Hunger-Konferenz: Rüffel von Fischer und Schönborn

(c) REUTERS (SUSANA VERA)
  • Drucken

Der Kardinal und der Präsident forderten von der Regierung, Streichungen bei der Entwicklungshilfe zurückzunehmen. Nur Griechenland und Spanien kürzten 2011 mehr.

Wien. Ein Agnostiker und ein Kardinal können mehr gemeinsam haben, als man vermuten würde: Am Freitag bildeten Bundespräsident Heinz Fischer und Christoph Schönborn zum Auftakt der von der Caritas organisierten Konferenz „Zukunft ohne Hunger“ eine ungewöhnliche Koalition. Gemeinsam forderten sie, dass Österreich die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe zurücknehme. Diese Verpflichtung habe man schon deshalb, weil nach dem Zweiten Weltkrieg auch hungernde Österreicher Hilfe benötigten – und sie auch bekamen, meinte Fischer.

Österreich hat zwar zugesagt, ab 2010 einen Anteil von 0,5 Prozent des BIPs für Entwicklungshilfe auszugeben. Derzeit hält man – nach einer Kürzung um 14,3 Prozent – bei mageren 0,27 Prozent, wie die OECD kürzlich vorrechnete. Das eigentliche Ziel, bis 2015 0,7 Prozent des BIP zu erreichen, rückt damit in weite Ferne, was Caritas-Präsident Franz Küberl zu der sarkastischen Bemerkung veranlasste: „Immer wenn die Regierungen in letzten 20 Jahren versprochen haben, die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, haben sie sie gesenkt.“

Man nehme den Appell natürlich „sehr ernst“ meinte Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Waldner auf Anfrage: „Die Bundesregierung hält am 0,7-Prozent-Ziel fest, dafür setze ich mich auch persönlich stark ein. Natürlich hängt die Umsetzung mit der Budget-Situation zusammen.“

Nur die Krisenländer Griechenland und Spanien haben 2011 stärker gekürzt als Österreich.

15 Kilometer für frisches Wasser

Keine vorteilhafte Optik, gerade angesichts der sich verschärfenden Hungerkrise im Sahel: Dort sind aufgrund einer Dürreperiode laut UN-Zahlen bereits 18 Mio. Menschen akut von Unterernährung bedroht. In manchen Landstrichen müssten Frauen – sie werden qua Tradition meist als dafür zuständig erklärt – unter sengender Sonne bei 40 Grad 15 Kilometer weit gehen, um Wasser zu holen, berichtet Ambroise Tine, Generalsekretär der Caritas Senegal.

Wäre die Situation durch die Dürre nicht schon schlimm genug, so hat sie sich durch die politischen Wirren des vergangenen Jahres noch verschärft: Nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi mussten Gastarbeiter aus den Sahel-Staaten Libyen in Scharen verlassen. Damit fielen nicht nur auf einen Schlag die Überweisungen weg, die gerade jetzt so bitter nötig gewesen wären, die Rückkehrer liegen ihren Familien nun zusätzlich auf der Tasche.

Besonders prekär ist die Lage im Norden Malis, wo Tuareg-Rebellen und militante Islamisten Anfang April einen unabhängigen Staat ausriefen. Besonders für katholische Hilfsorganisationen wie die Caritas – die freilich ohne Anschauen der Religionszugehörigkeit hilft – ist die Lage extrem schwierig geworden: „Jeder normale Mensch würde da sagen: Da gehe ich nicht hin. Aber wir müssen es trotzdem versuchen, wir haben keine andere Wahl“, sagt Caritas-Mann Tine aus dem Senegal im Gespräch mit der „Presse“. Rund 200.000 Menschen wurden durch die Wirren in Mali entwurzelt, die Hälfte ist in Nachbarländer wie den Senegal geflohen, wo sie nun versorgt werden müssen.

Grafik: Die Presse

Doch das Thema Hunger ist nicht auf Afrika beschränkt. Es gibt ihn in großer Zahl in der Asien-Pazifik-Region (dort leben laut UN-Fachmann Amitava Mukherjee 60 Prozent der Unterernährten weltweit) – und es gibt ihn auch in unserer Nachbarschaft, in Osteuropa. Moldova war einst eine Kornkammer Russlands, berichtet die dortige Caritas-Chefin Otilia Sîrbu: „Heute haben wir Probleme, die eigene Bevölkerung zu ernähren.“

Auf einen Blick

Die Caritas lud Freitag/Samstag zur Konferenz „Zukunft ohne Hunger“ nach Wien. Unter den Teilnehmern waren EU-Kommissarin Kristalina Georgieva, Ex-EU-Kommissar Franz Fischler und der prominente Entwicklungshilfekritiker James Shikwati. Diskutiert wurde über die Auswirkungen des Klimawandels, über Spekulationen mit Lebensmitteln und über die Globalisierung des Agrarhandels.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Weltjournal

7 Milliarden Dollar nötig, um Hungerproblem zu lösen

Strategien zur Bewältigung des weltweiten Hungers gebe es genug, sagen Experten. In der Kritik steht die Kürzung von Hilfsgeldern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.