Wiens Gwirks mit Fragen ans Volk

Wiens Gwirks Fragen Volk
Wiens Gwirks Fragen Volk(c) APA HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die ersten Volksbefragungen in Wien waren ein Desaster für die SP. Deshalb fanden bis 2010 rund 20 Jahre keine mehr statt. Jetzt darf der Bürger wieder mitreden – großteils bei unverfänglichen Fragen.

Michael Häupl will es wissen. Seine grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auch. Jetzt soll das Volk entscheiden. Die Rede ist nicht von Neuwahlen in Wien, wie sie im Jahr 2013 in zahlreichen Bundesländern und im Bund anstehen, sondern von der achten Volksbefragung in der Geschichte der Bundeshauptstadt.

Die Wiener dürfen dabei über Themen entscheiden, die der Stadtregierung nicht weh tun bzw. deren Ergebnisse im Vorhinein klar sind (ausgenommen der Frage nach einer Olympia-Bewerbung). Das hat einen Grund. Ebenso wie die Tatsache, dass (bis 2010) Volksbefragungen für die SP zwei Jahrzehnte lang tabu waren. Denn die Beziehung der SPÖ zu Volksbefragungen war immer sehr problematisch. Ein SP-Bürgermeister musste nach einer Volksbefragung zurücktreten, ein anderer war danach politisch schwer angeschlagen.


Historische Niederlage. Angefangen hatte dieses schwierige Verhältnis im Mai 1973. Damals wurden die Bürger über die Verbauung des Sternwarteparks befragt. Mit dem Ergebnis, dass SP-Bürgermeister Felix Slavik in der Folge zurücktreten musste. Der damals mächtige Wiener Bürgermeister stolperte sozusagen über rund 50 Bäume, die im Sternwartepark gefällt werden sollten. Denn 57 Prozent der Wiener sprachen sich gegen die Verbauung, also gegen Slaviks Prestigeprojekt eines Universitätsgebäudes im Sternwartepark aus. Als Slavik wegen dieses Plans auch noch massive Streichungen am SP-Parteitag hinnehmen musste (32Prozent der Genossen stimmten gegen ihn, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab), warf er entnervt das Handtuch.

Michael Häupl agiert vorsichtiger. Die Volksbefragung 2010 verwandelte er kurzfristig in eine SP-Mobilisierung für die Wien-Wahl 2010, um sich die absolute SP-Mehrheit zu sichern – was der SP trotz relativ hoher Beteiligung bei der Volksbefragung nicht gelang. Abgefragt wurden unter Häupls Regie hauptsächlich Themen, die der Wiener SP am Herzen liegen, deren Ergebnis bereits im Vorfeld klar war und die die SP-Position stärken sollten.

Diesmal kam es wie erwartet. 82Prozent stimmten für die Wiedereinführung der Hausmeister in Wien, 74 Prozent für die (von der SP propagierte) Ganztagsschule. Gleichzeitig entsorgte Häupl den grünen Wahlkampfschlager. 75 Prozent der Wiener stimmten gegen die City-Maut. Ähnliches galt für die ÖVP mit ihrer 24-Stunden-U-Bahn. Zwar stimmte eine knappe Mehrheit der Wiener dafür, doch der SPÖ gelang es schnell, diese VP-Idee als ihre eigene zu verkaufen und sich den Erfolg auf die eigenen Fahnen zu heften. Und mit dem emotionalen Thema „Kampfhunde-Führschein“, an dem sich viele SP-Stadträte die Zähne ausgebissen hatten, sorgte die SPÖ, dass auch dieses (immer wieder kehrende) Thema vom Tisch war und gleichzeitig viele Wiener an der Volksbefragung teilnahmen.

