Chronologie: U-Haft wegen "Tatbegehungsgefahr"

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Der 14-jährige Bursch, der in der Justizanstalt Wien-Josefstadt von drei älteren Jugendlichen missbraucht wurde, hatte mit diesen fünf Tage in der Zelle verbracht, bis es zu den gewalttätigen Übergriffen kam.

Im Folgenden eine Chronologie über die zeitlichen Abläufe.

  • 29. April: Der 14-Jährige wird mit zwei älteren Komplizen und einem noch nicht 14 Jahre alten und daher strafunmündigen Burschen festgenommen, nachdem das Quartett versucht hat, in Wien einem älteren Mann auf der Straße mit zwei gezückten Messern Wertgegenstände wegzunehmen.
  • 2. Mai: Nach einer Einvernahme, in welcher der Bursch auf die Haft- und Rechtsschutzrichterin keinen nachhaltig geistig beeinträchtigten Eindruck macht, verhängt das Wiener Straflandesgericht über den 14-Jährigen die U-Haft. Als Haftgrund wird Tatbegehungsgefahr angenommen.
  • 6. Mai: Der 14-Jährige wird in der Zelle von seinen 17 Jahre alten Zellenkameraden misshandelt und mit einem Besenstiel vergewaltigt. Er meldet am nächsten Tag den Vorfall, die Verdächtigen werden umgehend - teilweise sogar in andere Justizanstalten - verlegt. Der 14-Jährige bleibt in Haft.
  • 14. Mai: Um 12.00 Uhr trifft bei der Staatsanwaltschaft ein Bericht der Jugendgerichtshilfe ein, in dem von einer verminderten geistigen Reife des 14-Jährigen die Rede ist und die Vermutung geäußert wird, dieser könnte noch nicht reif genug sein, um das Unrecht seiner Tat einzusehen. Damit wäre gemäß § 4 Absatz 2 Ziffer 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) keine Strafbarkeit gegeben.

    Noch am selben Tag bringt die Staatsanwaltschaft gegen den Burschen und die zwei strafmündigen mutmaßlichen Komplizen eine Anklage wegen versuchten schweren Raubes ein. Die Staatsanwaltschaft weiß zu diesem Zeitpunkt von der Vergewaltigung, die der 14-Jährige erlitten hat und die bei der Anklagebehörde zur Anzeige gebracht wurde.
  • 15. Mai: Die Raub-Anklage fällt in der Jugendabteilung des Straflandesgerichts an. Der Akt wird der Jugendrichterin Daniela Zwangsleitner zugeteilt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft bestellt die Richterin eine psychiatrische Sachverständige, um den Geisteszustand des 15-Jährigen abklären zu lassen.
  • 10. Juni: Die Gutachterin Gabriele Wörgötter teilt der Justiz per Mail mit, dass sie die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe teilt. Darauf wird der Jugendliche von der Richterin unverzüglich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft enthaftet. Er kommt bei einer betreuten Wohngemeinschaft unter.
  • 25. Juni: Die Wochenzeitung "Falter" macht den Fall publik, nachdem die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig bei einer nicht medienöffentlichen Enquete von der Vergewaltigung berichtet hat (Mehr ...).
  • 28. Juni: Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) räumt Fehler der Justiz ein und stellt im Rahmen einer Pressekonferenz fest: "Aus heutiger Sicht hätte man das Opfer nicht in diese Zelle sperren dürfen." Die Staatsanwaltschaft hält trotz Zweifeln an dessen Schuldfähigkeit vorerst weiter an der Anklage gegen den 14-Jährigen fest. Die Verhandlung soll am 22. Juli stattfinden. (Mehr ...)

(APA)

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