Kulinarik: Die Rossau als Delikatessen-Grätzel

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Italienische Patisserie, französischer Käse und Gewürze zum Selbstabfüllen: Rund um das Servitenviertel siedeln sich zahlreiche Gourmet-Shops an. Die Bewohner lassen es sich gerne gut gehen

Wien. Die Rossau kocht. Offensichtlich. Anders lässt sich die Liebe der Bewohner im neunten Wiener Bezirk zu Delikatessen und kulinarischen Besonderheiten wohl nicht erklären. Gut, der Stadtteil im Alsergrund zwischen Schottenring, Liechtensteinstraße, Alserbachstraße und Rossauer Lände ist allein aufgrund der hohen Mieten schon länger einer, in dem es sich die Bewohner gerne gut gehen lassen. Aber das, was sich dort derzeit kulinarisch tut, fällt dann doch auf.

Etwa in der Porzellangasse, unweit des Franz-Josefs-Bahnhofs. In Uli's Patisserie wird zwar noch ein bisschen an den Möbeln und der Küche gearbeitet. Geöffnet hat das etwa 100 Quadratmeter große Lokal aber bereits seit vergangenem Mittwoch. Geboten wird in dem Café allerlei Süßes, allerdings nicht aus Österreich, sondern aus Italien – genauer gesagt aus Rom. Tiefgekühlt werden die bunten kleinen Torten, Cannoli, Venusbrüstchen, Profiteroles und Fruchttörtchen via LKW von einer Patisserie in Rom direkt in die Porzellangasse gebracht. „Ich wollte einfach andere Torten, nicht die üblichen österreichischen Bäckereien. Ich liebe die italienischen Mehlspeisen, die sind einfach cremiger“, sagt Inhaberin Uli Ingram, die ähnlich wie Astrid Karpf, die im Vorjahr in der Liechtensteinstraße ihren Naschsalon eröffnet hat, eine Quereinsteigerin ist.

Spittelberg vor 20 Jahren

Erzählt sie über die Entstehungsgeschichte, wird schnell klar, dass man sich im Grätzel kennt und gegenseitig aushilft. Das Künstlerduo Hanakam & Schuller, das die Einrichtung gestaltet hat, hat sie über die ebenfalls dort angesiedelte Galerie Viertel Neun kennengelernt. Der Kaffee kommt von der nahen „School of Coffee“. Und auch mit ihrer Nachbarin, Maria Neubauer, herrscht reger Austausch. Immerhin hat diese erst vor Kurzem ein französisches Delikatessengeschäft, die Selection Neubauer Epicerie Fine, eröffnet. Das dazugehörige Schokoladen- und Tee-Geschäft vis-à-vis besteht hingegen schon seit zweieinhalb Jahren.

„Das ist einfach ein gutes Grätzel. Durch das Lycée gibt es hier viele Franzosen. Und die Bewohner schätzen Delikatessen“, sagt Neubauer, die in ihrer Epicerie Fine französischen Käse, frischen Fisch, Enten- und Gänseleberpasteten, korsische Spezialitäten, eine Reihe an Gewürzen sowie Tee aus dem französischen Teehaus Dammann Frères verkauft.

Sie teilt die Meinung ihrer Nachbarin, dass sich in dem Grätzel derzeit einiges tut. „Es ist wahrscheinlich Zufall, dass gerade so viel passiert. Aber für mich ist die Gegend so, wie der Spittelberg vor zwanzig Jahren war“, sagt Ingram.

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Viel Auswahl auf wenig Raum

Vor zwanzig Jahren lagen Servitengasse und der dazugehörige Kirchenplatz zwar auch schon ziemlich weit vorne im Friseur- und Blumenhandlungsindex (je mehr davon in einer Gegend, desto gutbürgerlicher die Bewohner), bei Delikatessen gab es aber deutlich weniger Auswahl. Einer der ersten potenziell bobotauglichen Bioläden Wiens neben der Servitenkirche führte Fleisch, Nudeln und Käse, und die Konditorei Bürger, vormals Eidher, hat ihr Sortiment zum großen Glück für die Grätzlbewohner nicht verändert. Der Bioladen ist längst geschlossen, dafür gibt es nun samstags vor der Kirche Saibling, alte Gemüsesorten und Joseph-Brot zu kaufen.

Die kulinarische Servitengasse beginnt links mit der Xocolat Manufaktur, durch große Fenster sieht man die Chocolatiers bei der Arbeit. Yuzuschale und Zwiebelstaub zählen ebenso zu ihren Zutaten wie österreichische Spirituosen. Gegenüber bekommt man im Caffé a casa einen der besten Espressi der Stadt, täglich aus einem anderen Anbaugebiet, und viele Servitenviertler decken sich hier mit High-End-Bohnen ein. Ein paar Häuser weiter sperrt am 14.Februar in einem alten Geschäft für Nähzubehör der Gewürzkontor Curry me home auf, einem der beiden Kompagnons gehört auch die Suppenwirtschaft gleich daneben. Offene Gewürze mit Schauferl zum Selbernehmen – „wir wollten den Zuckerlgeschäfteffekt“-, dazu Essig von Gegenbauer und Öle von Fandler. Als Komplettierung des Grätzlangebots, quasi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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