Diese Vorgangsweise ist aus Häupls Sicht verständlich, hatte doch nicht nur Slavik, sondern auch Häupls Mentor Helmut Zilk bei seiner Volksbefragung eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Im Mai 1991 fragte Zilk: „Soll 1995 in Wien eine Weltausstellung durchgeführt werden?“ Und: „Soll beim Hafen Freudenau ein Wasserkraftwerk errichtet werden?“ Die Wiener stimmten zwar für das Kraftwerk Freudenau (was Zilk kein wirkliches Herzensanliegen war), erteilten aber dem Prestigeprojekt von Zilk, der Weltausstellung, mit 65 Prozent Neinstimmen eine Abfuhr. Zilk trat nicht zurück, war politisch aber schwer angeschlagen.

Dieses Ergebnis war der SP eine Lehre. Deshalb fand fast zwanzig Jahre keine Wiener Volksbefragung statt. Denn die abgesagte Expo brachte der Stadt Probleme. Die Donauplatte wurde teuer errichtet, um genügend neue Flächen für die Expo zur Verfügung zu haben. Nach der Absage wusste die Stadt jahrzehntelang nicht, wie sie mit diesem Gebiet umgehen sollte.


Mehr Befragungen. In Zukunft könnte es aber mehr Volksbefragungen geben. Denn Rot-Grün hat sich im Koalitionsprogramm zum Ausbau der direkten Demokratie und der Volksbefragungen bekannt. Das ist für den Wiener Bürgermeister kein Problem. Immerhin werden die Themen unter Häupl so gewählt, dass er sie politisch ausschlachten kann bzw. dem politischen Gegner Wind aus dem Segel nimmt. Wirkliche Streitpunkte, beispielsweise der Bau des Autobahntunnels unter der Lobau, werden nicht abgefragt, obwohl Häupl diese Möglichkeit in der Vergangenheit angekündigt hat – falls sich Rot und Grün hier nicht einigen können. Um keinen Koalitionskrach zu riskieren (die Grünen bekämpfen den Lobau-Tunnel vehement), wurde diese Frage ausgeklammert. Damit geht Häupl auf Nummer sicher und führt den Weg von 2010 fort: Es kommt eine Wiener Volksbefragungen, bei der die SP keine Turbulenzen zu fürchten braucht.

Die Wiener haben daher von 7. bis 9. März vier Fragen zu beantworten, deren Ergebnis (ausgenommen der Olympia-Bewerbung) erwartbare Resultate erzielt. Die erste beschäftigt sich mit der Parkraumbewirtschaftung – auch wenn es (aus rechtlichen Gründen) nur „Parkraumregelungen“ genannt wird. Denn über Gebühren darf in Wien nicht abgestimmt werden. Die Stoßrichtung ist aber klar: Soll das Parkpickerl in ganz Wien eingeführt werden?

Die zweite Frage widmet sich einer möglichen Bewerbung für Olympische Sommerspiele im Jahr 2028. Mit der dritten Frage will sich die SP eine breite Zustimmung gegen mögliche Privatisierungen der Daseinsvorsorge holen (wofür auch der nicht gerade neutral formulierte Einleitungstext dient). Sogar die Grünen durften mitmachen. Und zwar mit einer Frage nach dem Ausbau der Solarenergie.

Befragungen

Mai 1973. Die Wiener werden befragt, ob der Sternwartepark verbaut werden soll.

März 1980. Öffentliche Verkehrsmittel, Friedhöfe und eine zweite Westeinfahrt sind die Themen.

November 1981. Der Bau des Konferenzzentrums wird (österreichweit) einem Volksvotum unterzogen.In Wien kam das Thema „Ausbau der Stadterneuerung“ dazu.

Dezember 1981. Die Bürger entscheiden über die Steinhofgründe.

Februar 1990. Die Beibehaltung der Straßenbahnlinie 8 ist das Thema.

Mai 1991. Die Weltausstellung Expo und das Kraftwerk Freudenau werden abgestimmt.

Februar 2010. Hausmeister neu, Ausbau der Ganztagsschulen, Hundeführschein, Nacht-U-Bahn und City-Maut kommen zur Wiener Volksbefragung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)

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