Bauskandal bei Wiener Wohnen: Spur nach Rumänien

Erbrachten Handwerker ihre Leistungen in Wiener Gemeindebauten nicht? Die FPÖ fordert nach den „Presse“-Berichten einen U-Ausschuss, die ÖVP eine Sondersitzung des Wohnbauausschusses.
Erbrachten Handwerker ihre Leistungen in Wiener Gemeindebauten nicht? Die FPÖ fordert nach den „Presse“-Berichten einen U-Ausschuss, die ÖVP eine Sondersitzung des Wohnbauausschusses.Clemens Fabry
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Das mutmaßliche Handwerkerkartell könnte Wiener Wohnen um Millionen geprellt haben. Ein Teil des Geldes ging via (Schein-?)Rechnungen steuerschonend ins Ausland.

[Wien] Der Verdacht auf einen Bauskandal erheblichen Ausmaßes beschäftigt derzeit die Wiener Gemeindebauverwaltung und die Korruptionsstaatsanwaltschaft. In der vergangenen Woche beschrieb „Die Presse“, wie ein mutmaßliches Handwerkerkartell und seine Handlanger im Magistrat den Steuerzahler um mehrere Millionen Euro geschädigt haben könnten (>> Mehr dazu hier). Mit der Veröffentlichung weiterer Rechercheergebnisse scheint nun denkbar, dass sich schon bald auch das Finanzministerium für den Themenkomplex interessieren wird. Die Spur des Geldes führt nach Rumänien. Möglicher Grund: Sparen von Steuern.

Im Interesse von Behörden und Öffentlichkeit steht die Vergabe eines Rahmenauftrags für Maler- und Bodenlegerarbeiten in 220.000 Gemeindewohnungen. Das Geschäft mit einem Volumen von 65 Mio. Euro ging zu mehr als der Hälfte an Firmen, die mittels komplizierter Konstellationen einem Kommerzialrat aus Liesing, W., und seiner Schwester, L., zuzuordnen sind. Es besteht der Verdacht auf Preisabsprachen, zudem sollen Leistungen im Widerspruch zum Leistungsverzeichnis in schlechterer Qualität ausgeführt und von Mitarbeitern des Magistrats gedeckt worden sein. Interviewanfragen der „Presse“ blieben unbeantwortet. Für die Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.

In diesem Zusammenhang sichtete „Die Presse“ nun zwei Materialrechnungen für ebendiese Arbeiten. Ausgestellt wurden sie von einer Firma namens AMS International SRL. Der Firmensitz liegt in der rumänischen Kleinstadt Odorheiu Secuiesc. Alleiniger Eigentümer: Handwerkerpatron W. aus Wien Liesing.

Rund um die Rechnungen gibt es gleich mehrere Auffälligkeiten. Die harmloseste: Als Firmenlogo dient das (wohl unerlaubt) verwendete Sujet des Wiener Arbeitsmarktservice (ebenfalls AMS). Adressaten der Quittungen sind Firmen, die im Einflussbereich von W. und L. stehen. Die darauf ausgewiesenen Summen übersteigen jene der im rumänischen Firmenbuch ausgewiesenen Jahresumsätze von AMS (circa 10.000 Euro) jedoch um ein Vielfaches.

Überhöhte Preise

Dabei könnte das nur die Spitze des Eisbergs sein. Ein Informant der „Presse“ aus dem Rathaus spricht davon, dass AMS praktisch alle Baustellen von W. und L. bei Wiener Wohnen beliefert haben soll. Der Materialpreis ginge in die Millionen Euro.

Ebenfalls interessant sind die verrechneten Produkte von Herstellern wie Murexin, Synthesa oder Sto. Die ausgewiesenen Preise sind nämlich viel zu hoch. Relevant ist das deshalb, weil die Firmen von W. und L. die Kosten für das Material im Rathaus vorlegten. Auch der ausgewiesene Rabatt von zehn Prozent ist niedriger als üblich. Über die Malerinnung war zu erfahren, dass die genannten Firmen bei Lieferungen in dieser Größenordnung Rabatte in der Höhe von 20 bis 40 Prozent geben.

Doch die Ungereimtheiten haben noch eine weitere Steigerungsstufe. In einem bisher geheimen Gutachten, das die Wiener Wirtschaftskammer im Rahmen eigener Erhebungen in Auftrag gegeben hatte, steht, dass die zu teuer verrechneten Markenprodukte auf einigen überprüften Baustellen nicht einmal verwendet wurden. Im selben Gutachten steht auch, dass AMS von den genannten Herstellern gar nicht beliefert wird. Wozu das Ganze also?

Deutliche Worte: Gutachten der Wirtschaftskammer zur Verrechnungspraxis.
Deutliche Worte: Gutachten der Wirtschaftskammer zur Verrechnungspraxis.



W. gab dazu keine Erklärung ab. Der Gutachter der Kammer vermutet, dass so die Gewinne der Wiener Firmen, die in Wahrheit wohl minderwertiges Material verwenden, verschleiert werden (siehe Faksimile).
Bewahrheitet sich der Verdacht auf ein mittels Treuhänder gesteuertes Kartell in Österreich, hätte die Konstruktion mit AMS in Rumänien den Vorteil, dass so das Geld letztendlich doch beim wahren Eigentümer landet. Und das zu günstigen Konditionen. Die Körperschaftsteuer beträgt hierzulande immerhin 25 Prozent. Jene in Rumänien liegt bei 16 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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