Die meisten sind Inder, Indonesier, Filipinos, Osteuropäer.

Auch sonst gibt es mehr offene Fragen als Antworten, was sich genau zutrug, nachdem das Schiff vor Giglio einen Felsen gerammt hatte. Kapitän Schettino (56) fuhr sicher zu nah ans Ufer, es steht aber fest, dass er nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Doch soll er vier Seemeilen vor Giglio die automatischen Navigationssysteme ausgeschaltet haben, sagte Silvia Coronika, dritte Offizierin an Bord. Nach der Kollision habe er die Lage erst heruntergespielt und nur von „Stromausfall“ gesprochen, doch sei er bald in Panik auf der Brücke herumgelaufen.

Schettino selbst sagte, dass es die Reederei gewesen sei, die das knappe Heranfahren an die Küste („Verneigung“) ausdrücklich gewünscht habe, aus Werbegründen. Ähnliche Manöver habe er schon früher gefahren, auch „vor Capri, Sorrent, auf der ganzen Welt“.

Fehlen auf Blackbox Daten?

Schettino, der in Hausarrest sitzt, warf der Reederei vor, dass sie von einem Defekt in der Sprachaufzeichnung an Bord seit Wochen informiert gewesen sei, aber keinen Techniker geschickt habe. Demnach könnte die Auswertung der Blackboxes wenig Neues ergeben. Die Reederei hat bisher versucht, Schettino allein die Schuld zu geben. Ihre Verantwortlichen werden in Kürze vernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schettino Moldawierin  Kapitan
Weltjournal

"Alles Lügen": Frau bestreitet Liebe zu Costa-Kapitän

Die junge Moldawierin soll zum Unglückszeitpunkt auf der Brücke der Costa Concordia bei Kapitän Schettino gewesen sein. Sie sei als normale Passagierin an Bord gewesen, um ihren Geburtstag zu feiern.
Helfer krehren von einem Einsatz beim Wrack des Kreuzfahrtsschiffes zurück.
Weltjournal

"Costa Concordia": Kapitän bleibt unter Hausarrest

Bis Donnerstag wird entschieden, ob der Kapitän des verunglückten Schiffes wieder in U-Haft kommt. Im März sind 4200 Passagiere und Crewmitglieder zu einer Vorverhandlung geladen.
Fire brigade boat goes past the capsized cruise liner Costa Concordia off the west coast of Italy at
Weltjournal

"Costa Concordia": Eine Million Euro für Fehlgeburt

Eine schwangere Passagierin des Unglücksschiffes hat nach der Havarie ihr Baby verloren und will nun eine Million Euro Entschädigung. Die Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls wurden wieder aufgenommen.
Costa Concordia Zeugin Schettino
Weltjournal

Costa Concordia: Zeugin "in Schettino verliebt"

Eine 25-jährige Moldawierin war mit dem Kapitän der "Costa Concordia" zusammen, als das Schiff einen Felsen rammte. Sie war nicht als blinde Passagierin an Bord.
Costa Concordia einem Topf
Weltjournal

Costa Concordia: "Mit einem Topf an die Wand geklopft"

Wegen schlechten Wetters wurden die Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls aus dem Schiffswrack eingestellt. Für Bordoffizier Giampedroni war es hingegen ein "toller Tag".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.