Die akademische Seife: Riechen wie die Zauberflöte

akademische Seife Riechen Zauberfloete
akademische Seife Riechen Zauberfloete(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Philosoph, Germanist und Naturkosmetiker Wolfgang Lederhaas "verseift" Romane aus der Zeit um 1800 oder die "Zauberflöte" für Harnoncourt.

Eigentlich ist es nur ein kleines quadratisches Stück Seife, nicht einmal 100 Gramm schwer und dazu da, uns vom Dreck des Alltags zu befreien. Wolfgang Lederhaas macht ein bisschen mehr daraus. Muss er auch, bei Preisen um die zwölf Euro das Stück. Der gelernte Philosoph, Germanist und mittlerweile Naturkosmetiker hat schon Weltliteratur in seine Seifenformen in der Wiener Manufaktur in der Leopoldstadt gepresst. Er hat sozusagen seine Lieblingsbücher aus der Zeit um 1800 verseift – beziehungsweise jene Pflanzen, die darin vorkommen. „Die romantische Literatur ist voller Natur“, sagt Lederhaas.

Sein neuestes Werk widmet sich hingegen der Musik, genauer gesagt der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart, deren Neuinszenierung am Freitag bei den Salzburger Festspielen Premiere gefeiert hat. In Auftrag gegeben hat diese „Zauberseife“, die nach Rosen, Zypressen und Lorbeer riecht, niemand Geringerer als Nikolaus Harnoncourt selbst. Für Lederhaas war das aber keine gewöhnliche Auftragsarbeit: „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich seit 20 Jahren Nikolaus Harnoncourt verehre? Er ist einer der bedeutendsten Dirigenten der Welt und hat einen Einfluss auf die Interpretationsgeschichte, den wir heute noch gar nicht ermessen können“, sagt er und setzt sein Loblied auf den Künstler fort. Um dann abzuschließen: „Ermessen Sie bitte daran, wie groß meine Freude war, mit dieser Institution, mit dieser Person zusammenzuarbeiten.“


Mit akademischem Hintergrund. Überhaupt spricht Lederhaas nicht wie ein gewöhnlicher Seifensieder – sofern es den heute überhaupt noch gibt –, sondern viel eher wie jemand, der seinen akademischen Hintergrund nicht verbergen will. „Man fragt sich natürlich, wie ein Philosoph, der in der Diplomatischen Akademie eine Abteilung geleitet hat und auch Assistent des Direktors war, zur Naturkosmetik kommt“, stellt er in den Raum, um dann gleich die Antwort zu geben. Es ging ihm darum, die Ästhetik und die Schönheit, die in der Literatur, der Musik oder generell in der Kunst liegen, sinnlich erfahrbar zu machen. „Ich wollte vom Denken ins Riechen. Und mir war das Produzieren wichtig.“

Dass es ausgerechnet die Seife wurde, liegt daran, dass Lederhaas schon länger für den Eigenbedarf Kosmetikprodukte in seiner Küche hergestellt hatte. „Ich wollte wissen, was in den Produkten ist. Ich bin da sehr nerdy und freaky und habe mir das anfangs selbst beigebracht.“ Es folgten Ausbildungen zum Aromatherapeut und Naturkosmetiker. Irgendwann, als er überlegte, wie er sich verändern könnte, meinte ein Freund: „Mach doch Kosmetik, das kannst du ja.“


Waschen mit Undine. Lederhaas dürfte damit den Nerv der Zeit getroffen haben. Immerhin kommt auch bei der Kosmetik alles, was aus der Natur stammt und auf Chemie, synthetische Inhaltsstoffe oder Cellophanverpackungen verzichtet, gut an. Wenn das Ganze dann noch mit etwas Hochgeistigem, Intellektuellen verbunden wird, umso besser. Die Zauberflöten-Seife ist vorerst nur für Harnoncourt selbst gedacht. Er will die 120 Stück an Sänger, Musiker und Freunde verschenken. Lederhaas schließt aber nicht aus, dass sie auch verkauft wird – natürlich nur nach Absprache mit dem Maestro.

Die „Lederhaas Collection Box 1800“, die um stolze 80 Euro zu haben ist – dafür gibt es sechs Seifen namens Undine, Heinrich, Eckbert, Hyperion, Florentin und Lucinde –, wird in jenen Geschäften verkauft, die sich zum gehobenen Fachhandel zählen. Auch eine neue Collection-Box ist schon in Planung. Diesmal soll ein zeitgenössischer Künstler, besser gesagt drei seiner Werke, eine Hommage in Form von Seife erhalten. Lederhaas will jedes Jahr eine Box herausbringen. „Ideen habe ich eigentlich bis zum Jahr 2025.“

Aber wie verpackt man nun Literatur in eine Seife? Und woher weiß der 36-Jährige, wie etwa ein Hyperion von Friedrich Hölderlin oder eben Mozarts Zauberflöte riechen? „Ich habe das Libretto gelesen. Und mir angesehen, was da alles vorkommt.“ Das wären bei der Zauberflöte Zypressen, Lorbeer, Rosen, Eichen, Stroh und Palmen. „Die müssen natürlich rein, aber man braucht noch andere Inhaltsstoffe.“ Also hat er sich für die Rose als Herznote entschieden. Immerhin ist für ihn die Zauberflöte eine „berührende, entzückende Oper.“ „Ich will alle Sinne berühren, wir haben ja viel mehr als fünf. Man soll die Augen zumachen, riechen und sagen: Ah, das ist die Zauberflöte.“ Bei Hölderlins Hyperion ging er ähnlich vor. Das Ganze spielt in Griechenland, also musste die Basis Olivenöl sein. „Auf jeder zweiten Seite kommen Pflanzen vor. Etwa blühende Thymianfelder oder eine Luft voller Lorbeer.“ Auch das musste rein.

Im Gegensatz zur Seifenindustrie, bei der Seifenflocken mit ein paar Duftstoffen vermischt und recht flott gepresst werden, dauert es bei Lederhaas, der mit einer Angestellten und hin und wieder mit Praktikanten arbeitet, schon etwas länger.


Reifen wie guter Wein. Zuerst kommen kaltgepresste Pflanzenöle – Raps- oder Sonnenblumenöl aus Österreich, Kokosfett von den Philippinen, allerdings bio und fair trade – in einen großen Topf, dann kommt die Lauge hinzu. „Darauf reagiert das Pflanzenöl und der Verseifungsprozess beginnt. Man muss dann schnell sein mit dem Gießen, sonst wird es hart.“ Als Duft- und Wirkungsstoffe kommen Naturstoffe wie ätherische Öle, Hydrolate oder CO2-Extrakte hinzu. In der Form muss die Seife etwa einen Tag ausformen.

Dann kommt der wichtigste Part: der Reifungsprozess. „Das ist wie beim Wein. Eine gute Seife braucht Zeit. Je älter sie ist, desto milder.“ Bis zu einem halben Jahr wird sie gelagert. Erst dann ist sie fertig und bereit, Mozart, Novalis oder Hölderlin im Badezimmer zu unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2012)

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