Kapitän: "Hätte nicht so nah an die Insel fahren sollen"

Die Costa Concordia liegt bei der Insel Giglio.
Die Costa Concordia liegt bei der Insel Giglio.(c) REUTERS (Tony Gentile)
  • Drucken

Ein abgehörtes Telefongespräch belastet den Kapitän der Costa Concordia. Allerdings soll ein Manager zum riskanten Manöver gedrängt haben. Die Suche nach weiteren Opfern konnte wieder aufgenommen werden.

"Als ich begriffen habe, dass sich das Schiff neigte, habe ich mich gepackt und bin abgestiegen": Das sagte Francesco Schettino, Kapitän des am 13. Jänner vor der Toskana havarierten Kreuzfahrtschiffes, in einem Telefongespräch am Tag nach dem Unglück über seinen Entschluss, die "Costa Concordia" zu verlassen. Das Telefonat mit einem Bekannten wurde von der Polizei abgehört. Italienische Medien veröffentlichten die Protokolle am Dienstag. Noch am selben Abend wurde Schettino verhaftet. Bisher hatte der Kapitän stets behauptet, er sei in ein Rettungsboot "gefallen". Deswegen habe er das Schiff verlassen. Von einem Felsen aus habe er dann die Evakuierungsaktion koordiniert.

In einem weiteren abgehörten Telefongespräch gab Schettino seine Verantwortung zu. Er habe sich zu stark der Insel Giglio genähert. "Ich hätte nicht so nah an die Insel fahren sollen", sagte er. Schettino gab im Telefonat zu verstehen, dass "ein Manager" Druck auf ihn gemacht habe, damit er das Manöver namens "Die Verneigung" unternehme, bei dem das Schiff in voller Beleuchtung und mit Schiffsirenen die Küstenbewohner grüßt. Wer dieser Manager sei, war noch unklar. Die Reederei Costa Crociere sagt hingegen, der Kapitän habe ganz allein beschlossen, das Manöver zu machen.

Auf den Seekarten sei der Fels nicht eingetragen gewesen, gegen den das Schiff geprallt sei, sagte Schettino. Nach der Havarie habe er alles Notwendige unternommen, um weitere Schäden zu vermeiden und Menschenleben zu retten. Der Kapitän steht wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, des Schiffbruchs und des Verlassen der "Costa Concordia" vor Ende der Evakuierungsaktion unter Hausarrest in seinem Heimatort Meta di Sorrento südlich von Neapel. Ihm drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Reederei verteidigt Personal

Die Suche nach möglichen weiteren Opfern wurde am Dienstagabend wegen der rauen See und des starken Windes vorübergehend eingestellt. Am Mittwoch konnten die Taucher wieder in das Wrack vordringen. Der Betreiber des Kreuzfahrtschiffes, die Reederei "Costa Crociere", hat die Vorwürfe zurückgewiesen, das Bordpersonal habe unvorbereitet auf die Havarie reagiert, was zu Engpässen bei der Evakuierung geführt habe. "Dem Bordpersonal ist es trotz der Schlagseite des Schiffes gelungen, rasch 4000 Personen in Sicherheit zu bringen, fast eine ganze Stadt", berichtete der Geschäftsführer von "Costa Crociere", Pierluigi Foschi, dem Senat in Rom.Chemikalien im Meer

Die Gefahr von Meeresverschmutzung unweit der Insel Giglio steigt: Aus Wasseranalysen ist nun hervorgegangen, dass im Wasser rund um die "Costa Concordia" die Konzentration von Chemikalien klar über den Grenzwerten liegt, berichteten italienische Medien. Es seien jede Menge chemische Produkte, Spül- und Waschmittel ins Wasser gelangt, hieß es.

Während die niederländische Bergungsfirma Smit Salvage am Dienstag mit dem Abpumpen des Treibstoffs der vor der toskanischen Küste havarierten "Costa Concordia" begonnen hatte, wurde das 16. Todesopfer aus dem Wrack geborgen. Tauchmannschaften entdeckten die Frau, die eine Rettungsweste trug, auf Deck drei. Die Rettungskräfte verschafften sich mit Sprengkörpern Zugang dorthin. 22 Personen seien noch vermisst, berichtete Italiens Zivilschutzchef Franco Gabrielli am Dienstag.

Etwa 100 Fachleute, Tauchermannschaften, Schiffe und Pontons sind im Einsatz, um etwa 2200 Tonnen Schweröl und 180 Tonnen Diesel aus der "Costa Concordia" zu pumpen. Das Abpumpen des Öls sei genehmigt worden, da das Schiff stabil sei, sagte Gabrielli: "Es besteht keine Gefahr, dass das Schiff sinkt." Die Reederei will die Abpumpaktion innerhalb eines Monats abschließen und dann mit der Bergung des Wracks beginnen.

"Die Operation ist kompliziert, weil wir an Bord eines schwer havarierten Schiffes arbeiten. Taucher müssen erst feststellen, in welchem Zustand die 23 Tanks sind. Außerdem muss das Schweröl aufgewärmt werden, damit es flüssiger wird und einfacher abgepumpt werden kann. Es ist wie Honig, der flüssig wird, wenn man ihn anheizt", so Maxi Iguera, Geschäftsführer der Genueser Gesellschaft 'Cambiaso&RissoService', italienischer Partner von Smit Salvage. Das Öl muss auf 50 bis 60 Grad erhitzt werden. "Wir rechnen damit, dass wir in rund drei Tagen beginnen können, das Öl wegzubringen. Die gesamte Operation kann je nach Umständen zwischen vier und sechs Wochen dauern."

(Ag./Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schettino Moldawierin  Kapitan
Weltjournal

"Alles Lügen": Frau bestreitet Liebe zu Costa-Kapitän

Die junge Moldawierin soll zum Unglückszeitpunkt auf der Brücke der Costa Concordia bei Kapitän Schettino gewesen sein. Sie sei als normale Passagierin an Bord gewesen, um ihren Geburtstag zu feiern.
Helfer krehren von einem Einsatz beim Wrack des Kreuzfahrtsschiffes zurück.
Weltjournal

"Costa Concordia": Kapitän bleibt unter Hausarrest

Bis Donnerstag wird entschieden, ob der Kapitän des verunglückten Schiffes wieder in U-Haft kommt. Im März sind 4200 Passagiere und Crewmitglieder zu einer Vorverhandlung geladen.
Fire brigade boat goes past the capsized cruise liner Costa Concordia off the west coast of Italy at
Weltjournal

"Costa Concordia": Eine Million Euro für Fehlgeburt

Eine schwangere Passagierin des Unglücksschiffes hat nach der Havarie ihr Baby verloren und will nun eine Million Euro Entschädigung. Die Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls wurden wieder aufgenommen.
Costa Concordia Zeugin Schettino
Weltjournal

Costa Concordia: Zeugin "in Schettino verliebt"

Eine 25-jährige Moldawierin war mit dem Kapitän der "Costa Concordia" zusammen, als das Schiff einen Felsen rammte. Sie war nicht als blinde Passagierin an Bord.
Costa Concordia einem Topf
Weltjournal

Costa Concordia: "Mit einem Topf an die Wand geklopft"

Wegen schlechten Wetters wurden die Vorbereitungen für das Abpumpen des Öls aus dem Schiffswrack eingestellt. Für Bordoffizier Giampedroni war es hingegen ein "toller Tag".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.