Wien: Krankenstand kaum kontrolliert

Wien Krankenstand kaum kontrolliert
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Wien beschäftigt 65.000 Bedienstete, davon 23.000 Beamte. Sie sind im Schnitt jährlich 22,9 Tage krank. Anders als bei Angestellten wird das - laut Kontrollamt - nicht überprüft.

Wien/Awe. Die Stadtregierung bezeichnet Wien gerne und auch öffentlich als die bestverwaltete Stadt der Welt. Dazu beschäftigt das Rathaus 65.000 Bedienstete. 23.000 davon sind „echte“ Beamte und damit (nahezu) unkündbar.

Das Wiener Kontrollamt macht nun in einem Bericht ein weiteres Privileg dieser besonderen Gruppe von Beschäftigten publik, das – außer den Betroffenen selbst – bisher kaum jemand kannte: Melden sich die Unkündbaren nämlich krank, müssen sie, anders als gewöhnliche Angestellte, faktisch keine Kontrollen fürchten, ob ihre Angaben darüber auch stimmen, bzw. ob sie das tun, was ihnen der krankschreibende Arzt angeordnet hat.

Das bedeutet nicht automatisch, dass die Mitarbeiter in Wiens Amtsstuben das vorherrschende System Krankenstand missbrauchen. Kritiker, ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Ulm ist so einer, orten im nun vorgelegten Prüfbericht aber zumindest Hinweise darauf, dass es beim Fernbleiben vom Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht immer redlich zugehen kann. Tatsache ist nämlich, dass die eigentlich dafür verantwortliche MA15 (Gesundheitsamt), die bei Dauerkrankenständen immerhin mit dem Amtsarzt ausrückt, praktisch überhaupt keine Krankenkontrollen im herkömmlichen Sinn bei Beamten durchführt. Oder in Zahlen: Zwischen Jänner 2011 und März 2012 führte die MA15 zwar 5155 Überprüfungen der Dienstfähigkeit (z.B. bei Dauerkrankenständen) durch, weitere 530 Mal wegen wiederholter Krankschreibungen von Beamten. Aber: Nur ein einziges Mal wurde eine ausgewiesene Krankenkontrolle vorgenommen.

Außerhalb des Wiener Magistrats wäre so etwas undenkbar. Und das, obwohl normale Angestellte viel seltener krank sind, nämlich durchschnittlich 13,9 Tage im Jahr (Quelle: Statistik Austria). Unkündbare Gemeindebedienstete aus Wien kommen im Schnitt auf 22,9 Tage, das sind viereinhalb Arbeitswochen. Und müssen nicht damit rechnen, kontrolliert zu werden. Ganz gewöhnliche Angestellte hingegen schon: Allein die Wiener Gebietskrankenkasse führte 2011 nämlich exakt 188.921 entsprechende Kontrolluntersuchungen durch. In immerhin 38 Prozent dieser Fälle waren die Betroffenen – trotz angeblicher Krankheit – arbeitsfähig. Die Zahl der in Wahrheit arbeitsfähigen Beamten kennt jedoch niemand. Es wird ja nicht kontrolliert.

Dabei gibt es große Unterschiede innerhalb des Rathauses. 19.000 Vertragsbedienstete des Magistrats sind – wie Arbeiter und Angestellte auch – bei der Wiener Gebietskrankenkasse versichert. Auch sie müssen damit rechnen, bei statistischen oder anderen Auffälligkeiten ihrer Krankmeldungen kontrolliert zu werden. Das gilt übrigens ebenso für weitere 23.000 Vertragsbedienstete des Rathauses, die ihre Beiträge an die Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien (KFA) überweisen. Diese müssen auch mit Kontrollen durch ihre Krankenkasse rechnen. Nur eben die Beamten nicht. Warum eigentlich?

Im Bericht des Kontrollamtes ist die Antwort nur zwischen den Zeilen zu lesen, und selbst dafür braucht es dann zusätzliches Wissen. Der Punkt ist nämlich: Ein ASVG-Träger wie die WGKK hat ein vordergründig finanzielles Interesse daran, Missbrauch von Krankenstand zu unterbinden. Bei Arbeitern und Angestellten ist es nämlich die Krankenkasse, die Lohn und Gehalt des Kranken übernehmen.

Ist in Wien ein Beamter krank, zahlt die Kasse jedoch nur die Dienstleistungen aus dem Gesundheitssystem, das Gehalt jedoch zahlt nach wie vor der Dienstgeber. Und der ist – wie in allen Bundesländern – nicht frei von politischen Einflüssen und Begehrlichkeiten.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.kontrollamt.wien.at

Auf einen Blick

Überprüfungen. Zwischen Jänner 2011 und März 2012 führte das Gesundheitsamt 5155 Kontrollen der Dienstfähigkeit durch. Aber nur ein Mal wurde eine ausgewiesene Krankenkontrolle vorgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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