Wie Eva Rhodes langsam zu Tode geprügelt wurde

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Forensische Untersuchung in London geht hart mit ungarischen Ermittlungen ins Gericht. Die Schwester der Ermordeten sieht Verdacht der "Vertuschung" gestärkt.

Wien. Judith Majlath würde viel darum geben, nicht recht behalten zu haben. Doch wie so oft rund um den Mord an ihrer Schwester hat ihre dunkle Ahnung sie nicht getrogen: „Der Coroner in London hat meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Evi starb einen langsamen, grausamen Tod.“

Schon als die ungarisch-stämmige Britin Eva Rhodes im September 2008 in ihrem Geburtsland spurlos verschwand, war Majlath rasch klar gewesen, dass ihre Schwester ermordet worden war. Die ungarische Polizei glaubte das offiziell erst, als sie den Mörder hatte. Doch was wusste die Polizei wirklich? Warum gab es so viele Ermittlungspannen? Und warum übergibt die Justiz ihren Londoner Kollegen nicht, wie schon zigmal gefordert im Rahmen der EU-Justizzusammenarbeit, die Ermittlungsakten? Für Majlath sind das alles Puzzlesteine „einer einzigen großen Vertuschungsaktion“.

Dass die ungarischen Ermittler mangelhaft ermittelten, hat Majlath nun amtlich, vom Westminster Coroner. Der Coroner ist eine Institution des angelsächsischen Rechts, eine Art Leichenbeschauer mit Ermittlungsbefugnis und eigenem Gerichtssitz. Seine Aufgabe ist nicht, einen Mörder zu finden, aber die exakten Umstände eines verdächtigen Todesfalls festzustellen.

Die forensische Untersuchung stellte anhand der vorliegenden Knochen viele von den ungarischen Beschauern übersehene Verletzungen fest: Das Resultat sei „inkonsistent“ mit dem Geständnis des Täters. Der hatte angegeben, Rhodes auf dem Gelände des von ihr gegründeten Tierheims lediglich zweimal, erst mit der Faust, dann mit dem Stiel einer Axt, geschlagen und die Leiche dann verbrannt zu haben. Die untersuchten Knochen deuteten hingegen auf eine „länger andauernde körperliche Attacke“ hin, wie der Bericht sachlich-nüchtern festhält. Sprich: Die im Dorf als besserwisserische Ausländerin angefeindete Rhodes war von ihrem Peiniger (oder Peinigern?) langsam zu Tode geprügelt worden.

Gang nach Straßburg

Ein ungarischer Journalist mit besten Polizeikontakten (sein Vater ist Polizist) hat Majlath gegenüber die Tat auch genau so beschrieben – einen Tag, bevor die Polizei bei ihr anrief, um die Verhaftung des Mörders zu melden. Er wusste es, da er beim Lokalaugenschein 2009 dabei gewesen war. Das urteilsrelevante Geständnis des Täters wich demnach in einem entscheidenden Punkt von seinen Aussagen beim Lokalaugenschein ab. Ein Unterschied, der statt 13 Jahren Haft lebenslang bedeuten hätte können.

Dass man erst in London die vielen Verletzungsspuren entdeckt hat, sei auch kein Wunder, stellt der Bericht lakonisch fest, seien doch die meisten Knochen in Ungarn gar nicht von Erde gesäubert worden. Mit anderen Worten: Die ungarische Gerichtsmedizin hat schlicht ihren Job nicht getan. Das kann Nachlässigkeit sein, doch Majlath vermutet dahinter Absicht.

Das vernichtende Gutachten des Coroners gibt der streitbaren Frau nun die Möglichkeit, vor den Straßburger Menschenrechtsgerichtshof zu ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2012)

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