Prag bekommt Mariensäule zurück

Prag bekommt Mariensaeule zurueck
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Am weltberühmten Altstädter Ring soll das katholische Denkmal schlechthin wieder aufgestellt werden. Nicht alle sind davon begeistert.

Prag. Seit fast 100 Jahren thront auf dem zentralen Prager Altstädter Ring nur ein überdimensionaler „Ketzer“, Jan Hus, als Symbol des tschechischen Protestantismus. Hus, 1415 beim Konzil in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wird in Tschechien verehrt und steht für die böhmische Rebellion gegen die 300-jährige katholische Übermacht aus Wien – obwohl der Reformator diese freilich nicht selbst erlebte.

Im Jahr 1915, am 500. Geburtstag des Predigers, wurde das Denkmal enthüllt. Und 1918, als sich die Tschechen von den Habsburgern lossagten, stürzten aufgebrachte Bürger die katholische Mariensäule am Altstädter Ring – fünf Tage nach der Selbstständigkeitserklärung. Einer der „Drahtzieher“ dieser Aktion war Frantisek Sauer, ein enger Freund des anarchistischen Schriftstellers Jaroslav Hasek, der den gewieften Hundehändler und braven Soldaten Schwejk in schummrigen, verrauchten Prager Bierkneipen erfunden hatte.

Kostspieliger Umzug

Mit dem gewaltsamen Abriss der Mariensäule sollte ein Schlussstrich unter die 300-jährige „Knechtschaft“ durch die Habsburger gezogen werden. Und in ihrem seltenen revolutionären Eifer waren die Tschechen sehr gründlich: Von der stolzen Säule blieb kein einziger Stein übrig.

Jetzt aber soll das Symbol des einst verhassten Katholizismus auf dem Prager Altstädter Ring wieder aufgerichtet werden. Das Denkmal ist schon fertig. Es ist – wie das Original – aus Sandstein gefertigt und befindet sich in einer abgeschiedenen Räumlichkeit der Tyn-Kirche, direkt am Altstädter Ring. Jener Kirche, in der auch die sterblichen Überreste des dänischen Astronomen Tycho de Brahe ruhen. „Wir rechnen noch in diesem Jahr mit der Wiederaufstellung der Mariensäule“, verspricht Prags Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda in der Tageszeitung „Lidove noviny“. Ganz billig wird der Umzug der Mariensäule an ihren ursprünglichen Ort nicht werden. Obwohl es vom Kirchentor bis zum einstigen und neuen Standort nur 50 Meter sind, werden die Kosten auf zwei Millionen Kronen (800.000 Euro) geschätzt.

Erwartungsgemäß regt sich Widerstand gegen die Wiederaufstellung des katholischen Denkmals. Eine besonders originelle Idee hatte in diesem Zusammenhang das Enfant terrible der tschechischen Kunstszene, der frühere Chef der Nationalgalerie Milan Knizak: Um dem konfessionellen Konkurrenzkampf gerecht zu werden, könne man ja das „nicht gerade gelungene“ Hus-Denkmal abreißen – und somit ruhigen Gewissens auf die Aufstellung der Mariensäule verzichten. Doch mit dieser provokanten Einstellung steht er freilich ziemlich allein da.

Präsident Klaus und der Kardinal

Ein wohl nicht ganz zu unterschätzender Hintergrund: Der Prager Kardinal Dominik Duka ist persönlich mit Präsident Vaclav Klaus befreundet. Zwar soll Klaus – wie fast alle Tschechen– nicht wirklich christlich sein. Aber beim Tschechien-Besuch von Papst Benedikt XVI. vor drei Jahren zeigte er sich überraschend offen für die Werte der katholischen Kirche und ihres Oberhauptes. Einige Jahre zuvor noch hatte er die Katholiken mit einer „Kleingartengemeinde“ verglichen. In Prag geht nicht viel weiter, wenn Präsident Klaus aus der Höhe der Prager Burg ein Projekt nicht „absegnet“. Die Mariensäule würde also ohne seine Zustimmung niemals neu entstehen.

In so gut wie jeder mittleren oder kleineren tschechischen Stadt steht eine Mariensäule. Nur Prag macht da bisher eine Ausnahme. Doch wenn der Magistrat den Plänen des Prager Oberbürgermeisters zustimmt, dann wird es diese Sonderposition nicht mehr lange innehaben.

Auf einen Blick

Die Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag war ein Maria geweihtes Standbild auf einer Säule. Sie wurde 1650 von Kaiser Ferdinand III. aus Dank für die Rettung vor einem schwedischen Heer im Jahre 1648 am Ende des Dreißigjährigen Krieges gestiftet. Die Säule wurde 1918 zerstört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2012)

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