Nach Mord: Angst vor Nachahmern

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Auch zwei an Schulen geschickte Pakete mit Leichenteilen dürften von Mordopfer Lin stammen. Ein weiterer Fuß entpuppte sich als Attrappe. Die Eltern von Jun Lin trafen unterdessen in Montreal ein.

Ottawa. Die grausame Ermordung eines chinesischen Studenten in Montreal nimmt immer schockierendere Dimensionen an: Zwei menschliche Gliedmaßen, die in Paketen an Schulen in Vancouver eintrafen, waren in Montreal abgesendet worden – und sind vermutlich Körperteile des getöteten Studenten Jun Lin. Die Polizei in Montreal sieht starke Indizien, dass ein Zusammenhang mit dem Mord bestehen könnte, den der in Berlin festgenommene Luka Rocco Magnotta begangen haben soll. Endgültige Klarheit sollen DNA-Analysen bringen.

Die beiden Pakete waren Dienstag zur Mittagszeit an einer Grundschule und an einer Privatschule für Buben in Vancouver abgegeben worden. „Es war ein verdächtiges, stinkendes Paket“, sagte Bruce Morton, Leiter der Grundschule am False Creek. Montreals Polizeisprecher Ian Lafrenière teilte mit, man habe Grund, davon auszugehen, dass zwischen den Vorfällen in Vancouver und dem Mord an dem 33-jährigen Jun Lin eine Verbindung bestehe.

Die Pakete enthielten Gliedmaßen, die am verstümmelten Körper des Mordopfers bisher fehlten: die rechte Hand und der rechte Fuß. Es gibt bisher keinen Hinweis, dass sie von einem anderen Verbrechen stammen könnten oder neben dem verdächtigen Magnotta eine andere Person in das Verbrechen verwickelt sein könnte.

Leiche zwischen Müllsäcken

Die Ereignisse haben mit dem Eingang der Pakete in Vancouver möglicherweise aber noch kein Ende gefunden. Noch immer fehlt der Kopf des Opfers.

Unter Mordverdacht steht der 29-jährige Pornodarsteller Magnotta. Er soll vor zwei Wochen Jun Lin getötet, die Leiche zerstückelt und Körperteile versandt haben. Phasen der Tat wurden auf Video aufgenommen und ins Internet gestellt.

Eine Hand und ein Fuß waren wenige Tage später in der Hauptstadt Ottawa in Paketen gefunden worden, die an die Konservative und die Liberale Partei adressiert waren. Zugleich wurde in Montreal in einem Koffer zwischen Müllsäcken die Leiche des Studenten entdeckt.

Magnotta war zu diesem Zeitpunkt schon geflohen. Er wurde zu Wochenbeginn nach einer mehrtägigen internationalen Fahndung in einem Internetcafé in Berlin-Neukölln festgenommen. Die kanadischen Behörden hoffen auf eine schnelle Auslieferung Magnottas. Der Verdächtige hatte zu verstehen gegeben, dass er keinen Einspruch erheben werde, was das Verfahren beschleunigen würde. In Berlin wies man allerdings darauf hin, dass Magnotta noch nicht formal auf dieses Einspruchsrecht verzichtet habe und seine Meinung daher noch ändern könne.

„Sehr, sehr schlechter Witz“

Die Eltern und weitere Familienangehörige von Jun Lin trafen unterdessen in Montreal ein. Die Familie hatte den 33-jährigen bereits als vermisst gemeldet, als das Verbrechen noch nicht entdeckt worden war. In Montreal, das eine große asiatische Gemeinde hat, haben sich nach Aussagen von Montreals Polizeisprecher Lafrenière viele Menschen gemeldet, die die Familie Jun Lins finanziell unterstützen wollen.

Die bisher gefundenen vier Pakete enthielten schriftliche Nachrichten. Über den Inhalt wollte sich Lafrenière nicht äußern, nicht nur aus ermittlungstechnischen Gründen, sondern auch, um keine Nachahmungstäter zu inspirieren. Wie berechtigt diese Befürchtungen sind, zeigte sich am Mittwochmorgen. Ein Bewohner Montreals fand beim Spaziergang einen menschlichen Fuß und löste damit heftige Ermittlungsarbeit der Polizei aus, die zunächst von der Echtheit des Fußes ausging.

Erst eine genauere forensische Untersuchung ergab, dass es sich um einen künstlichen Fuß handelte, wie er in Filmen verwendet wird. „Er sah extrem echt aus“, erklärte Lafrenière, der den Vorfall mit den Worten kommentierte: „Das war ein sehr, sehr schlechter Witz.“

Auf einen Blick

Der Porno-Darsteller Luka Magnotta (29) soll den 32-jährigen chinesischen Studenten Jun Lin vor zwei Wochen in Montreal mit einem Eispickel ermordet haben. Einige Körperteile habe er in Paketen an Parteien und an zwei Schulen in Vancouver versandt. Der mutmaßliche Mörder wurde Anfang der Woche in Berlin verhaftet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2012)

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