Obdachloser: Vorwürfe gegen CDU-Banker

(c) Die Presse (Katharina Roßboth)
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Ein Jungpolitiker aus dem Umfeld Wolfgang Schäubles veröffentlicht die bewegende Lebensgeschichte von Franz Drack. Ein Jahr später fühlt sich der inzwischen todkranke Aussteiger aus Wien um seinen Anteil betrogen.

Er ist, so sagt er, Metzger und mehrfacher Staatsmeister im Boxen. Als Frau und Tochter mit dem Auto verunglücken, stürzt er ab. Mit Alkohol glaubt er den Schmerz bekämpfen zu können, mit einem Banküberfall die Leere am Konto. Nach der Enthaftung schläft er unter Brücken, bereist die Welt und lernt Prominente kennen. Eine Geschichte wie ein Drehbuch. Was davon wahr ist, und was erfunden, lässt sich schwer prüfen. Heute hat Franz Drack Lungenkrebs im Endstadium.

Und keine Ruhe. Er fühlt sich nämlich betrogen. 2006 erzählte Drack einem inzwischen aufstrebenden Jungpolitiker aus dem Berliner Finanzministerium seine Lebensgeschichte. Etwas anders als der „Presse“, aber vermutlich genauso charmant. Der CDU-Mann aus dem engsten Umfeld von Ressortchef Wolfgang Schäuble machte im Vorjahr ein Buch daraus („Der Tramp“), das im August 2011 erschien. Martin Heipertz, so heißt der Autor, enthalte ihm nun Tantiemen vor. Fifty-fifty habe man seinerzeit – wie es sich für Ehrenmänner gehöre – per Handschlag ausgemacht. Heipertz, der Oxford-Absolvent, bestreitet das nicht, sagt aber, dass er diese Quote bei Weitem übererfülle.

Auf einer Parkbank gegenüber der Wiener Votivkirche erzählt der Franz jetzt – er besteht auf dieser Ansprache – seine Version. „2000 Euro und keinen Cent mehr habe ich bekommen“, berichtet er nach dem fünften Fläschchen „Leibwächter“-Kräuterbitter. Zu wenig, wie er meint, denn das Buch müsse seinem Kompagnon mehr eingebracht haben.

Hat es aber nicht, beteuert Heipertz, der sich gegenüber Dracks Anwalt bereits schriftlich rechtfertigte. Der, er heißt Günther Kaufmann, lernte seinen ungewöhnlichen Mandanten auf dem Weg in die Kanzlei kennen. Als der Franz, der auf der Freyung bis heute die Straßenzeitung „Augustin“ verkauft, ihm von der Geschichte mit dem Jungpolitiker aus Berlin erzählte, erklärte sich Kaufmann spontan bereit, den Obdachlosen kostenlos zu vertreten. Er schickte Heipertz einen Brief. Antwort: Von Einnahmen in der Höhe von 4928,55 Euro (Erscheinungsjahr 2011) seien 3728,10 an Drack geflossen. Die 1200,45 Euro, die ihm blieben, deckten nicht einmal die Kosten für Arbeitsmaterialien, Reisen und Recherche.

Wobei: Besonders sorgfältig dürfte Heipertz „die wahre Geschichte einer außergewöhnlichen Begegnung“ (Zitat aus dem Klappentext) nicht recherchiert haben, dem einnehmenden Wesen des Franz voll und ganz erlegen sein. Die bizarren Episoden von Banküberfällen, Seemannsdasein und Treffen mit Jimi Hendrix, Dolly Parton und Jochen Rindt bezweifeln auf Portalen für Online-Buchbesprechungen zahlreiche Leser. Dass der Franz sogar ein paar Nächte beim Entführer von Natascha Kampusch, Wolfgang Priklopil, übernachtet haben will, macht die Zweifel nicht geringer. In Heipertz' Buch verschwimmen Fakten mit Fiktion.

Großes Medienecho in Deutschland

Im Interview mit der „Presse“ erweiterte Franz Drack seine Story noch um drei Staatsmeistertitel im Boxen (Halbschwergewicht) und den Unfalltod von Frau und Tochter. Auf der Ehrentafel des Boxverbandes scheint sein Name jedoch nirgendwo auf. Er sagt, er habe unter einem anderen Namen geboxt (und gewonnen). Allerdings war sein vermeintliches Alter Ego just zu jener Zeit erfolgreich, während der er, wie er selbst sagt, wegen Bankraubs in Stein im Gefängnis saß. Ein Gefängnis, das laut Pressetext zum Buch in Tirol und nicht im niederösterreichischen Krems steht.

Dennoch. Der unwiderstehliche Charme des Franz hat im Vorjahr trotz aller Ungereimtheiten mit Heipertz' Hilfe Deutschland begeistert. Land und Medien gierten nach der Story. Kennengelernt hatten einander die beiden in Frankfurt, wo Heipertz bei der Europäischen Zentralbank arbeitete. Drack nannte sich damals noch Saedlacek und traf Heipertz – wie könnte es anders sein – in der Nähe des Finanzdistrikts beim Verkaufen einer Straßenzeitung. Der Exbanker und der Räuber, der ihm seine Version von Freiheit in Zeiten der Finanzkrise auf Tonband diktiert. Was für eine Geschichte. Der Autor gab Interviews in der „FAZ“ sowie in Radio- und Fernsehsendungen des WDR. „Süddeutsche Zeitung“, das Magazin „Focus“, 3-Sat und zahlreiche Regionalblätter berichteten groß über das seltsame Paar.

Heute meidet Heipertz die Medien. Mehrere schriftliche Anfragen der „Presse“ zu seiner Version der Geschichte blieben unbeantwortet. Auch die Auflage des viel besprochenen Buches bleibt geheim. Sein Verlag will diese – wie er schriftlich mitteilte – „grundsätzlich nicht kommunizieren“.

bup-Verlag

Auf einen Blick

Franz Drack traf vor sechs Jahren in Frankfurt am Main den damaligen EZB-Banker Martin Heipertz (siehe Bild links). Der Obdachlose erzählte ihm die abenteuerliche Geschichte seines Lebens. Aus der Begegnung wurde ein Buch („Der Tramp“), das viel Beachtung in der deutschen Medienlandschaft fand. Heipertz ist inzwischen einer der engsten Mitarbeiter des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble. Er bestreitet Dracks Vorwurf, ihm Geld aus dem Verkauf des Buchs zu schulden. [bup]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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