U-Bahn-Pannen: „Jammern auf hohem Niveau“

Günter Steinbauer
Günter Steinbauer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wiener-Linien-Chef Günter Steinbauer tritt für die U5, aber gegen die Verlängerungen von U4 und U6 ein. Grund für Verspätungen im öffentlichen Verkehr sei teilweise Disziplinlosigkeit der Benützer.

Die Presse: Die U-Bahnen sind voll, daher werden wieder Rufe nach einer U5 laut. Die neue Linie soll von Hernals quer durch die Stadt nach Favoriten führen. Sind Sie für das Projekt?

Günter Steinbauer: Projekt ist zu weit gegriffen. Im Masterplan Verkehr hat 2003 der Gemeinderat ein Zielnetz beschlossen – da war die U5 drinnen. Dann gab es aber die Entscheidung, dass andere Projekte vorzureihen sind – Oberlaa und Seestadt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wieder nachzudenken.

Warum jetzt?

Nächstes Jahr werden Stadtentwicklungsplan und Masterplan Verkehr evaluiert. Da wird man diskutieren müssen, ob die U5 eine Zukunftslösung ist. Aus rein verkehrstechnischer Sicht haben wir Sympathien dafür. Aber das ist eine Entscheidung der Stadt, die vor allem von der Stadtentwicklung beeinflusst ist. Wir kennen unser Netz sehr gut, wir wissen, wo die Menschen aus- und einsteigen. Da würde die U5 gut hineinpassen.

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Ein langwieriges und teures Projekt?

Klar, selbst wenn man sich jetzt dafür entscheiden würde, dauert das etwa zehn Jahre. Es gibt heute die Grundsatzidee, aber keine Planung im Detail. Die Vorlaufzeiten betragen vier bis fünf Jahre bis Baubeginn, die Nettobauzeit eines solchen Projekts beträgt fünf Jahre.

In Floridsdorf entsteht ein großes Krankenhaus, warum wird die U6 nicht bis dorthin verlängert.

Die Entscheidung, die U6 nicht in den Norden zu verlängern, war richtig – wenn man sich die Fakten dahinter ansieht. Diese Region ist nicht so dicht verbaut, dass man eine U-Bahn braucht. Die Straßenbahnen und die S-Bahn haben dort noch genug Kapazitäten. Das ist kein Projekt, bei dem ich sage, das muss ich sofort haben. Es ist eine Option für die Zukunft.

Zum neuen KH-Nord fährt keine U-Bahn, zur Therme in Oberlaa sehr wohl. Ist das nicht eine schiefe Optik?

Nein. Die Therme ist ja nicht das primäre Ziel. Das ist die Hanson Siedlung, mit dichter Bebauung. Wir schließen da 20.000 Menschen an, die ständig fahren. Die Therme ist einfach das Ende der Linie. 500Meter vor der Therme aufzuhören, wäre nicht richtig.

Gefordert wird oft eine Verlängerung der U4 Richtung Auhof. Eine Option?

So eine Verlängerung wäre schon technisch nicht ganz leicht. Aber die wesentliche Frage ist ohnehin: Wie stark ist die Frequenz? Ein Parkhaus allein, das bei der Autobahnabfahrt angedacht wird, ist zu wenig. Denn so ein Parkhaus fasst vielleicht 1500 Parkplätze, bei uns fasst ein U-Bahnzug allein tausend Leute.

Und was ist, wenn man das Auhof-Center miteinbezieht?

Einkaufen fahren die Leute nur beschränkt mit der U-Bahn. Dort sind große Märkte, und das Mineralwasser kauft niemand mit der U-Bahn. Der Einkaufsverkehr wird nur zu einem gewissen Prozentsatz mit dem Auto abgewickelt – das ist ein Faktum, auch wenn ich es als Öffi-Chef nicht gerne sehe.

Und am anderen Ende der U4? Sind Vorschläge, nach Klosterneuburg zu verlängern, realistisch?

Man kann immer politische Visionen entwickeln. Die richtige Antwort für grenzüberschreitenden Verkehr ist aber die S-Bahn mit einem verdichteten Takt. Da braucht man nicht so viel in Infrastruktur zu investieren.

Was halten Sie von der Idee, aus dem 13-A-Bus eine Straßenbahn zu machen?

Der 13A ist wie die 43er-Straßenbahn an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Nur wird eine Straßenbahn auf der gleichen Strecke nicht schneller unterwegs sein. Letztlich ist das in einer Gesamtheit mit der Stadtentwicklung zu sehen. Wenn man etwa einen großen Schritt mit einer U5 machen will, dann wären viele Fragen gelöst.

Die U-Bahn wird zwar vermehrt genützt, es häufen sich aber die Klagen über Verspätungen.

Von Verspätungen im klassischen Sinne kann man bei uns kaum reden. Wir fahren in Zwei- bis Drei-Minuten-Intervallen. Für Verspätungen bleibt da kaum Raum. Da wird schon auch auf hohem Niveau gejammert.

Alte Züge, Schienenprobleme, Fahrgäste? Was sind die Ursachen für Ausfälle und Verspätungen?

Es gibt eine breite Palette von Ursachen. Die Ansprüche der Fahrgäste werden zu Recht höher, aber leider auch die Disziplinlosigkeit. Es gibt viele Vorfälle, die es nicht gäbe, wenn sich einige wenige disziplinierter verhalten würden.

Manche Linien, etwa die U6, gelten als besonders anfällig.

Wenn man vielleicht einmal fünf Minuten warten muss, ist das im Gesamtgeschehen kein dramatisches Ereignis. Dramatisch wäre es, wenn man in der Verkehrsspitze eine halbe Stunde steht. Das kann aber auch vorkommen, wenn beispielsweise ein Fahrgast medizinische Hilfe in dramatischem Ausmaß benötigt.

Zu Stoßzeiten haben wir schon fast japanische Verhältnisse. Kann man die Intervalle noch verdichten?

Ja. Die Systeme können noch viel mehr. Bei der Straßenbahn und bei einigen U-Linien sind wir aber an der Systemgrenze. Grundsätzlich kann das Signalsystem einen Takt bis auf 90 Sekunden garantieren.

Zur Person

Günter Steinbauer ist seit 1982 bei den Wiener Linien, seit 2004 Vorsitzender der Geschäftsführung und für den technischen Bereich verantwortlich. Die Wiener Linien sind eine 100-Prozent-Tochter der Wiener Stadtwerke Holding. [C. Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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