Es wird einmal ein Hauptbahnhof

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Hauptbahnhof(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Heute nimmt der Wiener Hauptbahnhof seinen Teilbetrieb auf. Von dem "Haupt" im Bahnhof ist noch wenig zu merken, lediglich ein paar Schnell- und Regionalzüge bleiben stehen.

Hirschstetten darf sich freuen. Der Stadtteil im 22. Wiener Gemeindebezirk wird zwar nicht in die städtischen Geschichtsbücher eingehen. Aber immerhin können die Hirschstettner von sich behaupten, den neuen Wiener Hauptbahnhof eröffnet zu haben – sofern sie den historischen Moment nicht verschlafen. Denn in der Nacht auf Sonntag um exakt 0.35 Uhr werden die ersten Fahrgäste den Boden des Hauptbahnhofes betreten haben. Dann nämlich, wenn die Schnellbahn S80 von der Station Erzherzog-Karl-Straße in Hirschstetten erstmals auf dem Hauptbahnhof Halt macht und ebendieser seinen Teilbetrieb aufnimmt.

Wobei das weniger über Hirschstetten aussagt, als über den Hauptbahnhof. Gut, es ist ein Teilbetrieb und so richtig fertig ist der neue Bahnhof erst ab Dezember 2014. „Die Funktionen, die jetzt zur Verfügung stehen, sind keine endgültigen und nicht eines Bahnhofs würdig. Es ist noch kein Hauptbahnhof“, sagt dazu Hermann Papouschek, Projektleiter seitens der Stadt Wien kurz vor der Eröffnung.

Bäcker statt Shoppingmall

Und tatsächlich macht der Hauptbahnhof – zumindest die vier Bahnsteiggleise acht bis zwölf – in seinem jetzigen Zustand noch nicht viel her. Die Wartehalle erweckt zwar einen, sagen wir, netten und sauberen Eindruck – schwarz glänzende Platten an den Wänden, inklusive Kunstwerk, grauer Stein am Boden. Auch der Vorplatz Süd mit seinen modernen Straßenlaternen, die an Stricknadeln erinnern, eigens kreierten Sitzbetonflächen und speziellen Bodenplatten (die den einfallsreichen Namen „Zug der Zeit“ tragen) ist hübsch. Aber ganz will man damit noch keinen Hauptbahnhof assoziieren. Immerhin hat man sich nach Wien-Mitte und Westbahnhof mittlerweile an das angehängte Einkaufscenter gewöhnt. Im Hauptbahnhof gibt es einen Bäcker und eine Filiale der Wiener Linien. Das Einkaufszentrum folgt Ende 2014.

Immerhin ist selbst der Bahnhof noch lange nicht fertig. Erst vier von zwölf Bahnsteig-Gleisen sind in Betrieb. Ein Durchfahrgleis, das für Güterzüge verwendet wird, ist schon länger genutzt. „Es ist erst die Hälfte fertig, der Rest folgt“, so Papouschek. Auch von den charakteristischen fünf Rauten, die die 470 Meter langen Bahnsteige überdachen, sind erst drei fertig. Neben zwei Schnellbahnlinien, ein paar Regionalzügen und einem Zug nach Bratislava – andere internationale Züge verkehren hier erst ab Ende 2014 – starten an diesem Sonntag auch die Wiener Linien mit ein paar Änderungen. So hat die Straßenbahnlinie D eine Station „Hauptbahnhof Ost“, auch die Busse 13A und 69A erhalten neue Stationen. Für den Individualverkehr wird die verlängerte Argentinierstraße, die 500 Meter lange Gertrude-Fröhlich-Straße, freigegeben, die den Gürtel mit dem Vorplatz Süd verbindet.

Bezirke verbinden

Auch diese Straße darf sich – sofern das Straßen tun – eine historische Funktion zuschreiben. Immerhin ist sie die erste, die die beiden Areale verbindet – nach 150 Jahren Eisenbahngeschichte, wie die Wiener Linien gerne betonen. Denn um den neuen Hauptbahnhof herum entsteht derzeit ja auch ein neues Stadtentwicklungsgebiet, das nicht nur die Gegend aufwertet, sondern auch den vierten und zehnten Wiener Bezirk verbinden soll. Nördlich des Bahnhofs, wo sich der einstige Südbahnhof und der provisorische Ostbahnhof befinden, dessen Abriss am Sonntag begonnen wird, wird das Quartier Belvedere Central mit zwei jeweils 88 Meter hohen Türmen von der Signa Holding und der ÖBB-Zentrale sowie einer großen Anlage der Erste Group für 4500 Beschäftigte errichtet. Südlich des Bahnhofs entsteht auf dem einstigen Frachtenbahnhof das Sonnwendviertel mit 5000 Wohnungen – die ersten werden 2013 bezogen –, einem Bildungscampus und dem Helmut-Zilk-Park, der mit sieben Hektar größer als der Stadtpark sein wird. Bis dahin werden aber noch ein paar Jahre vergehen – und der große Auftritt der Hirschstettener vergessen sein.

Zeitplan

9. 12. 2012. Teilbetrieb des Hauptbahnhofs mit Schnell- und Regionalzügen.

Herbst 2013.1160Wohnungen im Sonnwendviertel werden bezogen.

Herbst 2014. Baubeginn des Signa-Projekts im Quartier Belvedere Central.

Dezember 2014.Gesamter Bahnhof und Bildungscampus eröffnen.

2015/2016. Fertigstellung des Erste-Campus im Quartier Belvedere Central.

2017. Fertigstellung Helmut-Zilk-Park im Sonnwendviertel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

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