Zwei verdächtige Handwerker nutzten vermutlich ein untaugliches Ausschreibungs- und Verrechnungssystem aus. Der Schaden dürfte in die Millionen Euro gehen.
Am Freitag veröffentlichte die „Presse“ Details zu einem mutmaßlichen Handwerkerkartell, das die Stadt Wien wegen Nichterbringung vereinbarter Leistungen um mehrere Millionen Euro geschädigt haben könnte (Zum Bericht). Weitere Recherchen legen nun offen, dass die zwei Handwerkerpatrone W. und L., gegen die derzeit die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, möglicherweise eine systemische Schwäche des bei Wiener Wohnen eingesetzten Ausschreibungs-, Kontroll- und Verrechnungssystems ausnutzten.
In den vergangenen Jahren vergab die Verwaltung von 220.000 Gemeindewohnungen Rahmenverträge für Instandhaltung und Sanierung. Für mehrere Gewerke: Fliesenleger, Maler, Installateure, Bodenleger und mehr. Dabei wurden nie Aufträge für das gesamte Stadtgebiet vergeben, sondern interessierte Firmen konnten sich für kleinere Gebietseinheiten, sogenannte Baulose, bewerben. Für die Arbeiten hatten Sachverständige zuvor geschätzte Kosten in der Höhe von 395 Mio. Euro errechnet. Auf Basis dieser Richtwerte legten die Handwerker ihre Angebote.
Unrealistische Rabatte
Die Zuschläge für die einzelnen, immer noch millionenschweren Baulose, erging auf Basis eines einzigen Kriteriums: dem niedrigsten Preis. Das führte dazu, dass einzelne Firmen Rabatte von 30, 40, 50, manchmal sogar 70 Prozent der Ausschreibungssumme gaben. Wirtschaftlich unrealistisch, aber für den Auftraggeber verlockend.
Fair, und damit realistisch kalkulierende Mitbewerber wurden so aus den Verfahren gedrängt. Eine Gruppe von drei kleinen, aber engagierten Unternehmen geht derzeit beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Preisdumping vor.
K. ist einer von ihnen. Er will mit seinem Namen nicht öffentlich auftreten, beantwortet die Frage, warum sich die Stadt überhaupt auf derart unrealistische Angebote einlasse, aber so: „Offenbar ist das von der Politik gewünscht.“
Ein bisher geheimes, von der „Presse“ am Freitag veröffentlichtes Gutachten der Wiener Wirtschaftskammer kam zum Schluss, dass gleich mehrere Bieter für Fliesenleger-, Bodenleger- und Malerarbeiten im Einflussbereich der beiden verdächtigten Handwerker stehen dürften. Zum Beispiel über Treuhänder. Das brächte den (nicht erlaubten) Vorteil, die „Angebote“ auf einander abstimmen zu können. Ob das tatsächlich geschah, ist noch nicht bewiesen. Tatsache ist jedoch, dass die Mehrheit der Baulose an Unternehmen ging, bei denen W. und L. Eigentümer, Kommanditisten, Geschäftsführer oder Prokuristen waren, oder noch sind. Eine Interviewanfrage blieb unbeantwortet.
Bis dahin haben die Ausschreibungssieger noch kein Geld verdient. Dieses fließt erst, wenn ein Werkmeister von Wiener Wohnen entscheidet, dass nun dieses Stiegenhaus, oder jene Wohnung zu sanieren ist. Die Firma kommt, arbeitet und schickt die Rechnung. Der Werkmeister zeichnet diese, und gibt sie via Stempel „geprüft“ zur Auszahlung frei.
In den der „Presse“ vorliegenden Fällen kann von Prüfung keine Rede sein. Linoleum-Böden etwa wurden anders verlegt, als im Leistungsverzeichnis gefordert. Diese waren dünner, wurden minderwertig verarbeitet, und oft nur auf den alten Belag geklebt. Das spart den Handwerkern Kosten.
Hinzu kam, dass die verrechneten Summen nicht den versprochenen Rabatten entsprachen. Oder anders formuliert: Die ausschreibende Stelle bei Wiener Wohnen hatte keine Ahnung davon, wie die abnehmenden Werkmeister die Aufträge abwickelten.
Manchmal gab es sogar Aufschläge für angeblich zusätzliche Arbeiten. „Immer für Dinge, die oberflächlich nicht sichtbar, oder nachträglich kaum nachweisbar sind“, sagt ein informierter Unternehmer. Zum Beispiel: Reinigungen, Absperrungen, Sanierungen des Mauerwerks oder alter Wasserschäden, die erst während der Arbeiten sichtbar wurden.
Strache fordert U-Ausschuss
Wiener Wohnen vertrat bisher den Standpunkt, diese Art der Auftragsvergaben aus organisatorischen Gründen beibehalten zu müssen. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (siehe Interview) zeigt nun Gesprächsbereischaft.
Mit der Veröffentlichung der Details des Falles versucht nun auch die Opposition Kapital daraus zu schlagen. Landesparteiobmann Heinz-Christian Strache forderte am Freitag die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Gemeinderat.