"Bist du deppat": VHS lehrt "Schimpfen in Wien"

APA/GEORG HOCHMUTH
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Bei dem Minikurs an der Volkshochschule Meiding können sich Ausländer für den Umgang mit den Einheimischen wappnen.

"Hoit die Pappn, hoit die Goschn, bist du deppat: Jetzt versteh' ich es": Daniel Torres kommt aus Barcelona, lebt aber seit zwei Jahren in Wien. Soeben hat er sich etwas besser für den Umgang mit den Einheimischen gewappnet. Den Samstagvormittag hat er in der Volkshochschule (VHS) Meidling beim Minikurs "Schimpfen in Wien" verbracht.

"Ich glaube, das war ja immer schon eine Wiener Spezialität, auf etwas zu schimpfen", meint Kursleiterin Martha Kellner im Gespräch mit der Austria Presseagentur. Worauf die Wiener schimpfen und wie sie das anlegen, will sie dem Spanier Torres, der Tschechin Katerina Kradjel und zwei polnischen Kursteilnehmerinnen in etwa drei Stunden überblicksmäßig beibringen.

Sie erfahren etwa, dass es im Deutschen auffallend viele tierische Schimpfwörter gibt, von "Angsthase" über diverses Geflügel ("Aasgeier", "Rabenmutter" oder -vater, "Schluckspecht", "Pfau" oder der klassische "Vog(e)l", den man hat oder der man ist) bis zum "Neidhammel". Die Wörter "Ochse", "Esel", "Kuh" und "Gans" hat Torres schon verstanden. "Das heißt, das ist ein Trottel", erklärt er. Seine polnischen Kolleginnen haben eine Gemeinsamkeit zu ihrer Sprache entdeckt: "Auf polnisch verwenden wir auch besonders viele Tiere."

Von "Sauschädel" und "Schwein haben"

Schweinen aller Art widmet Martha Kellner besonders viel Aufmerksamkeit. Sie erklärt, warum ein "Sauschädel" ein Schimpfwort sein kann, aber nicht sein muss, bringt ihren Schützlingen bei, was "Schwein haben" bedeutet, und warnt eindringlich vor dem Gebrauch der "Drecksau": "Das ist sehr vulgär, sehr ordinär." Unter jeder Sau eben, weil dieser Ausdruck noch weniger Niveau als ein Schwein hat.

Auch Gender-Differenzen arbeitet die Kursleiterin heraus: Für Frauen gibt es mehr Schimpfwörter als für Männer. Kradjel, Torres und die anderen erfahren, dass der Begriff "weiblich" harmlos ist, das Hauptwort "Weib" oder gar die Mehrzahl "Weiber" beleidigend ist. Von "Schlampen" und der wienerischen Entsprechung "Flitscherln" gar nicht zu reden - Kellner merkt an, dass die Wiener hier immer Frauen mit ungeordneten sexuellen Beziehungen meinen. Männer bekommen bei "Muttersöhnchen", "Hallodri" oder "Spechtler" ihr Fett ab.

Kradjel interessiert sich für einen "Taugenichts": "Heißt das, dass ihm nichts taugt?", will sie wissen. "Nein, das bedeutet, dass er nichts taugt", erklärt Kellner. Den "G'schichtldrucker" können die Teilnehmer des Lehrgangs schon selbst interpretieren: "Kann das jemand sein, der eine Geschichte druckt? Also erfindet?"

"Gschissener" Senf am Wüstelstand

Bei einem Lehrgang über das wienerische Schimpfen darf der Würstelstand nicht fehlen. Aber die Kursleiterin warnt ihre Schützlinge: "Das Wienerische ist supereklig. Wenn Sie es einmal gehört haben, werden Sie Vegetarier." Und spielt ihnen ein Hörbeispiel vor, auf dem Josef Hader eine Wurst bestellen darf: "A Eitrige, waun's ma gabadn. Jo, mid an Bugl. Und aamoi dazuagschissn." Zum Glück folgt die norddeutsche Übersetzung: "Geben sie mir bitte eine Käsekrainer. Ja, mit einem Brotkanten (Scherzerl). Und einem Klacks Senf." Anzumerken bleibt, dass viele Wiener bei einem "gschissenen" Senf automatisch den süßen Kremser Senf meinen.

Die Teilnehmer haben schon ihre Lieblingsinsultationen gefunden: "Hoit die Pappn", "Alles ist deppat", "Schleich dich", "Schluckspecht" und "Ohgschnittana" (Abgeschnittener, für zu kleine Menschen, Anm.) werden genannt.

Kradjel und Torres zeigen sich zufrieden: "Ich habe einige Wörter gehört. Aber ich werde sie nicht wirklich benutzen, weil ich finde, dass es bei den Heimischen einfach echt klingt und bei einem Ausländer doch komisch. Was aber sicher geht, ist: Bist du deppat!", betont die nahezu perfekt Deutsch sprechende Tschechin. "Ich habe mich für diesen Kurs entschieden, weil ich meiner Meinung nach schon relativ gut Deutsch sprechen, aber gerade dieses Gebiet noch nicht so gut kenne." Die Sprache zu kennen sei wichtig: "Umso besser versteht man die Kultur der Leute. Und schimpfen ist, glaube ich, in Österreich und vor allem in Wien von großer Bedeutung."

"Sonst kann man nicht so gut kommunizieren"

Ihr Kollege aus Barcelona meint, dass es in Wien wichtig sei, "so viele Schimpfwörter zu lernen und den Dialekt auch, sonst kann man mit den anderen nicht so gut kommunizieren". Obwohl in Spanien das Reservoir an Schimpfwörtern noch größer sei als hierzulande, unendlich eigentlich. Aber in Wien werde viel geschimpft, "es ist eine andere Welt", sagt Torres. "Zum Beispiel in Wien haben die alten Menschen einen anderen Charakter als in Barcelona. Vielleicht ist es auch das Wetter, das die Leute ein bisschen verrückt macht."

Martha Kellner, die normale Deutsch-Intensivkurse abhält, veranstaltet diesen Minikurs, weil "es mir selbst Spaß macht und ich zweitens davon was lernen kann". Etwa von den fremdsprachigen Teilnehmern: "Ich habe diese Kurse schon vorher einmal gemacht, und da hatte ich zwei Leute aus arabischen Ländern dabei. Das war sensationell: Die Beschimpfung der Mutter, das ist Kindergarten. Da kann man erzählen, dass der Großvater deines Cousins einem Esel gleichgesehen hat, das wird dann sehr komplex."

Für die VHS Meidling sind dieser und andere Minikurse ein wichtiges Angebot zum Schwerpunkt Deutsch als Zweitsprache, erläutert Nicolette Wallmann, Direktorin der VHS. Bei der Auseinandersetzung mit Sprache seien Fragen zu Alltagssprache und Dialekt wichtig. Nicht zuletzt deshalb werden dazu Minikurse um sechs Euro angeboten, die auch Appetit auf Semesterkurse machen sollen. "Schimpfen in Wien" sei allerdings ein begleitendes Angebot für Fortgeschrittene. "Die Teilnehmer sollen ein Werkzeug mitbekommen, wie man auf Sprache schauen kann", so Wallmann.

Nähere Informationen:www.vhs.at

(Gunther Lichtenhofer/APA)

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