Der erste Praxistest für die Fußgängerzone light

erste Praxistest fuer Fussgaengerzone
erste Praxistest fuer Fussgaengerzone(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Kein Chaos, aber viel Verwirrung auf der Mariahilfer Straße. Wie sich das neue Konzept für Fußgänger, Autofahrer, Radler und Busgäste anfühlt. Wie laut Autos sind, merkt man erst, wenn sie fehlen.

Wien/Mpm/Phi/Win/Cim. Die jüngste Fußgängerzone der Stadt ist erst ein paar Stunden alt, da haben manche den großen Rummel auch schon satt. „Kein Kommentar“, heißt es vom Klub der Unternehmer der Mariahilfer Straße am Freitag unwirsch. „Schon gar nicht am Telefon.“

Auch die Vertreter der Busfahrer bei den Wiener Linien, die vor wenigen Tagen noch mit Streik drohten, wollen sich jetzt nicht mehr näher äußern. „Relativ ruhig, nur eine gewisse Verwirrung ist natürlich noch vorhanden“, beschreibt Dominik Gries von den Wiener Linien die Erfahrungen nach ein paar Stunden 13A in der Fußgängerzone. Ein paar Dinge gehörten noch verbessert – die Schaltung der Ampeln etwa; und ja– es gebe Verzögerungen, die seien aber bisher „nicht wesentlich“.

Aber nicht nur die Gegner des Projekts, auch seine Befürworter sind plötzlich überraschend still. Zumindest wenn es um Details geht. So stolz sich die Politikerriege – allen voran Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) – beim Fotoshooting auf der Mariahilfer Straße präsentierte, so erstaunlich dürftig ist auch nach dem Start die Faktenlage: Weder wie lange die Testphase dauert („ein paar Monate“) noch die Kosten will man im Büro Vassilakou mitteilen. „Es wird im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen“, heißt es aus dem Büro Vassilakou. In Rathauskreisen spricht man wiederum von um die 15 bis 20 Millionen, die die „Mahü neu“ kosten wird.

Und sonst? Abgesehen von abwartendem Schweigen, wie macht sich die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße im Praxistest – soweit man das an einem Fenstertag im August beurteilen kann? „Die Presse“ hat getestet, wie sich das neue Konzept für die verschiedenen Nutzergruppen darstellt: für Busfahrer, Fußgänger, Radler – und den Autoverkehr.

Für Busfahrer

Kurz gesagt: Zu Fuß wäre man hier genauso schnell. Denn für die knapp 210 m, die der 13A von der Haltestelle Neubaugasse bis zum nächsten Stopp (Kirchengasse) durch die Fußgängerzone fährt, braucht er nun knapp eineinhalb Minuten. Dafür bleibt Zeit für den Blick aus dem Fenster. Der macht klar, warum sich die Busfahrer im Vorfeld gegen die Pläne, den 13A durch die Fußgängerzone fahren zu lassen, gewehrt haben: Denn für den Fahrer bedeutet der kurze Weg an diesem ersten Nachmittag enorme Konzentration.

Gingen die meisten Fußgänger am Vormittag noch wie immer auf dem Gehsteig, wurden sie am Nachmittag schon mutiger und probierten die Straße aus – besonders gern die rot gefärbte Busspur. Das Verbot, genau dort zu gehen, scheint bei vielen nicht angekommen zu sein. Im Gegenteil. Die Mitarbeiter der Wiener Linien, die entlang der Busspur stehen und freundlich versuchen, die Fußgänger von der Busspur zu vertreiben, haben schon fast resigniert. „Das Verbot kann man ja so gut wie gar nicht exekutieren“, sagt einer. „Ich fürchte mich schon vor dem Tag, an dem der erste Busfahrer einen Passanten niederfährt.“

Für Fußgänger

Wie laut Autos sind, merkt man erst, wenn sie fehlen: So still wie an diesem Vormittag war ein Spaziergang entlang der Mariahilfer Straße selbst nachts noch nie. Später hört man dann aus so manchem Geschäft laute Musik: War die immer schon da? Die Scheu, als Fußgänger nun mitten auf der Straße zu gehen, ist zumindest anfangs groß. In der Fußgängerzone bleibt links und rechts ob der breiten Busspur jedenfalls wenig Platz.

Viel Freiraum hat man in den beiden Begegnungszonen – allerdings muss man sich diese Zonen mit Autos (wenn auch wesentlich weniger unterwegs sind als früher, allerdings halten sich nicht alle an die 20-km/h-Beschränkung), dem 2B-Bus und vielen Radfahrern teilen. Das verunsichert: Kommt da eh kein Auto, und wenn doch, sieht es mich? Dazwischen schlängeln sich Radfahrer, kurz – leicht chaotische Zustände, auch wenn sie eben offiziell erlaubt sind. Im Zweifel bleibt den Fußgängern: der Gehsteig.

