6,0 auf der Richterskala: Starkes Beben trifft Norditalien

Richterskala Starkes Beben trifft
Richterskala Starkes Beben trifft(c) AP Photo/Luca Bruno)
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Die Schockwellen des Erdbebens bei Bologna waren sogar noch bis nach Südtirol und in die Provinz Lombardei zu spüren. Der Einsatz der Rettungskräfte lief auf Hochtouren.

Rom. Es ist 4.04 Uhr in der Früh, als in der Emilia Romagna die Erde zu beben beginnt. Die Zeiger auf der Richter-Skala springen auf die Zahl 6,0 – das ist fast so stark wie damals, vor etwas mehr als drei Jahren, als ein Beben die Altstadt von L'Aquila in den Abruzzen fast vollständig zerstört hat. 300 Menschen kamen damals ums Leben, Zehntausende wurden obdachlos.

Auf einen Blick

Dieses Mal trifft es die Tiefebene nördlich von Bologna, das Epizentrum liegt zwischen Modena und Mantua, in dem Ort Finale Emilia westlich von Ferrara. Seine Folgen sind nicht so verheerend, doch ist der Erdstoß so stark, dass er bis nach Südtirol, Venetien und in die Lombardei zu spüren ist. Ein erstes Warnzeichen gibt es schon um kurz nach ein Uhr morgens, die Richterskala zeigt bei einem ersten Beben bereits 4,4. Der zweite Stoß wird nur 20 Sekunden dauern, doch er kommt aus nur zehn Kilometern unter der Erdoberfläche.Die Bilanz des Bebens nahe der italienischen Stadt Bologna lautet: sieben Tote und mindestens 50 Verletzte – darunter ein Feuerwehrmann, der bei einem starken Nachbeben am Nachmittag verschüttet wurde. Mindestens 3000 Menschen sollen ihre Häuser verloren haben, die meisten davon in der Provinz Modena. Stark betroffen waren auch die Renaissancestadt Ferrara, die zum Weltkulturerbe gehört, Bologna und Mantua. In der Nacht zum Montag gab es weitere Nachbeben, die eine Stärke von 3,7 erreichten. Die Apennin-Halbinsel ist tektonisch äußerst instabil und wird immer wieder von mittleren und schweren Erdbeben heimgesucht.

„Weiße Nächte“

Modena schläft noch nicht an diesem Morgen, es ist eine der sogenannten „Weißen Nächte“, die Italiens Städte im Sommer veranstalten, mit Festen, Feuerwerk und Kulturdarbietungen. In vielen Restaurants und Geschäften herrscht noch Betrieb, nur die Museen sind geschlossen. Die ursprünglich im ganzen Land geplante „Lange Nacht der Museen“ ist nach dem Bombenanschlag in Brindisi am Samstag abgesagt worden.

Die Apennin-Halbinsel ist tektonisch äußerst instabil und wird immer wieder von mittleren und schweren Erdbeben heimgesucht. Überall laufen Menschen in Panik auf die Straße, viele kennen dieses Gefühl, wenn die Erde plötzlich nicht mehr sicher ist. Viele sind im Schlafanzug, Alte und Kranke werden aus Heimen und Krankenhäusern evakuiert.

Noch ist am Sonntag das Ausmaß der Zerstörungen kaum zu ermessen: Häuser, Kirchen, Industriehallen sind eingestürzt, das Beben hat klaffende Löcher in Wände gerissen. Auch dieses Mal hat es Tote gegeben, sieben sind es bis zum Sonntag, dazu mindestens 50 Verletzte – darunter ein Feuerwehrmann, der am Nachmittag bei einem Nachbeben verschüttet wurde und in Lebensgefahr schwebt.

In dem kleinen Ort Sant'Agostino di Ferrara, der besonders stark betroffen ist, fallen drei Menschen dem Beben zum Opfer: eine 103-jährige Frau sowie zwei Arbeiter, die unter den Trümmern einer Keramikfabrik begraben werden. In Bondeno westlich von Ferrara wird ein Migrant aus Marokko in einer Industriehalle getötet. Besonders tragisch kommt auch eine 37-jährige Deutsche ums Leben: Sie hat offenbar aus Panik Atemnot bekommen und starb schließlich an Herzversagen.

Doch es gibt auch Geschichten von wundersamen Rettungen. Ein fünfjähriges Mädchen kann aus den Trümmern gerettet werden, weil ein befreundeter Arzt in den USA den Familienmitgliedern und Rettungskräften via Internet und Handy Anweisungen gibt. „Das ist ein Wunder“, sagt ihr Onkel Enrico Grillenzoni nach der Bergung.

Der Einsatz der Rettungskräfte lief am Sonntag auf Hochtouren. „Unsere oberste Priorität ist, dass die Menschen die kommende Nacht unter akzeptablen Umständen verbringen können“, sagt der Chef des Zivilschutzes, Franco Gabrielli, die Situation sei aber unter Kontrolle. Etwa 3000 Menschen sollen ihre Häuser verloren haben.

In Ferrara haben die Behörden einen Krisengipfel abgehalten, der Regionalpräsident der Emilia Romagna beantragt in Rom, dass über das Erdbebengebiet der Notstand verhängt werde. Staatspräsident Giorgio Napolitano bekundet Solidarität, Papst Benedikt XVI. schließt die Erdbebenregion in sein sonntägliches Gebet ein.

Sorge um Kulturdenkmäler

Dass in den vergangenen vier Jahrzehnten über 6000 Personen bei derartigen Naturkatastrophen starben, ist auch vom Menschen verschuldet. Denn viele Neubauten der Nachkriegszeit wurden meist unter Missachtung jeglicher Vorbeugemaßnahmen hochgezogen. Doch auch viele historische Bauten halten starken Beben nicht Stand, und auch dieses Mal wird der Schaden groß sein. Gerade die Gegend um Modena und Mantua ist reich an historischen Monumenten, die Stadt Ferrara gehört zum Weltkulturerbe der Unesco.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2012)

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