Wien Energie: Ostgeschäft Problem für Wiens Budget

Wien Energie Ostgeschaeft Problem
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Interne Papiere offenbaren Investitionen in der Höhe von 778 Mio. Euro. Ein Teil des Geldes dürfte verloren sein. Trotzdem, sagt der Konzern, sei der Spargrund ein anderer.

Jahr für Jahr überwies die Wiener-Stadtwerke-Holding ihrem Eigentümer, der Gemeinde Wien, Millionenbeträge ins klamme Zentralbudget. 2012 wird der Geldfluss versiegen: Das erste Mal seit langer Zeit ist ein Verlust prognostiziert. Ein alle Teilunternehmen treffendes Sparprogramm ist auf Schiene. Nun stellt sich die Frage: Warum?

Vertrauliche Geschäftspapiere aus einer Klausur des Konzernvorstands (Sommer 2010) könnten eine Erklärung dafür liefern. Der „Presse“ liegen diese Papiere vor. Das Dokument „Internationale Beteiligungsentwicklung“ zeigt, dass die Stadtwerke-Tochter Wien Energie in Osteuropa im großen Stil in das Geschäft mit Wind- und Wasserkraft eingestiegen war bzw. einsteigen wollte (siehe Grafik). Alles in allem war beabsichtigt, bis 2015 die Summe von 778 Millionen Euro in eine Reihe minutiös aufgelisteter Standorte zu investieren. Ein Geschäft, das nicht aufging?

--> Auszüge aus der Ost-Strategie

Zumindest der Betriebsrat der ebenfalls zur Wien Energie gehörenden Fernwärme Wien sieht das so. Anfang April sprach sich dieser in einem Schreiben an die Belegschaft gegen den allgemeinen Sparkurs aus. Es sei nicht einzusehen, warum die „riskanten Auslandsgeschäfte der Wien Energie in den neuen EU-Staaten“ plötzlich zum Problem der Fernwärme – einem Tochterunternehmen – werden sollten. Die Kritik der Personalvertretung könnte mehr sein als gewerkschaftliche Kampfrhetorik. Der Betriebsrat der Fernwärme sitzt nämlich im Aufsichtsrat der Wien Energie – und hat somit Zugriff auf alle vertraulichen Geschäftsunterlagen. Für die „Presse“ war er für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

„Keine Verlustbringer“

Gänzlich anders kommentieren Stadtwerke und Wien Energie ihre massive Auslandsbeteiligung. „Die Geschäfte in Osteuropa sind nicht die Ursache für den Sparkurs“, heißt es aus dem Holding-Vorstand. Bei Wien Energie geht man einen Schritt weiter und sagt: „Unsere Investitionen im Ausland sind keine Verlustbringer.“

Die Durchsicht der Bilanzen lässt auch auf anderes schließen. Die Tochterfirma in Rumänien wies zuletzt ein Ergebnis von minus 1,9 Mio. Euro aus. Jene in Ungarn machte im Vorjahr zwar Gewinn (1,1), produzierte davor jedoch auch tiefrote Zahlen (-1,6 Mio.). Das Gleiche galt 2010 für die Windparks in Polen sowie die Beteiligung an der Energy Eastern Europe Hydro Power, die Kleinkraftwerke am Balkan hält. Gleichzeitig verschlechterten sich mehrere betriebswirtschaftliche Kennzahlen der Wien Energie dramatisch. Jahresüberschuss: -27,2 statt zuvor 62,6 Mio. Euro. Betriebsergebnis: -29,8 statt zuvor -4,1 Mio. Bilanzgewinn: 3 statt zuvor 62,6 Mio.

Laut Wien Energie gibt es dafür allerdings andere Gründe als die Ostgeschäfte. Erstens: Aufgrund von Umstrukturierungen sei die aktuelle Bilanz nicht mit der des Vorjahres zu vergleichen. Zweitens: Die Bedingungen am Energiemarkt hätten sich für das Unternehmen teils dramatisch verschlechtert. Das Unternehmen produziere 90 Prozent seines Stroms in Gaskraftwerken. Weil der Gaspreis stieg, jener für Strom jedoch sank, rechne sich das Kerngeschäft immer weniger.

