Benzin und Beton: Die Wiener Garagenkönige

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Wiens neue Kurzparkzonen regten viele Bürger auf. Sie nicht: Die Garagenunternehmer der Hauptstadt verdienen seit Jahrzehnten gutes Geld mit dem Stillstand der Autos anderer.

Sein Rolls Royce, erzählen Zeitzeugen, war sein einziger Luxus. Ansonsten soll sich der 1980 verstorbene und vorher als „Garagenkönig von Wien“ bekannt gewordene Unternehmer Hans Pruscha nicht viel gegönnt haben. Geschäftspartnern, erinnert sich ein solcher, servierte der erste Selfmade-Milliardär der Republik aus Prinzip nur Würstel mit Saft. Beim Anblick seines spartanischen Büros – so die Mär – glaubte der eine oder andere gar, die falsche Tür erwischt zu haben.

Welche dieser Anekdoten stimmt, und welche davon zumindest gut erfunden ist, lässt sich über 30 Jahre nach dem Tod des Patrons nicht mehr völlig zweifelsfrei klären. Klar jedoch ist, dass heute täglich über eine Millionen Pkw (670.000 aus Wien, 350.000 aus dem Umland) in der Hauptstadt einen Parkplatz suchen. Hans Pruscha und ein paar Mitbewerber hat frühzeitiges Gespür für den Siegeszug des Autos zum Teil fantastisch reich gemacht. Und die großflächige Ausweitung der Kurzparkzonen im Westen Wiens beschert der Branche auch im 21. Jahrhundert attraktive Perspektiven. Vor allem den großen Fünf.

Marktführer ist, wie könnte es anders sein, Wien selbst. 18.000 öffentliche Garagenplätze besitzt oder betreibt die über die Stadtwerke zum Rathaus gehörende Wipark. Mit Respektabstand folgt das Imperium des Immobilienentwicklers Johann Breiteneder, das allerdings seit Jahren von seinen Kindern geführt wird. Immer noch zu den größten Playern gehört der Nachlass von Hans Pruscha, dem Sohn Hans Christoph List (List Group) vorsteht. Ebenfalls am Markt aktiv sind die internationalen Garagenriesen Apcoa und Contipark, die in Wien jedoch kaum etwas besitzen, sondern als Betreiberunternehmen auftreten. Dahinter folgt eine Hundertschaft von Garagisten unterschiedlicher Größe. Sehr viele sind Familienbetriebe.

Eines davon ist „Parkhaus Elbl“. Chef Michael Elbl betreibt derzeit zehn Garagen, eine davon gehört ihm selbst. Damit ist er, wie er selbst sagt, der Kleinste unter den Großen – oder der Größte unter den Kleinen. Und ja, die Erweiterung der Kurzparkzonen im Wiener Westen sei „natürlich positiv für das künftige Geschäft“. Das vor allem deshalb, weil die Preise für Kurzparken auf der Straße mit zwei Euro pro Stunde nicht mehr allzu weit von jenen für Garagen liegen. Zumindest außerhalb der City. Doch auch die Mitbewerber riechen diesen Braten.

Für Elbl bedeutet Parken mehr als nur sein Auto abzustellen. Deshalb bietet er dort, wo der Konkurrenzdruck besonders groß ist, zusätzliche Services wie Autoreinigung oder die Vermietung von Elektroautos an. „Wer sein Auto einmal in einer Garage abgestellt hat, in der er schlechte Erfahrungen gemacht hat, der kommt nie wieder.“

Entsprechend groß ist der Konkurrenzdruck zwischen den Platzhirschen. Der Kreis trifft sich regelmäßig in der Berufsgruppenvertretung. Und teilt sich dort, das erzählen Insider, trotz aller Streitigkeiten den Markt auf. Nach außen dringt davon wenig, Medienanfragen beantworten die Beteiligten nur zurückhaltend – oder gar nicht. Quellen aus dem unmittelbaren Umfeld der Garagenbosse berichten von fast schon ruinösen Preiskämpfen, internen Intrigen und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Nur um Dritte draußen zu halten soll etwa die Garage bei der neuen Wirtschaftsuniversität dem Vernehmen nach künftig von einem der fünf fast zum Nulltarif betrieben werden.

Klagen.
Innerhalb der Wipark hingegen tobt seit dem Auskauf des Unternehmens aus der Immofinanz ein Krieg zwischen ehemaliger und momentaner Führungsebene. Die Intrigen münden, erzählen Mitarbeiter, in gegenseitigen Anzeigen und schließlich Terminen vor Gericht. Zu alledem matcht sich der Konzern ebendort zusätzlich mit der Konkurrenz, namentlich mit der Apcoa, die sich, so hört man, um versprochene Betreiberverträge geprellt fühlt. In diesem Zusammenhang liest es sich wie ein Treppenwitz der Wiener Wirtschaftsgeschichte, dass die Stadt bis wenige Jahre vorher in einem gemeinsamen Unternehmen mit der Apcoa (Städtische Parkraummanagement GesmbH, kurz STPM) gute Geschäfte machte. Und alle Privaten äußern gemeinsam den Vorwurf – natürlich immer inoffiziell –, die städtische Wipark würde von ihren Eigentümern im Rathaus gegenüber allen anderen bevorzugt behandelt.

