Rio-Umweltkonferenz: Scheitern mit Ansage

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Umweltverbände sind entsetzt, viele EU-Länder enttäuscht: Das Schlussdokument enthält keine Ziele für ein nachhaltiges Wirtschaften. Österreichs Umweltminister Berlakovich sagte seine Teilnahme frustriert ab.

Wien/Buenos aires/Rio de janeiro. Es war ein Absturz mit Ansage: Als Ende der Vorwoche Delegationen von 190 Staaten ohne Verständigung über eine künftige Kombination von Ökologie und Ökonomie auseinandergingen, wurde klar, dass der UN-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20, der am gestrigen Mittwoch begann, ohne greifbare Resultate enden wird. Und noch ehe mehr als 100 Staatschefs in der Stadt unterm Zuckerhut landeten, in die zum Gipfel bereits nicht weniger als 30.000 Menschen gereist waren, war ein Text verabschiedet worden, der das dafür verbrannte Flugbenzin wohl nicht rechtfertigte.

Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) zog für sich daraus den Schluss, dass es sinnlos sei, überhaupt hinzufliegen – und sagte im Gegensatz zu Außenamtsstaatssekretär Wolfgang Waldner seine Teilnahme kurzfristig ab: „Ich bin enttäuscht, das ist ein Gipfel der vertanen Chancen. Die Konferenz war eigentlich bereits zu Ende, bevor sie begonnen hat“, sagte Berlakovich im Gespräch mit der „Presse“.

Schwellenländer bremsen

Dies liege auch an der Verhandlungsführung Brasiliens, das vor allem an seine eigenen Interessen gedacht habe: „Länder wie Brasilien, China oder Indien sind nicht bereit, sich internationalen Regelungen zu unterwerfen. Jetzt sieht man das Ergebnis.“

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wollte zudem nicht erleben, dass sich ein ähnliches Debakel zuträgt wie auf der Weltklimakonferenz von Kopenhagen 2009. Damals waren die Dokumente nicht fertig verhandelt worden, was dazu führte, dass die Regierungschefs abreisten, ohne irgendetwas unterschrieben zu haben. Nun wählte Brasiliens Außenminister António Patriota einen anderen Weg: Er präsentierte am Dienstagabend irgendetwas. Der 50-seitige Text der Schlusserklärung des Erdgipfels, den Patriota als definitiv verkündete, umschifft mit eleganten Formulierungen alle ungelösten Streitpunkte.

Das Schlussdokument beinhaltet nicht das von Umweltverbänden geforderte Ende staatlicher Subventionen für fossile Brennstoffe. Regierungen fördern die Klimakiller weltweit mit 500 Mrd. Euro pro Jahr. Ebenso wenig weist es Schutzzonen in den Ozeanen aus. Und auch die Zahlungsverpflichtung von 30 Milliarden Dollar jährlich für die nachhaltige Entwicklung in armen Ländern war in Zeiten der Weltwirtschaftskrise nicht durchsetzbar.

Für viele Umweltschützer wurde die Megakonferenz 20 Jahre nach dem optimistischen Umweltgipfel an gleichem Ort zu einem Rückfall. Viele nennen Rio+20 bereits Rio-20. „Ein episches Scheitern“ bedeute der Text, der noch dazu den Titel „Die Zukunft, die wir wollen“ trägt, wettert Greenpeace-Exekutiv-Direktor Kumi Naidoo. „Wenn die Präsidenten wirklich das unterzeichnen, was hier auf dem Tisch liegt, geben sie Rio+20 der Lächerlichkeit preis“, sagte Jim Leape, Direktor des World Wildlife Fund (WWF).

Skeptisch bei „grüner Wirtschaft“

Tatsächlich findet die zweite Rio-Konferenz in einem wesentlich ungünstigeren Weltklima statt als 1992. Während damals Aufbruchstimmung herrschte, hängt heute die europäische Krise wie eine dichte Wolke über Rio. Brasilien, einer der Boomstaaten der vergangenen Jahre, ist ins Stottern geraten, die Regierung versucht, das Industriewachstum wieder anzukurbeln. Da haben Verfechter eines nachhaltigen Wirtschaftens einen schweren Stand.

Viele Entwicklungsländer vermuten hinter den ökologischen Forderungen aus Europa in Wahrheit wirtschaftliche Interessen. „Wir bewegen uns auf einen neuen Handelskrieg zu“, sagte Silvia Révora, die Umweltstaatssekretärin Argentiniens. Hinter dem Konzept der „grünen Wirtschaft“ versteckten sich in Wirklichkeit Unternehmensstrategien, die via Zertifizierungssiegeln und Herstellungsstandards auf Marktkontrolle abzielen.

Auf einen Blick

Bis Freitag findet in Rio noch die Großkonferenz Rio+20 statt, der sogenannte „Nachhaltigkeitsgipfel“. Besonders die EU-Länder sind sehr enttäuscht, dass in der Schlusserklärung keinerlei ambitionierte Ziele zu finden sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2012)

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