Breivik-Prozess: „Normalerweise bin ich sympathisch“

(c) AP (Heiko Junge)
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Der rechtsextreme norwegische Attentäter beschrieb am Freitag, wie er auf der Insel Utøya 69 Menschen erschoss. Zudem wolle er eine Art „al-Qaida für Christen“.

Oslo/Ag. Der norwegische Attentäter und Massenkiller Anders Behring Breivik hält sich selbst für einen netten Menschen. „Ich bin normalerweise ein sehr sympathischer Mensch“, sagte Breivik am Freitag, dem fünften Tag seines Prozesses in Oslo. Er sagte dabei zum Massaker in einem Jugendlager auf der Insel Utøya nahe Oslo im Juli 2011 aus, wo er 69 meist jugendliche Menschen erschoss.

Mit grausamen Details schilderte er scheinbar unberührt, wie er auf Fliehende schoss und bereits Getroffenen mit Schüssen in den Kopf das Leben nahm. In einem vor Grauen erstarrten Gerichtssaal, in dem die Stille nur vom Schluchzen der Hinterbliebenen zerrissen wurde, gab Breivik zu Protokoll, dass ihm vor der Tat „gegraut“ habe. „Ich hatte unglaublich wenig Lust, dies zu tun, mein ganzer Körper kämpfte dagegen, hunderte Stimmen in meinem Kopf sagten: ,Tu es nicht.‘“ Dann habe er die Pistole gezogen und gedacht: „Jetzt oder nie.“

Seine ersten Opfer waren der Wächter Trond Berntsten und Lagerleiterin Monica Bøsei. Andere flohen, er schoss ihnen nach, schoss auf ein Fenster, hinter dem er viele Leute sah. „Es war Chaos, ich dachte, nun muss ich rein, um möglichst viele hinzurichten.“ Angeblich will er nur zehn Minuten Erinnerung an das 70-minütige Massaker haben, konnte aber viele Details beschreiben – etwa, wie er auf entfernte Gruppen feuerte, um sie ins Wasser zu jagen. Dort würden sie ertrinken, nahm er an.

Linke sind „tötenswert“

Seine Opfer nannte er konsequent „AUFer“ (nach der Abkürzung für die sozialdemokratische Jugend), weil sie die Mitgliedschaft als tötenswerte Opfer legitimiert habe. Er habe auch versucht, verschanzte Jugendliche im Hauptgebäude mit einer Rauchgranate herauszutreiben, um sie erschießen zu können. Doch die Granate explodierte außerhalb des Hauses. Dann sah er ein Handy auf dem Boden, nahm es und rief die Polizei an, setzte das Töten aber danach fort: „Ich dachte, ich kann genauso gut weitermachen, bis ich erschossen werde.“ Als er einen Hubschrauber hörte und glaubte, das sei die Polizei, habe er erwogen, sich umzubringen. Doch dann habe er gedacht, dass er aufgeben und „aus dem Gefängnis weiterkämpfen“ solle.

Am Vormittag war Breivik von seinen Anwälten befragt worden. Es ging um den Bau der Bombe, die im Osloer Regierungsviertel hochging und acht Menschen tötete, und die dazu nötigen Kenntnisse. Das soll belegen, dass ihr Klient zurechnungsfähig ist. Das ist Breiviks Hauptziel im Prozess.

In Vorbereitung auf die Anschläge habe er seit 2006 seine sozialen Kontakte abgebrochen und durch Meditation seine Emotionen zu kontrollieren geübt. Er sei sich bewusst, unfassbares Leid ausgelöst zu haben, er habe das Leben der Angehörigen und Hinterbliebenen zerstört, sagte er am Freitag, dem vermutlich letzten Tag seiner Einvernahme, ruhig und ohne Reue. „Ich kann nicht behaupten, dass ich ihr Leid verstehe. Wenn ich das versuchen würde, könnte ich hier nicht sitzen. Dann könnte ich nicht weiterleben.“

„Islamistenvorliebe für Bomben“

Als Vorbild für seine Taten berief er sich erneut auf das islamistische Terrornetzwerk al-Qaida: Die Organisation sei so erfolgreich, weil sie „Märtyrer“ (Selbstmordattentäter) einsetze. Das Problem mit militanten Islamisten sei aber, dass sie zu sehr auf Sprengstoff statt auf Amokläufe mit Schusswaffen setzten. Er habe eine Art „al-Qaida für Christen“ schaffen wollen.

Mit einem Urteil wird frühestens Mitte Juli gerechnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2012)

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