Gesundheit: So (un)zufrieden sind Wiens Patienten

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Aktenkundige Beschwerden bei der Wiener Pflege- und Patientenanwaltschaft erreichten mit 2914 im Jahr 2011 ein historisches Hoch. Patientenanwältin Sigrid Pilz will die Spitalsqualität messbar machen.

Wien/Awe. Wie die Meinung über die Qualität des Wiener Gesundheitssystems ausfällt, hängt davon ab, wen man fragt. Die Wiener Pflege- und Patientenanwaltschaft hat die Akten von Beschwerdefällen aus dem Jahr 2011 ausgewertet, analysiert und interpretiert. Das Ergebnis liegt nun vor.

Was zuerst auffällt: Die Zahl der bearbeiteten Fälle war noch niemals zuvor derart hoch. 2914 Akten hat die Beschwerde- und Schlichtungsstelle im Vorjahr angelegt (2010 waren es 2506). Die Zahl der Anfragen insgesamt erreichte mit 12.174 ebenfalls einen Rekordwert (2010: 11.228). Bauen Wiens Spitäler und niedergelassene Ärzte also ab?

„Nicht automatisch“, sagt Sigrid Pilz, als Abgeordnete der Grünen einst eine der größten Kritikerinnen der Gesundheitsversorgung der Hauptstadt. Seit Juli 2012 ist sie Patientenanwältin und verantwortet den aktuellen Bericht mit, der noch vollständig in die Amtszeit ihres Vorgängers Konrad Brustbauer fällt.

Pilz sagt, dass Fallzahlen über Beschwerden allein nämlich nur einen kleinen Ausschnitt über die Leistungsfähigkeit des Systems an sich zeigen. Patienten von heute wären selbstbewusster als noch vor wenigen Jahren, suchten deshalb ganz automatisch unabhängige Kontrollinstanzen auf. Trotzdem liefert der Bericht einen detaillierten Einblick in die subjektive (Un-)Zufriedenheit der Patienten. Aufgeschlüsselt nach Spitälern zeigt sich, dass insbesondere die Unfallspitäler am unteren Ende der Beliebtheitsskala rangieren (siehe Grafik unten).

AKH unter dem Durchschnitt

Im UKH Meidling beschwert sich statistisch gesehen jeder 162., im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus jeder 187.Patient. Auch die Universitätskliniken im zentralen AKH schneiden mit der Beschwerde jedes 347. Patienten weit unter dem Wiener Durchschnitt (jeder 433.) ab. Zum Vergleich: An der Spitze des Rankings liegen weit vorn das auf die Versorgung geriatrischer Patienten spezialisierte Sophienspital (jeder 1509.) sowie das Krankenhaus Hietzing mit dem Neurologischen Zentrum Rosenhügel (jeder 830.).

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als bestünde in manchen Spitälern akuter Handlungsbedarf. Erst bei genauerem Studieren der Statistik zeigt sich, dass man den betroffenen Kliniken damit – zumindest teilweise – Unrecht täte, denn: Traditionell komplikationsreiche, weil von ihrer Natur aus „riskantere“ Fächer wie Chirurgie, Unfallchirurgie, Innere Medizin und Orthopädie führen ganz automatisch zu mehr Beschwerden. Allein die genannten vier bringen es auf 52 Prozent aller Beschwerden. Auch genau diese vier Fächer sind es, die in den – statistisch – schlecht abschneidenden Spitälern einen hohen Stellenwert haben. Die verbliebenen 48 Prozent der Beschwerdeakten verteilen sich nämlich auf 13 weitere Kategorien.

Patientenanwältin Pilz glaubt daher, dass diese Methode des Vergleichs „nicht mehr zeitgemäß“ ist. Sie will sich in den nächsten Jahren dafür einsetzen, dass Wiens Spitäler ihren Patienten einen echten Vergleich nach qualitativen Kriterien wie zum Beispiel der Komplikationsrate, Sterblichkeit oder ungeplanten Nachoperationen anbieten. Seriös funktionieren könne das jedoch nur, wenn man Stationen mit Stationen vergleiche, nicht aber ganze Spitäler mit zum Teil völlig unterschiedlichen Schwerpunkten. Beim städtischen KAV habe sie diesen Wunsch inzwischen auch deponiert. „Zumindest intern arbeiten sie schon daran.“

Wobei: Interne, den Patienten nicht zugängliche Programme zur Qualitätsmessung gibt es in vielen Privatspitälern und Facharztverbänden schon lange. „Das Problem für die Patienten ist, dass diese Daten in Österreich entweder gar nicht oder nur anonymisiert veröffentlicht werden“, kritisiert der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Dass es auch anders geht, zeigen die 72 deutschen Helios-Kliniken. Sie veröffentlichen Behandlungsergebnisse und machen ihre Arbeit für die Patienten transparent und vergleichbar.

Service

Neue App: Eine neue Anwendung für Smartphones und Tablets soll Patienten im Alltag mehr Sicherheit bringen. Das kostenlose Tool, das gestern, Mittwoch, von Gesundheitsminister Alois Stöger vorgestellt wurde, bietet unter anderem interaktive Checklisten, Suchfunktionen und erinnert auf Wunsch an die Einnahme von Medikamenten.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.patientensicherheit-online.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2012)

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