Und trotzdem kündigte der Eigentümer, die Stadtwerke Holding, im Juni an, sich aus Auslandsprojekten zurückzuziehen. Und das, obwohl diese – wie Wien Energie sagt – keine Verlustbringer sind?


Unternehmenssprecher Christian Ammer räumt ein, dass sich natürlich da und dort Rahmenbedingungen wie beispielsweise Ökostrom-Förderungen durch die öffentliche Hand zum Nachteil der Wien Energie geändert haben könnten. Und ja, man werde sich „aus dem Ausland zugunsten österreichischer Projekte teilweise zurückziehen“. Welche Kraftwerke das trifft, wie viel dort bereits investiert wurde und – wenn überhaupt – mit welchen Verlusten man bei einem Verkauf rechnen müsse, gebe man nicht bekannt. „Das würde unsere Verhandlungsposition verschlechtern.“

Die Liste an möglichen Kandidaten ist lang. Investiert wurde in 20 Wind- und 46 Wasserkraftwerke. Die Standorte sind auf die Länder Polen, Rumänien, Bulgarien, Slowakei, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Mazedonien verteilt. Die größten Vorhaben betreffen Polen (Dzialdowo; geplantes Gesamtinvestment mit Partnern: 102 Mio. Euro), Rumänien (Solesti; 65 Mio.) und Ungarn (Levél; 78,7 Mio.).

Kontrollamt warnte

Selbst wenn die Wien Energie derzeit ein Geheimnis aus der Geschäftsgebarung der Osttöchter macht: 2010 standen zumindest die Geldflüsse dorthin am Prüfstand des Kontrollamts. Die Unternehmen selbst blieben außen vor. Neben vorsichtigem Lob („die Forcierung erneuerbarer Energie ist grundsätzlich positiv“) wurden damals das fehlende Risikobewusstsein im Konzern sowie die schlechte Information des Aufsichtsrates über die Ostgeschäfte bemängelt.

Eine Kritik, der sich heute die politische Opposition, konkret die FPÖ, anschließt. „Vielleicht wäre es besser, auch uns ab einer gewissen Größe die Nominierung eines Aufsichtsrats zu gewähren“, ätzt Gemeinderat Dietbert Kowarik. Der Vorsitzende des Kontrollausschusses spielt hiermit darauf an, dass die Ostgeschäfte wohl auch auf Wunsch des Rathauses (bzw. der SPÖ) eingegangen wurden. Immerhin sitzen mit Dietmar Griebler (Präsidialchef im Rathaus und damit einer der engsten Mitarbeiter von Michael Häupl) und Stephan Stüger (Bezirksrat Margareten) gleich zwei dezidierte „Rote“ im Aufsichtsrat. Kowariks Parteichef, Johann Gudenus, geht sogar noch weiter und behauptet, die Wien Energie hätte im Osten zuletzt 40 Mio. Euro verloren. Zahlen, die das Unternehmen nicht bestätigt.

(c) Die Presse / JO

Doch das Kontrollamt ortete damals in dem von Politik und Öffentlichkeit völlig ignorierten Bericht noch weitere Mängel. Zitat: „Dem gesamten Finanzmitteleinsatz stehen nur geringe Rückflüsse gegenüber.“ In anderen Worten: Rentabel war das Engagement schon damals nicht. Dafür riskant, konstatierten zumindest die Kontrollore. Für alle Projekte im Ausland suchte man sich jeweils nur einen Partner. Laut Bericht „bemerkenswert“: Die Hauptverantwortung für die Kapitalausstattung lag stets bei der Wien Energie.

("Die Presse" Printausgabe vom 23.8.2012)

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