Für Radfahrer

Kein Gedränge auf dem schmalen Radstreifen, kein Warten vor Ampeln – eine neue Freiheit. „Heaast!“, schreit einem ein Mopedfahrer beim Vorbeifahren nach, der wohl aus Gewohnheit vor der ausgeschalteten Ampel erst einmal stehen geblieben ist. Die neue Freiheit überfordert noch viele. Fußgänger, die ohne zu schauen auf die Straße treten, Radfahrer, die mit vollem Tempo durch die Fußgängerzone treten, in der nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt wäre. Und das alte schlechte Gewissen, das sich beim Rollen durch die Fußgänger einschleicht. Ein Polizist! Schaut er her? Dass man das darf, das ist noch zu neu. Die Polizisten – in etlichen Zweierteams auf der Straße unterwegs – sind aber ohnehin mit anderem beschäftigt: verwirrten Autofahrern.

Für Autofahrer

Es ist doch verwirrend: Man merkt es daran, dass viele langsam rollen und viel herumschauen. Stadteinwärts bei der Kaiserstraße beginnt für Autos Neuland: die Begegnungszone, in der Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gleichberechtigt sind. Schon bei der bisher viel befahrenen Kreuzung der Mariahilfer Straße mit Schottenfeld- bzw. Webgasse sollte dies tunlichst verinnerlicht sein: Die Ampel ist ausgeschaltet, Verkehrsteilnehmer treffen ungeregelt aufeinander.

Richtung Innenstadt folgt bald ein Schwachpunkt: Bei der Andreasgasse ist die Begegnungszone aus, die Fußgängerzone beginnt. Für Autofahrer ist das eine Sackgasse, die Andreasgasse (links) darf nur bis zur Parkgarage befahren werden, die Otto-Bauer-Gasse (rechts) führt als Einbahn zur Mariahilfer Straße hin. Am Freitag mussten viele Autos auf dieser Kreuzung wenden. Andere verirrten sich – manchmal in ganzen Kolonnen – in die Fußgängerzone. Strafen gab es dafür (noch) keine.

In der Fußgängerzone dürfen fortan nur Lieferanten bis 13 Uhr fahren, sie ist als Einbahn Richtung Innenstadt geführt. Bei der Kirchengasse wird die Einkaufsmeile wieder zur Begegnungszone.

Probleme dürften auch Autofahrer bekommen, die sich auf ihr selbst ahnungsloses Navigationsgerät verlassen. Das letzte der (vierteljährlichen) Updates der Europa-Karte für Navigationsgeräte war vor 14 Tagen. Auch Google Maps lotste einen beim Kurz-Test am Freitag noch falsch. Obwohl es seitens des Büros von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou hieß, men habe alle Daten schon an Google geschickt.

Gewöhnungsbedürftig sind auch die neuen Tempolimits in dem umliegenden Gassen: Um den Autoverkehr großflächig umzulenken, herrscht in Gumpendorferstraße, Neustift- und Burggasse 30km/h Tempolimit.

ÖAMTC will klagen

Es gibt aber auch juristische Stoplersteine: Auch die ersten Anzeigen sind am Tag eins schon eingetroffen. Innerhalb der Begegnungszone wurden um die bisherige Pflasterung für Parkplätze weiße Bodenmarkierungen angebracht. Optisch schaut das aus wie die Markierung eines Parkplatzes, nur kennzeichnen die Linien nicht einen solchen, sondern zeigen den Fahrbahnrand an, erklärt ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer. An „unkonventioneller Stelle“, am äußeren Rand der vermeintlichen Parkmarkierung findet man auch einen gelben Strich, der wiederum ein Halte- und Parkverbot kennzeichnet. Der ÖAMTC sieht das als „klassischen Fall von Irreführung und Falle“. Er will ein Musterverfahren einleiten - und beklagt, dass es unfair sei, dass bereits Autos abgeschleppt würden.

Auf einen Blick

Seit Freitag, sechs Uhr früh, ist die Mariahilfer Straße nun dank diverser komplexer Regeln verkehrsberuhigt: Die Randbereiche wurden zu „Begegnungszonen“, die sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt teilen. Der Mittelteil (zwischen Kirchen- und Andreasgasse) ist nun eine Fußgängerzone, in der Rad fahren im Schritttempo erlaubt ist und die Busse der Linie 13A auf einem roten Streifen passieren.

Der Test soll einige Monate dauern, dann wird evaluiert. Umbauten sind für Sommer 2014 geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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