Dass die Marktkonzentration so kam, wie sie ist, hat mit der Voraussicht ihrer Gründerväter zu tun. Pruscha, Breiteneder und Wipark (damals stand noch die Firma Wienerberger dahinter) erkannten Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre, dass der Autoverkehr in den Städten dichter und Parkraum knapper werden würde. Schon damals investierten sie Teile ihrer mit Mineralölhandel, Immobilien und Ziegelsteinen angehäuften Vermögen in vergleichsweise billige Garagen. Eine der ersten war jene unter dem Votivpark, in der junge Frauen auf Rollschuhen die Kunden zu ihren Stellplätzen leiteten.

Weil das Parken an der Oberfläche noch nichts kostete, funktionierte aber nicht alles von Anfang an. Pruschas teures mechanisches Schlichtsystem des automatischen „Autolifts am Neuen Markt“ war einer seiner wenigen Flops. Trotzdem: Die Pioniere bauten entweder selbst oder kauften Garagen jener, deren finanzieller Atem nicht lang genug war. Irgendwann stimmten schließlich die Rahmenbedingungen, die Investitionen begannen sich zu rechnen.

Mit eigenen Garagen heute neu in den Markt einzusteigen hält Michael Elbl für „nahezu unmöglich“. Es sei denn, man verfügt über Kapitalreserven in Millionenhöhe oder Investoren.

Vor allem innerstädtisch wird der Bau von Tiefgaragen immer schwieriger – und damit teurer. Kanal, Kabel und Leitungen müssen aufwendig verlegt, Verkehrskonzepte erstellt, Oberflächen gemäß den Auflagen des Rathauses gestaltet werden. Hinzu kommen Anrainer, die für ihre uneingeschränkte Zustimmung Wünsche wie zum Beispiel Gratisstellplätze äußern. Der Wiener Errichter Heinrich Posch hat all das beim Bau der Garage unter der Weihburggasse (Innere Stadt) in den Jahren 2005 und 2006 erlebt. Zudem stießen seine Arbeiter auf die Reste des alten Karolinentors der Stadtmauer – Zufallsfunde, die stets mit hohen Zusatzkosten verbunden sind.

Hinzu kommt, dass so eine öffentliche Garage nicht automatisch eine Lizenz zum Gelddrucken ist. In der Branche kursiert der Satz von den drei Voraussetzungen für das Funktionieren. Erstens Standort, zweitens Standort und drittens Standort. Während die Kasse in Innenstadtlagen 24 Stunden am Tag klingelt, fallen Preise und Auslastung am Stadtrand deutlich. Außerdem ist das Funktionieren einer Garage stark von der unmittelbaren Umgebung abhängig. Die und deren Bedürfnisse können sich schnell ändern. „Als das Verkehrsamt im neunten Bezirk vor Jahren plötzlich nicht mehr die Anmeldung neuer Kfz übernahm, verloren die Garagen in der Region mit einem Schlag zwei Drittel ihrer Kunden“, erinnert sich Günter Warmuth, Funktionär der Branche in der Wirtschaftskammer.

Um die mittel- und langfristigen Entwicklungen eines Grätzels zwischen Stadt, Errichtern und Betreibern abzustimmen, gibt es im Rathaus den sogenannten Garagenkoordinator. In dieser Funktion ist Thomas Keller so etwas wie Informationsdrehscheibe und Vermittler zwischen allen Beteiligten. Wie massiv die Stadt selbst parkende Autos unter die Erde treibt (und damit über Wipark und Kurzparkgebühren auch die eigenen Kassen füllt), zeigt der Zuwachs an öffentlichen Garagenplätzen in den vergangenen 20 Jahren. Seit 1992 stieg ihre Zahl von 20.000 auf 85.000. Der nächste Schub könnte unmittelbar bevorstehen.

Faktenbox

85.000 öffentliche Garagenstellplätze gibt es derzeit in Wien. Vor 20 Jahren waren es noch 20.000. Absoluter Marktführer ist mit der Wipark ein Unternehmen der Stadt Wien. Sie bewirtschaftet allein 18.000 Stellplätze. Auf den Plätzen folgen die Imperien der Familien Breiteneder und List, erst danach internationale Konzerne wie Apcoa und Contipark. Die Erweiterung der Kurzparkzonen im Westen Wiens wird das Geschäft in Zukunft noch verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

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