Schütz: "Politik soll sagen, wenn sie AKH schließen will"

Schuetz Politik soll sagen
Schuetz Politik soll sagen(c) FABRY Clemens
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Das Allgemeine Krankenhaus werde von der Stadt Wien und dem Bund ausgehungert, kritisiert Med-Uni-Rektor Wolfgang Schütz im Gespräch mit der "Presse".

DiePresse: In den Uni-Kliniken in Graz und Innsbruck belaufen sich die jährlichen Kosten für ein Spitalsbett laut Rechnungshof auf rund 120.000Euro – im AKH Wien sind es mehr als 258.000 Euro. Wie können Sie das rechtfertigen?

Wolfgang Schütz: Die Verwaltungsinkompetenzen, die sich aus der schwierigen Zusammenarbeit von Stadt Wien und Bund ergeben, können ein Erklärungsansatz sein, aber sicher nicht der einzige. Was gern vergessen wird, ist, dass der Intensivbereich im AKH massiv zugenommen hat. Alle komplizierten Fälle wandern letztlich in das AKH. Wir haben also schlicht die teureren Patienten.

Ganz so einfach sind die schlechten Zahlen wohl nicht zu entkräften. Im Schnitt sind 300 Betten nicht belegbar, die Krankenstände des Pflegepersonals fast doppelt so hoch wie anderswo.

Das Hauptproblem ist, dass das AKH für die Stadt und wohl auch für den Bund ein ungeliebtes Kind ist, das man gezielt aushungert. Wien versucht laufend, uns Ressourcen wegzunehmen und in andere Spitäler zu verlagern. Das führt zu Problemen. Immer wieder funktionieren ganze Bereiche nicht, weil Reparaturen lange dauern. Der Druck auf das Personal ist hoch, das erzeugt Krankenstände. Zudem fehlt es an Pflegepersonal.

Warum sind Sie denn so ungeliebt?

Weil die Zusammenarbeit mit dem Bund für die Stadt kompliziert ist. Das würde man sich wohl gern ersparen. Wir sind nicht so fügsam wie andere Spitäler. Was die Stadtregierung übersieht, ist, dass das AKH dennoch das wahrscheinlich beste Spital des Landes ist – und von den Wienern dafür geliebt wird. Nicht umsonst werben andere Krankenhäuser mit der Nähe zum AKH. Wenn es Komplikationen gibt, kommen alle zu uns.

Warum gelingt es Ihnen dann nicht, aus dieser Beliebtheit bei den Menschen Kapital zu schlagen?

Daran sind wir selbst schuld. Wir vermarkten uns da wohl nicht gut genug. Wir haben den Sparkurs auch lange mitgetragen, weil uns bewusst ist, dass überall Kosten gesenkt werden müssen. Wenn wir nun aber sehen, dass andernorts für Dinge, die bestenfalls als „nice to have“ bezeichnet werden können, Geld da ist, können wir nicht mehr länger stillhalten.

Sie spielen auf die Medizinfakultät in Linz an.

Ich würde den Linzern die Med-Fakultät gern vergönnen. Aber sie ist schlicht nicht nötig. Vor allem nicht in Zeiten, in denen anderswo das Geld fehlt. Ich denke aber auch an den Neubau der WU, der 530 Millionen Euro verschlingt, weil man nur die besten Architekten engagieren wollte. Irgendwann ist den Leuten bei uns dann der Kragen geplatzt. Daher der Aufschrei der Mediziner.

Setzt Uni-Minister Karlheinz Töchterle in der Hochschulpolitik die falschen Prioritäten?

Es sieht ganz so aus. Früher hat man sich zumindest bemüht, die knappen Mittel abseits aller Parteipolitik an den Unis gerecht zu verteilen. Aber seit einiger Zeit stelle ich fest, dass verstärkt nur noch auf politisch erwünschte Projekte gesetzt wird.

Was bedeutet das nun für die Med-Uni und das AKH? Können Sie ausschließen, dass die medizinische Versorgung darunter leiden wird?

Derzeit ist die Versorgung der Patienten gesichert. Wie es in Zukunft aussieht, werden wir sehen. Ein weiterer Sparkurs ist dem Personal nicht mehr vermittelbar. Hier brodelt es. Der Bund und die Stadt müssen sich endlich entscheiden, ob sie das AKH wollen. Wenn ja, dann fordern wir ein klares Bekenntnis von beiden Seiten. Wenn die Politik das AKH sukzessive herunterfahren und schließen will, dann sollen die Verantwortlichen den Mut haben, das auch laut zu sagen.

Wie viel Geld benötigen Sie nun konkret?

Wir haben ein Reinvestitionsprogramm von 1,15 Milliarden Euro, das bis 2020 realisiert werden muss. Zentral ist ein Neubau für unsere theoretischen Institute, das Grundstück an der Spitalgasse haben wir ja bereits erworben. Wenn man uns dieses endlich finanziert, haben wir auch wieder Eigenmittel.

Zu einem anderen Thema: Viele Ärzte und Spitäler verkaufen Patienten- und Rezeptdaten an ein Pharmaunternehmen. Gibt es das auch am AKH?

Nein, derartige Verträge gibt es nicht.

Können Sie ausschließen, dass Med-Uni-Ärzte die Daten ihrer Patienten weiterverkaufen?

Ausschließen kann ich es nicht. Ich kann es mir aber nicht vorstellen.

Wie kann man als Arzt auf die Idee kommen, die Daten seiner Patienten zu verkaufen?

Ich glaube, dass bei den betroffenen Ärzten – neben dem Geld – viel Nichtwissen dabei war. Da hat sicher ein gewisses Level an Naivität eine Rolle gespielt.

Die Ärztekammer will betroffenen Ärzten die Berufsberechtigung entziehen. Ein richtiger Schritt?

Wenn ein Arzt wissentlich Daten weitergegeben hat, die dem Datenschutz unterliegen, halte ich die Konsequenzen für berechtigt. Die Schweigepflicht ist ein hohes Gut, auf das sich die Patienten verlassen können müssen.

Sollte sich herausstellen, dass auch Med-Uni-Ärzte betroffen sind, ziehen Sie dann Konsequenzen?

Ja. Wenn strafbare Handlungen vorliegen, können wir gar nicht anders.

Zur Person

Wolfgang Schütz (65) ist seit dem Jahr 2004 Rektor der Medizinischen Universität Wien. Diese ist eng mit dem AKH verwoben, das eine Doppelfunktion als öffentliches Spital und Uni-Klinik hat. Die Medizin-Uni stellt – bezahlt vom Bund – am AKH das gesamte ärztliche Personal, das sowohl Patienten betreut, als auch universitäre Forschung und Lehre betreibt. Trägerin des Krankenhauses ist allerdings die Stadt Wien, sie zahlt Pflege- und Erhaltungspersonal des AKH. Zuletzt kritisierte der Rechnungshof die Zusammenarbeit von Stadt und Bund im AKH. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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