Naschmarkt: Graffiti mit Genehmigung der Stadt

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In der Graffiti-Szene gilt der Naschmarkt als der erklärte Hotspot der Stadt. Mittlerweile gibt es dort ein groß angelegtes Graffiti-Kunstprojekt. Die Kunstwerke am Naschmarkt werden ganz legal geschaffen.

Wien. Gut, besprüht waren sie schon immer. Wer sich an einem Abend dem Naschmarkt genähert hat, hat sie schon von Weitem gesehen. Die grünen Rollläden, die das typische Bild des Naschmarkts nach Ladenschluss ausmachen – und die von oben bis unten mit Graffiti verziert sind. Doch seit einigen Monaten ist das anders. Seither sind rund um das Noch-immer-Szenelokal Neni großflächige Graffiti auf den grünen Flächen zu sehen. Die Buchstaben A und E zieren da einen ganzen Marktstand, ein Comic-Männchen mit einer Spraydose ist auf dem nächsten zu sehen, und der belgische Street-Art-Superstar Roa hat auf ganzen drei Rollläden einen schlafenden Steinbock hinterlassen.

Hinter dem Projekt steht die Wiener Galerie „Inoperable“. Deren Besitzer, Nicholas Platzer – ein gebürtiger US-Amerikaner –, hat das Projekt gemeinsam mit seiner Kollegin Nathalie Halgand ins Leben gerufen. Die Idee dafür kam Platzer im Zuge einer Reise nach Barcelona. „Dort ist das Besprayen von Rollläden ein Teil der Stadtgeschichte. Shutters (Englisch für Rollläden, Anm.) und Graffiti, das gehört einfach zusammen“, sagt er. Der Naschmarkt ist es geworden, weil der schon immer ein Graffiti-Hotspot gewesen sei. „Jeder Künstler, der etwas auf sich hält, hinterlässt hier bei einem Wien-Besuch ein Zeichen“, sagt Platzer, der früher selbst gerne gesprayt hat. Wenn ihm auch mit der Galerie kaum mehr Zeit dafür bleibt. Lieber setzt er sich dafür ein, dass bekannte internationale Künstler für das Shutterland–Projekt nach Wien kommen.

Graffiti-Tourismus

Abgesehen von Superstar Roa haben sich auch der Brite Ben Eine und der österreichische Graffiti-Artist Nychos unter anderen auf den Rollos verewigt. Ben Eine kennt man, weil der britische Premier, David Cameron, US-Präsident Barack Obama eines seiner Gemälde geschenkt hat. Der Österreicher Nychos ist derjenige, der einen Großteil der Donaukanalwände vollgesprayt hat. Lange bitten musste Platzer die Künstler nicht. „Man glaubt ja immer, Wien hätte keine Graffiti-Szene“, sagt er. Aber das stimme nicht. „Es herrscht hier ziemlich großer Graffiti-Tourismus.“ – Was Behörden und Ladenbesitzern in aller Regel weniger gefällt.

Die Kunstwerke am Naschmarkt wurden allerdings ganz legal geschaffen. „Die Standler, die wir gefragt haben, waren begeistert von dem Projekt“, sagt Platzer. Nur die Idee in der Stadt Wien durchzubringen sei schwierig gewesen. Fast ein halbes Jahr haben Platzer und Halgand – die in Nuriel Molcho, dem Sohn von Neni-Besitzerin Haya Molcho, einen Fürsprecher und Projektpartner gefunden haben – gebraucht, um die Genehmigung zu erhalten. „Fünf Magistrate waren beteiligt. Die haben immer gesagt, wenn die anderen unterschreiben, unterschreiben wir auch.“ Niemand wollte aber der Erste sein.

Erweiterung geplant

Auch der Projektumfang wurde gekürzt. Denn eigentlich wollte Inoperable alle Rollläden des Naschmarkts verzieren. „Aber wir mussten das auf Wunsch der Stadt auf 20 reduzieren.“ Jetzt, da fast alle 20 Shutters voll sind, wollen Nicholas Platzer und seine Kollegen um eine Erweiterung ansuchen. Das positive Feedback der Standler und Passanten hätte sie dazu veranlasst. Entsprechende Künstler haben sie schon angeschrieben.

Wird die Stadt die Erweiterung genehmigen, sollen die nächsten Rollos im Frühjahr besprüht werden. Auch eine Präsentationsparty soll dann im Neni stattfinden. Wann genau das sein wird, wisse man aber noch nicht. „Es soll aber ein Künstler live dabei ein Rollo besprühen“, sagt Platzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2012)

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