Wilhelminenspital: Neubau steht halb leer

Wien Spitalsneubau steht halb
Wien Spitalsneubau steht halb(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Fast zehn Millionen Euro kostete die Palliativstation im Wilhelminenspital. Genutzt wird die Einrichtung kaum. Grund: Die Stadt will Patienten und Personal "langsam an das Thema heranführen".

Ein Fabrikant, der den neuen Produktionsstandort mangels Personal nicht betreiben kann, schadet in erster Linie sich selbst. Und sorgt bei Mitbewerbern allenfalls für Heiterkeit. Bei Projekten der öffentlichen Hand ist das anders.

Insbesondere dann, wenn es um kostenintensive Spitals(neu)bauten geht. Läuft dort etwas schief, fühlen sich Steuerzahler, Mediziner und Patienten gleichermaßen betroffen. Die Leerlaufkosten für die teuren Bauten sind nämlich hoch. Heiterkeit ist nicht angebracht.

Entsprechend gedrückt ist derzeit die Stimmung bei einigen Ärzten, die mit Skepsis auf das Wilhelminenspital blicken. Das neue Prunkstück der Klinik in Wien-Ottakring, die Palliativstation, steht nämlich halb leer. Das um 9,2 Mio. Euro errichtete Gebäude kann derzeit nicht vollständig betrieben werden. Grund: Es gibt einfach nicht genügend Personal.


Nur fünf Betten nutzbar. Dabei wurde das Prestigeprojekt von Stadt und Krankenhausleitung Anfang Juni der Öffentlichkeit ganz anders verkauft. Zu Besuch bei Spitalsdirektorin Barbara Hörnlein waren bei der „Eröffnung 14 stationärer Betten“ (so der beiliegende Pressetext) u. a. Michael Häupl (Bürgermeister und Hörnleins Ehemann) sowie Sandra Frauenberger (Stadträtin für Gemeindebedienstete). Sonja Wehsely (Gesundheitsstadträtin) schickte Grüße, der ORF ein Kamerateam. Und auch in der medizinischen Fachwelt stieß das Projekt auf großes Interesse. In Fachzeitschriften war schon vorher mehrfach über die für Wiens Gesundheitssystem wichtige Einrichtung berichtet worden.

Was man bisher allerdings nicht erfuhr: Bis zuletzt waren nur fünf der 14 Betten nutzbar. Inzwischen wurde auf sieben Betten erweitert. Der Rest der Millioneninvestition liegt brach. Ein großer Teil der Betten ist gesperrt.

Das stört neben den Steuerzahlern vor allem Mediziner, die ihre todkranken Patienten – genau diesen widmet sich die vergleichsweise junge Disziplin – gern dorthin überweisen würden. Im Haus selbst sind da etwa die vier Krebsstationen mit Schwerpunkt Blutkrebs, aber auch andere Spitäler müssen derzeit auf Palliativbetten außerhalb des städtischen Krankenanstaltenverbundes (KAV) zurückgreifen, zum Beispiel auf jene im Hospiz Rennweg oder im Krankenhaus Göttlicher Heiland. „Eine Schande“, wie es ein Arzt und eine Ärztin im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ formulieren.

Wie kam es dazu? Tatsache ist, dass Personal fehlt. Bereits im Frühling sagten zwei bestens qualifizierte Ärztinnen für die Leitung der Station ab. Begründung: Die verlangten Dienstzeiten zwischen 8 und 16 Uhr seien für sie und ihre Mitarbeiter keine Option. Oder anders formuliert: Wegen der wegfallenden Nachtdienste wären die Verdienstmöglichkeiten für ohnedies nicht gerade fürstlich entlohnte Gemeindeärzte zu gering. Schlussendlich ließ sich nur eine einzige Medizinerin, laut Webseite des Spitals ist sie noch Assistenzärztin, auf die Sache ein. Ihre übrigen Ärztekollegen, die nun den Rumpfbetrieb ermöglichen, arbeiten von anderen Stationen aus zu.

Ging der Versuch, ein neues Arbeitszeitmodell an einer neuen Station einzuführen, daneben? Nein, sagt Spitalsdirektorin Barbara Hörnlein. Es sei zwar richtig, dass man derzeit in ganz Wien und auch in ihrem Spital an neuen Optionen für Dienstpläne von angestellten Ärzten arbeite. Eine Beschäftigungszeit von 8 bis 16 Uhr entspreche aber schon jetzt der Regel.

Die Personalvertretung widerspricht dieser Darstellung. Und zwar deutlich. Doris Lubec (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) sagt, dass Ärzte im medizinischen Betrieb „eigentlich immer“ von 8 bis 13 Uhr Dienst tun. Zuzüglich der finanziell attraktiven Nachtdienste. Um auf die vertraglich vorgesehene 40-Stunden-Arbeitswoche und darüber zu kommen, sind die ersten drei Nachtdienste im Monat unbezahlt, vier sind Pflicht. Arbeitszeiten von 8 bis 16 Uhr seien daher „die absolute Ausnahme und nur für Ärzte im administrativen Dienst vorgesehen“.

Seit längerer Zeit schon arbeiten der KAV (der knapp 3400 Ärzte beschäftigt) und die Personalvertretung an neuen Modellen und testen sie. Unter anderem in Hietzing, aber eben auch im Wilhelminenspital. Aus Verhandlerkreisen hört man, dass die Berater des KAV vor allem in der Streichung der teuren (und für Ärzte deshalb finanziell interessanten) Nachtdienste großes Einsparpotenzial sehen. Was die Ärzte nicht freut, und gleichzeitig das Personalproblem der neuen Palliativstation verdeutlicht.

Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer, will sich zwar prinzipiell Modellen nicht verschließen, die mehr Arbeitszeit in den Tag verlegen. „Ärzte mit Familie würden das genießen.“ Aber es müsse für diese Personen Möglichkeiten geben, auf ein angemessenes Gehalt zu kommen.


Know-how ist da. Trotzdem ist es vielen Medizinern unverständlich, warum die Palliativstation im Wilhelminenspital von einem Vollbetrieb meilenweit entfernt ist. Das Know-how ist nämlich da. Der Abteilungsvorstand, Heinz Ludwig, genießt in der noch jungen Sparte der Betreuung unheilbar Kranker einen ausgezeichneten Ruf. Das um ihn arbeitende Team ebenso. Seit 2008 schon bietet das Spital einen mobilen Palliativdienst, der jährlich 450 Patienten versorgt.

Trotzdem. Im KAV heißt es auf Anfrage, dass der Aufbau einer Station dieser Art nur schrittweise funktionieren könne. Geeignetes Personal zu bekommen, sei schwierig und die Entscheidungen Einzelner, die verlangten Dienstzeiten nicht zu akzeptieren, kein systemisches Problem. Spitalschefin Hörnlein spricht davon, Patienten und Personal „langsam an das Thema Palliativmedizin heranführen“ zu wollen. Spätestens bis Jahresende, vielleicht noch im November, könne die Station dann aber in Vollbetrieb gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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