Protest in der Votivkirche: Hungerstreik und Party

Jutta Sommerbauer
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Im Sigmund-Freud-Park wird getanzt, in der Kirche befinden sich 18 Asylwerber im Hungerstreik. Ein Lokalaugenschein.

Zwei Veranstaltungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine findet draußen in der frostigen Nebelsuppe statt, im Wiener Sigmund-Freud-Park, wo das wenige Gras vereist und rutschig ist. Die andere Veranstaltung ist direkt gegenüber, in den hohen Gemäuern der neogotischen Votivkirche, viel wärmer ist es hier auch nicht. Montag, Heiligabend, kurz vor Mitternacht. Jene Asylwerber, die unter anderem aus Protest über die Lebensbedingungen im Betreuungszentrum Traiskirchen im Sigmund-Freud-Park ihre Zelte aufgeschlagen haben, feiern Weihnachten mit Punsch und fröhlicher Musik aus Indien. Und in der Kirche beginnt die Mette der internationalen Gemeinde.

Ganz lassen sich diese zwei Veranstaltungen allerdings nicht trennen. Draußen mag getanzt werden, in der Kirche aber befinden sich 18 Asylwerber seit Montag im Hungerstreik. Die Besucher des Gottesdienstes gehen meist stillschweigend am Matratzenlager vorbei in Richtung Kirchenbänke. Einige nicken freundlich, ein älterer Herr fotografiert die Kerzen und Plakate, die die Asylwerber um sich herum platziert haben. Die Namen der Hungerstreikenden sind auf einem großen Papierbogen zu lesen. „Jesus war auch Asylwerber", heißt auf einem anderen. Und: „Wir sind Maria und Josef." Dass alle Betroffene aus Pakistan stammen, sei mehr ein Zufall, heißt es hier. Andere Asylwerber würden sie auch unterstützen.

Muhammad Numan, 25, aus Pakistan

Sein Name steht ebenfalls auf der Hungerstreik-Liste: Muhammad Numan, 25, aus Pakistan, seit kurzem Sprecher der Asylwerber. „Wir fühlen uns nicht ernst genommen", sagt er und deutet auf die Deckenberge, unter denen die Männer liegen. Der Hungerstreik sei eine Antwort auf den Runden Tisch, an dem Vertreter der Caritas (sie betreuen die Asylwerber), Regierung, Kirche und Asylwerber teilgenommen haben. Zwar wurde den Protestierenden versichert, dass sie weiterhin in der Kirche bleiben dürfen, und auch der Anspruch auf ihre Grundversorgung werde neuerlich überprüft, aber auf andere Forderungen sei nicht eingegangen worden, sagt Numan. Auf das Bleiberecht zum Beispiel, oder die Arbeitserlaubnis, das Recht auf Bildung und die Entscheidungsfreiheit, was den Transfer in die Bundesländer betrifft. Man höre Geschichten von schlechten Wohnbedingungen auf dem Land. Man wolle sich nicht aus den Augen verlieren, die Angst vor der Unsicherheit bleibe bestehen. Aus diesen Gründen habe man das Angebot des Innenministeriums vom Montag, die Asylwerber wieder in ihre Quartiere bzw. nach Traiskirchen und in die Bundesländer zu bringen, nicht angenommen.

Die Instrumentalisierung der Not

Am anderen Ende des Kirchenschiffs hallen Orgelklänge. Der Gottesdienst wird zeitweise auf Englisch gehalten, eine Caritas-Mitarbeiterin verteilt Tee an die Hungerstreikenden, auch sie sprechen Englisch miteinander. Der Protest der Asylwerber dauert seit nunmehr einem Monat an. Rund 70 hatten sich im Sigmund-Freud-Park in Zelten niedergelassen, später siedelte ein Teil in die Votivkirche. Auch, wenn sich die Anzahl der Protestierenden zwischenzeitlich verringert hat - ihre Unterstützer sind nicht weniger geworden. Manche bringen Decken mit, andere machen mit Aktionen von sich reden. So will während dem Weihnachtsgottesdienst eine Aktivistin ein Poster aufhängen und Flyer verteilen - und beginnt damit beim Priester. Sogleich ist ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes anwesend und begleitet die Aktivistin nach draußen. Man habe schon im Vorfeld mit einer Störung des Gottesdienstes gerechnet, sagt der Mann vom Verfassungsschutz. Die Personalien der Aktivistin wurden aufgenommen. Bereits am Nachmittag kam es zu einem Zwischenfall, als Aktivisten versucht haben, in den Stephansdom einzudringen; sie wurden schließlich daran gehindert. Zuvor hatte Caritas-Direktor Michael Landau Kritik an jenen Aktivisten geäußert, „die die Not dieser Menschen instrumentalisieren wollen."

Die Asylwerber selbst hoffen indessen auf die Fortsetzung des runden Tisches. In der Votivkirche fühle man sich derzeit sicher, heißt es. Die Hungerstreikenden werden derzeit von zwei Johannitern betreut. Bald könnten es mehr sein: Nach Weihnachten, sagt Numan, wollen sich mehr Asylwerber dem Hungerstreik anschließen.

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